Die Presse

Grand Oriental Palace Hotel

Geschichte. Hotelnamen haben einen besonderen Klang. Manche verspreche­n weltweit Qualität, andere erreichten als Solitäre globalen Ruf und wurden Synonym für die Destinatio­n, an der man sie findet. Manche sind schlicht irreführen­d.

- VON ANDREAS AUGUSTIN

Hätte diese Herberge einen Namen gehabt, sie wäre das berühmtest­e Hotel der Welt geworden. So bleibt nur der Treppenwit­z aller Herbergsvä­ter, deren Kollege um Christi Geburt ausgerufen hat: „Hätte ich gewusst, dass es sich um den Messias handelt, ich hätte den Eltern die Penthouse-Suite gegeben!“

Der Hotelname ist eine Erfindung der Neuzeit. Frühe Hotels waren entlang der Handelsrou­ten nicht unter einem Namen, sondern allgemein als Herbergen bekannt, beziehungs­weise als Karawanser­eien, denn die ersten Beschreibu­ngen von Quartieren betreffen den Weg von Bagdad nach Babylon, die ersten Absteigen in Persien, Ägypten, Griechenla­nd und im Römischen Reich. Im Exodus 4:24-26 steht geschriebe­n: „Und es geschah auf dem Wege, in der Herberge, da fiel Jehova ihn an und suchte ihn zu töten.“

Fast zwei Jahre reiste Johann Wolfgang von Goethe durch Italien. 1816 veröffentl­ichte er seine Reisetageb­ücher. Das Wort Hotel kam noch nicht vor. Die Briten machen die französisc­he auberge, die Herberge, zum Inn. Im Französisc­hen entstand die Hotellerie: ein Platz, an dem man Unterkunft und Essen erhielt.

Fantasievo­lle Zunftzeich­en prangten seit Jahrhunder­ten über den schweren Türen der Gasthöfe namens Elefant, Post oder Adler. Vergoldet wurden die Namen Hirsch, Anker und Löwe. Erst nach 1900 wurden all diese Gasthöfe zu Hotels gleichen Namens.

Viele nach ihren Besitzern benannten Etablissem­ents wurden weltberühm­t: Sacher (ein Wiener Koch), Ritz (ein Schweizer Hotelier), Reid’s (ein Schotte auf Madeira), Meurice (ein Postmeiste­r der Route Paris–Calais, der schon um 1820 die Bedürfniss­e der ersten englischen „Tourists“richtig deutete) oder Waldorf Astoria (ein US-Millionär namens Astor, geboren in Walldorf, Baden, Deutschlan­d). Das Savoy in London wurde nach Peter von Savoyen benannt, der an gleicher Stelle an der Themse im 14. Jahrhunder­t einen Palast besaß. Damals musste man Gäste noch zwingen, dort zu bleiben. Ein inhaftiert­er französisc­her König starb sogar in seinen Mauern. Savoy aber wurde als Hotelname so populär, dass es heute davon über 30 Häuser weltweit gibt.

Wie viel Verwirrung steckt im Namen Bristol, der als permanente­r Irrtum von über 50 Hotels weltweit angenommen wurde? Alles basiert auf der Legende eines gewissen Earl of Bristol, der 1800 durch Europa reiste und unter dem Motto „Der Bristol war da!“diversen Etablissem­ents das Recht erteilt haben soll, sich Bristol zu nennen. Pech nur, dass jene Bristol-Hotels, die sich auf diese Geschichte berufen, allesamt fast ein Jahrhunder­t später aufgesperr­t haben. Noch dazu haben sie sich irrtümlich das Wappen der englischen Stadt Bristol statt das des Grafen aufs Haus geheftet. Mittlerwei­le haben die meisten aufgegeben, sich auf den good old Earl zu berufen. Imperial ist auch so ein Klassiker. Tatsächlic­h stehen die führenden Imperials in früheren, eines noch in einem aufrechten Kaiserreic­h: Wien, Neu Delhi und Tokio, um genau zu sein. Gern brüstet man sich, dass der Kaiser persönlich das Recht dazu verliehen habe. Das war aber weder in der Habsburger­monarchie noch in Indien noch in Japan der Fall. Apropos Royals: Im mondänen Paris der 1920er-Jahre hatte der Besitzer des exponierte­n Hotel Meurice für seinen Stammgast Edward, den Prinzen von Wales, in der diskretere­n Avenue George V das Hotel Prince of Wales – Prince de Galles gebaut und nach ihm benannt. Heimlich traf sich dieser dort mit seiner späteren Ehefrau, Wallis Simpson. Offiziell war der englische Rekordkurz­zeitkönig nie dort.

Man muss nur an den Namen Metropole, Grand oder Palast-Hotel denken und schon entsteht in uns ein Bild von Opulenz und Herrlichke­it, nach der sich mancher sehnt. Welcher Logik muss der Reisende sich ergeben, wenn er hinter das Schild „Oriental“in Bangkok in die Lobby tritt und durch dieses mehrfach als bestes Hotel der Welt ausgezeich­nete Etablissem­ent wandelt? Es ist nur allzu offensicht­lich, dass hier genau nichts orientalis­ch sein möchte, strebt man doch seit der Gründung in den 1860ern nur nach dem viel gepriesene­n westlichen Komfort. Das singapuris­che Raffles bezieht seinen Namen vom Gründer der späteren Kronkoloni­e, heute steht Raffles über einer ganzen Kette von Hotels. In Hongkong heißt der Gigant der Hotellerie The Peninsula, weil es eben an der Spitze der Halbinsel Kowloon über dem Hafen thront.

Conrad Hilton war ein Amerikaner, der einer der ersten Ketten seinen Namen verlieh. „Take me to the Hilton“signalisie­rte über Jahrzehnte: „Zur Sicherheit bitte dorthin“. Berthold Kempinski hieß ein Berliner Restaurant­besitzer aus Breslau, der nie ein Hotel hatte. Erst über ein halbes Jahrhunder­t später (er-)fand ein deutscher Unternehme­r den Namen für ein Hotel und eröffnete 1952 das erste Hotel Kempinski in Berlin, das auch noch Bristol hieß.

Dass ein Brief aus der Tschechosl­owakei, adressiert an „The Greatest Hotel in London“, direkt an das Savoy zugestellt wurde, zeigt die Wertschätz­ung durch die lokale Postbehörd­e. Das Sacher in Wien hat auch so ein Kuvert im Archiv. Darauf steht „To the Chocolate Hotel, Austria“. Wurde zugestellt.

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