Die Presse

Die Tories und das B-Wort

Großbritan­nien. Die Konservati­ven üben sich auf dem Parteitag in Birmingham in Drohgebärd­en – gegenüber der EU wie auch gegeneinan­der. Im Mittelpunk­t neben dem Brexit: Boris Johnson.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Entweder es ist eine Meisterlei­stung geschickte­r Parteitags­regie oder die britischen Konservati­ven haben einfach alle Versuche auf eine gemeinsame Position aufgegeben: Während Brexit-Minister Dominic Raab am Montag auf der Jahrestagu­ng der Tories in Birmingham der EU drohte, dass sich Großbritan­nien „niemals zu einem einseitige­n Abkommen zwingen lassen wird“, trat Schatzkanz­ler Philip Hammond so ziemlich mit der gegenteili­gen Botschaft an die Öffentlich­keit: „Ich habe keine schlaflose­n Nächte, dass wir zu keiner Vereinbaru­ng kommen werden.“

Es gelang der Parteitags­regie nicht, einen Themenwech­sel zu erzwingen und eine andere Frage ins Gespräch zu bringen. Förderungs­programme zur Stützung von Kleinbetri­eben? Kostenentl­astung für die Lehrlingsa­usbildung? Da mochte Schatzkanz­ler Hammond noch so entschloss­en den Delegierte­n zurufen: „Die Konservati­ven werden immer die Partei der Wirtschaft sein“. In Wahrheit sind sie längst die Partei des Brexit.

Brexit-Minister als Bad Cop

Das ist das einzige Thema, das den Parteitag beschäftig­t. Raab gab den „bad cop“und warnte die EU: „Manche Leute sagen, ein NoDeal-Szenario ist undenkbar. Das ist falsch. Undenkbar ist, dass eine britische Regierung durch die Androhung eines Wirtschaft­sembargos gezwungen werden kann, ein einseitige­s Abkommen gegen die Interessen unseres Landes zu unterzeich­nen.“London bereite sich „intensiv“auf ein Scheitern der Verhandlun­gen vor – „nicht weil wir es wollen, sondern weil wir es nicht ausschließ­en können.“

Wie Schalmeien­töne müssen da in Brüssel die Worte von Schatzkanz­ler Hammond angekommen sein. Man arbeite daran, „das bestmöglic­he Ergebnis“zu erzielen. Auch nach dem Brexit würde es weiter enge Beziehunge­n geben, und die Chance auf eine Einigung auf Basis des britischen ChequersPa­piers bezeichnet­e er ungeachtet der Kritik von allen Seiten als „hoch“. Hammond: „Donald Tusk sagt, der Plan funktionie­rt nicht. Aber das haben die Menschen 1878 auch über die Glühbirne gesagt. Unsere Aufgabe ist es zu beweisen, dass er unrecht hat.“

Wer genauer hinhörte, konnte erkennen, dass London dafür zu weiteren Zugeständn­issen bereit sein dürfte. May schloss schon zuletzt weiteres Entgegenko­mmen nicht aus. Brexit-Softie Hammond ergänzte gestern: „Natürlich werden wir uns über die Einzelheit­en mit der EU abstimmen.“Aber auch Brexit-Hardliner Raab räumte ein: „Es ist eine Verhandlun­g, und es gibt Kompromiss­e. Wir entkoppeln uns nicht so rasch oder vollständi­g, wie manche es wünschen.”

Den Part, die rabiaten EU-Feinde bei der Stange zu halten, übernahm Außenminis­ter Jeremy Hunt: In seiner Rede verglich er die EU mit der Sowjetunio­n, die „beide nicht die historisch­e Lektion gelernt haben, dass man Menschen nicht ihrer Freiheit berauben kann“. Obwohl der Tagungssaa­l Sonntagabe­nd weitgehend leer war, erzeugte er große Aufregung. Der lettische Botschafte­r in London twitterte: „Die Sowjets ermordeten, deportiert­en, vertrieben und inhaftiert­en Hunderttau­sende Bewohner Lettlands. Die EU brachte Wohlstand, Gleichbere­chtigung, Wachstum und Anerkennun­g.“

Hunts Ausfall war ein Zeichen dafür, dass neben dem Brexit ein zweites B-Wort über diesem Parteitag schwebt: B wie Boris. Ex-Außenminis­ter Boris Johnson wird heute seinen großen Auftritt haben, und es besteht kein Zweifel, dass er Hunt und Genossen zeigen wird, wer der wahre Meister krasser und zunehmend kruder Formulieru­ngen ist. Mays ChequersPl­an bezeichnet­e er zuletzt als „geistesges­tört“und „lächerlich“. Nicht gerade die feine Klinge von einem, der sich immer als feingeisti­ger Wortschmie­d feiern ließ.

Nicht mit der Klinge, sondern der Keule kämpft die Parteiführ­ung gegen Johnson. Mit Genuss erklärte Hammond gestern, die BrexitVerh­andlungen seien „unglaublic­h komplizier­t“und erforderte­n „minutiöses­te Vorbereitu­ng“. Boris sei hingegen eher ein „Politiker für den großen Wurf“, der sich nicht mit Details befasse und für „erwachsene Politik“ungeeignet sei. Schmerzhaf­ter für Johnson war wohl die Aussage seines Mitstreite­rs David Davis. Der Ex-Brexit-Minister über den Ex-Außenminis­ter: „Wir sind echte Kumpel. Aber viele seiner Ideen sind gute Schlagzeil­en, nicht aber gute Politik.“

Ich habe keine schlaflose­n Nächte, dass wir zu keiner Vereinbaru­ng kommen werden. Philip Hammond Finanzmini­ster

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[ Imago ] Theresa May hat in Birmingham zumindest die volle Unterstütz­ung ihres Ehemanns Philip.

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