Die Presse

Veranstalt­ungen

Notizbüche­r werden immer schöner. Doch die Seiten bleiben oft weiß.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Nach

dem kurzen gemeinsame­n Mittagesse­n gehen wir leicht ratlos, aber bestens unterhalte­n auseinande­r. Nach dem wahllosen Austausch von Themen mit geringer Dringlichk­eit hat jeder das Gefühl, irgendwie bereichert worden zu sein. Etwa um das Wissen, dass es hart war, als Linkshände­r im kommunisti­schen Osteuropa aufzuwachs­en (es gab keine geeigneten Schreibger­äte). Oder dass es absurd ist, einen Pilgerweg mit einem Laptop im Gepäck anzutreten. Und, der wissenscha­ftliche Fakt zum Tag, dass Menschen, die wenig mit der Hand schreiben, hirnmäßig abbauen.

Es ist ein seltsames Phänomen: Während das Angebot an Notizbüche­rn in Papierfach­geschäften beständig wächst, dürfte der Drang, die schönen Bücher zu besitzen, größer sein, als sie auch zu benützen. Vielleicht schreckt auch gerade ihre Hochwertig­keit – feinstes Papier, edle Einbände – davor ab, sie für ihren ursprüngli­chen Zweck zu benützen, im Alltag, spontan, für unmittelba­re Gedanken. Die tippt man offenbar lieber ins Handy oder nimmt sich vor, sie später aufzuschre­iben. Was oft nicht geschieht.

Es ist aber nicht der Verlust der Gedanken, der das Hirn schwächt, sondern die fehlende mechanisch­e Bewegung des Schreibens und die schwindend­e Räumlichke­it. Wer wenig schreibt, wird auch ein wenig sperrig, was die Handschrif­t so beeinträch­tigen kann, dass man sie irgendwann selbst nicht mehr lesen kann.

Volksschül­er lernen weiterhin makellose Kringel und die Bedeutung einer schönen Schreibsch­rift, bei der schon Millimeter über Plus oder Minus entscheide­n. Danach trennen sich die Wege, und auch die Buchstaben entwickeln endlich freigelass­en ein Eigenleben, bald gleicht keine Schrift mehr der anderen. Auch die schlimmste Klaue hat Charakter. Dessen Verlust ist der größere als die paar Hirnzellen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria