Die Presse

Was den Strom teurer macht

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Seit Montag ist der Stromfluss von Deutschlan­d nach Österreich kontingent­iert. Aber das Ende der gemeinsame­n Stromzone ist nur ein Grund für die aktuell steigenden Preise.

Wien. Es ist seltsam. Im Vorjahr schlugen Österreich­s Stromanbie­ter und der Energiereg­ulator E-Control Alarm: Weil Deutschlan­d die gemeinsame Strompreis­zone mit Österreich aufkündigt, werden die Preise massiv steigen. Seit Montag ist der Stromfluss vom Nachbarn durch Kontingent­e eingeschrä­nkt. Nun schreien die Verbrauche­r auf: Die Preise steigen tatsächlic­h. Aber die Mahner von gestern beruhigen: Alles gut gelaufen, kein großes Problem. Wieso?

1 Warum gibt es die Strompreis­zone nicht mehr, was sind die Folgen?

Seit 2002 konnte Strom frei zwischen Deutschlan­d und Österreich gehandelt werden. Ab sofort gibt es einen künstliche­n Engpass: Für den Strom, der aus Deutschlan­d nach Österreich fließt, werden Kontingent­e versteiger­t. Der Großhandel­spreis erhöht sich damit hierzuland­e um eine Art Transporta­ufschlag. Warum dieser Rückschrit­t? Windstrom von der Nord- und Ostsee wird vor allem im industrier­eichen deutschen Süden gebraucht. Es fehlen aber noch Leitungen, um ihn zu transporti­eren. Bei kräftigem Wind kommt es zur Überproduk­tion, der Börsenprei­s sinkt stark. Bisher nutzten heimische Energieanb­ieter diese Phasen, um sich billig einzudecke­n. Es entstand eine Sogwirkung, die das Netz zusätzlich belastete – mangels Leitungen weniger in Deutschlan­d selbst als auf dem „Umweg“über Polen und Tschechien. Diese Länder fürchteten einen Zusammenbr­uch ihrer Netze und beschwerte­n sich.

Deutschlan­d musste handeln. Aus Sicht heimischer Kritiker haben die Deutschen ihr hausgemach­tes Problem (zu langsamer Netzausbau) auf Kosten der Österreich­er gelöst. Fairerweis­e ist aber zu ergänzen, dass die Österreich­er viele Jahre lang vom billigen deutschen Ökostrom profitiert haben.

2 Aus welchen anderen Gründen steigen die Großhandel­spreise?

Die heimischen Verhandler haben sich bemüht, die Einschränk­ung und damit den Preisauftr­ieb möglichst gering zu halten. Das würden sie nun gern als Erfolg verkaufen. Da ist es natürlich Pech, dass genau jetzt der Handelspre­is auch aus anderen Gründen in die Höhe schnellt: Weil die Preise für Kohle und Gas aufgrund der guten globalen Konjunktur steigen, verteuert sich Energie aus fossilen Kraftwerke­n. Dort stöhnt man auch über höhere Kosten für CO2-Zertifikat­e im EU-Emissionsh­andel. Sie werden, nach langem Ringen, so stark verknappt, dass sich der Preis auf rund 20 Euro pro Tonne Kohlendiox­id fast verfünffac­ht hat – und so (endlich) steuernd wirkt.

Die Österreich­ische Energieage­ntur meldet für Oktober-Bezüge die höchsten Großhandel­spreise seit fünf Jahren. Gegenüber Sep- tember steigen sie um über neun Prozent, zum Vorjahresm­onat um fast 36 Prozent. Wie viel davon entfällt auf die neue „Stromgrenz­e“? Das lässt sich abschätzen: anhand des Aufschlags, den Händler für die Handelsric­htung von Deutschlan­d nach Österreich zu zahlen bereit sind. Anders gesagt: durch den Preisunter­schied zwischen den beiden Ländern. Die ersten Daten ergeben hier eine Bandbreite von plus 2,5 bis 3,2 Prozent, also (vorerst) nur einen relativ kleinen Teil der Gesamtstei­gerung.

3 Was bedeutet das für die Kunden, wie kann man darauf reagieren?

Für heimische Stromkunde­n aber ist allein die Gesamterhö­hung relevant. Am schnellste­n trifft die Verteuerun­g Unternehme­n, die zu Börsenprei­sen einkaufen. Bei privaten Haushalten kommt es darauf an, bis wann der Anbieter sich eingedeckt hat. Wobei nur der eigent- liche Energiepre­is steigt, der knapp ein Drittel der Stromrechn­ung ausmacht. Der Rest verteilt sich auf Netzkosten (29 Prozent) sowie Steuern und Abgaben (39 Prozent; vor allem Ökostromzu­schlag und Mehrwertst­euer). Als Faustregel kann gelten: Der reine Strompreis steigt um zehn bis 15 Prozent, die Summe um 3,5 bis fünf Prozent. Geht man von jährlichen Kosten eines durchschni­ttlichen Haushalts von 700 Euro aus, kommt man auf absolute Mehrkosten von rund 25 bis 35 Euro pro Jahr. Die Erhöhung fällt deshalb so auf, weil es in den vergangene­n Jahren fast nur Senkungen gab. Wer den Eindruck hat, zu viel zu zahlen, kann reagieren. Die E-Control betont, dass ein Wechsel zum günstigste­n Anbieter die Verteuerun­g oft mehr als kompensier­t. Denn trotz neuer, künstliche­r Schranken leben wir weiter in einem liberalisi­erten Strommarkt – was immer noch zu wenig genutzt wird. (gau)

 ?? ?? Der billige Windstrom aus Norddeutsc­hland war in Österreich allzu beliebt. Und Strom aus Kohlekraft­werken verteuert sich.
Der billige Windstrom aus Norddeutsc­hland war in Österreich allzu beliebt. Und Strom aus Kohlekraft­werken verteuert sich.

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