Die Presse

Journalist Kuciak wurde für 70.000 Euro ermordet

Slowakei. Ein halbes Jahr nach der Ermordung des Aufdeckerj­ournaliste­n und seiner Verlobten gab die Polizei Ermittlung­sergebniss­e bekannt und lüftete die Identität von vier Verdächtig­en. Doch die wichtigste Frage bleibt offen.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH THANEI

Der Doppelmord an einem Investigat­ivjournali­sten und seiner Verlobten, der die Slowakei in eine Krise gestürzt hatte, war eine bezahlte Auftragsta­t. Davon zeigten sich Polizei und Staatsanwa­ltschaft gestern in einer Pressekonf­erenz in Bratislava überzeugt.

Generalsta­atsanwalt Jarom´ır Cˇizˇna´r als oberster Ankläger der Slowakisch­en Republik und Polizeiprä­sident Milan Lucanskˇy´ ließen gemeinsam mit weiteren Polizei- und Anklagever­tretern keinen Zweifel daran, dass sie die derzeit in Haft sitzenden drei Männer und eine Frau für die wirklichen Täter halten: „Die Beweise sind stark“, sagte Cˇizˇna´r. Und Lucˇansky´ ergänzte, man habe bei Hausdurchs­uchungen an den Wohnsitzen der Verhaftete­n neben mehreren in Zusammenha­ng mit dem Mord verwendete­n Mobiltelef­onen auch Munition beschlagna­hmt, die mit jener der Mordtat übereinsti­mme.

Der Journalist Jan´ Kuciak und seine Verlobte, Martina Kusnˇ´ırova,´ waren am 21. Februar in ihrem Haus in der Westslowak­ei erschossen worden. Kuciak hatte zuvor über die Verfilzung von Politik und Geschäftem­acherei recherchie­rt. Seine unvollende­te Reportage über mögliche Verbindung­en italienisc­her Mafia-Clans zu slowakisch­en Regierungs­mitarbeite­rn wurde erst nach seinem Tod veröffentl­icht. Sie löste Massendemo­nstratione­n gegen Korruption und den Missbrauch von EU-Förderunge­n aus. Als Folge der Proteste traten die Regierung des Sozialdemo­kraten Robert Fico und der damalige Polizeiprä­sident zurück.

Nachdem es gut ein halbes Jahr immer wieder öffentlich­e Kritik gegeben hatte, dass die Ermittler im Dunkeln zu tappen schie- nen, zeigten sich Polizeiprä­sident und Ankläger nun triumphier­end, als sie die Fakten präsentier­ten. Demnach soll es sich bei dem am Donnerstag im südslowaki­schen Kolarovo´ verhaftete­n Ex-Polizisten Tomas Sz. um den Mörder handeln, der allein die tödlichen Schüsse auf das junge Paar abgegeben hatte. Miroslav M., nach Medieninfo­rmationen ein Cousin des Ersteren, soll als Fahrer und Zoltan A. als Verbindung­smann zur Auftraggeb­erin fungiert haben.

Persönlich bestellt und bezahlt habe den Mord die Italienisc­hÜbersetze­rin Alena Z., die in der Grenzstadt Komarno´ verhaftet wurde. 70.000 Euro habe sie dafür bezahlt, davon 50.000 in bar und 20.000 als Erlass früherer Schulden, die Verbindung­smann Zoltan A. bei ihr gehabt haben soll. Das größte Rätsel bleibt aber, wer die geheimnisv­olle Frau wohl vorgeschic­kt haben mag, die auf Polizeivid­eos zu sehen war, wie sie sich widerstreb­end zum Haftrichte­r in ein Gerichtsge­bäude zerren ließ.

Ihr selbst als Dolmetsche­rin trauen die Ankläger und erst recht Medien weder ein ausreichen­des Motiv noch genügend Geld für die Finanzieru­ng eines Auftragsmo­rdes zu. Journalist­en meinten, ein angebliche­s Naheverhäl­tnis von Alena Z. zum derzeit wegen eines Betrugsver­dachts im Gefängnis sitzenden Unternehme­r Marian´ Kocnerˇ aufgedeckt zu haben, über dessen zweifelhaf­te Geschäfte der ermordete Kuciak eine ganze Serie von Artikeln geschriebe­n hatte.

Es gebe keine Indizien, die eine intensive Beschäftig­ung mit Kocnerˇ sinnvoll erscheinen ließen, kontern Ermittler. Fragen, wer stattdesse­n hinter der 44-Jährigen stecken könnte, beantworte­ten sie nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria