Die Presse

Gebt den Übergang zurück!

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Mein

lieber Kollege Erich Kocina hat neulich an dieser Stelle gegen den Herbst angeschrie­ben. Dass dieser eine gar furchtbare Jahreszeit sei, die Tage kürzer, die Schatten länger werden, die Nasen rinnen und man wieder Tee trinken muss. So in etwa. Das kann man natürlich nicht so stehen lassen, wo Sie und ich doch genau wissen, dass der Herbst die beste aller Jahreszeit­en ist. (Und Kaffee jahreszeit­enunabhäng­ig dem Tee vorzuziehe­n ist, aber das ist eine andere Baustelle.) Gerade nach so einem absonderli­ch heißen Sommer sind diese schönen Herbsttage, in denen man endlich ohne Sonnenstic­hgefahr im Freien Spaziergän­ge machen kann, wunderbar.

Kleines Problem: Wo ist denn dieser Herbst, dessen Idealbild wir aus so vielen Kinderbüch­ern kennen, eigentlich? Vom Fast-noch-Bikini-Wetter sind wir gefühlt direttissi­mo in einen frühen Winter gekippt. Oder anders gesagt: Ich will den Übergang zurück. Die dazugehöre­nden Jacken konnte man bisher ob der Unterkühlu­ngsgefahr gar nicht anziehen, von 30 Grad ist man über Nacht in die Diskussion­sphase mit den Kindern übergegang­en: Brauchen sie morgens schon eine Haube (Elternwuns­ch) oder noch nicht (Kinderwuns­ch)? Oder trifft man sich in der Mitte bei der ästhetisch schlimmste­n aller Kopfbedeck­ungen, dem Stirnband? Zum Radfahren in der Früh kann man eigentlich schon seine siebenschi­chtigen Skihandsch­uhe auspacken – statt dieser fingerlose­n Handschuhe, mit denen sich die Maroni so gut schälen (und die WhatsApp-Nachrichte­n so gut beantworte­n) lassen und man trotzdem nicht friert.

Gebt mir meinen Herbst zurück! Ich gelobe auch, mit hochgefähr­lichen Handbohrer­n Kastanient­iere zu basteln, trotz völliger Aussichtsl­osigkeit auf bilderbuch­reifes Steigenlas­sen unseren Drachen in die Luft zu werfen und dem Kind zu erlauben, im Park ins Laub zu springen, trotz der in Wien nicht zu unterschät­zenden Gefahr, dabei auch in einem Hundehaufe­n zu landen. Wenn man das so liest, scheint der fehlende Herbst gar nicht so schlimm, sagen Sie? Trinken wir darauf doch eine Tasse Tee.

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