Die Stallorder, so alt wie die Formel 1 selbst
Sotschi war nur das jüngste Kapitel in der brisanten Geschichte der Stallregie.
Seit jeher werden Formel-1-Rennen am Boxenfunk entschieden. Zuletzt am Sonntag in Sotschi, als Mercedes den führenden Valtteri Bottas anwies, Lewis Hamilton vorbeizulassen. Die Empörung über das Sieggeschenk war groß, Mercedes-Sportchef Toto Wolff gab den Buhmann. „Ich bin lieber heute der Bösewicht, als der Idiot zu Saisonende.“Sebastian Vettel, der drittplatzierte Ferrari-Pilot, für den die WMChance nur noch auf dem Papier existiert, meinte: „Sie haben gemacht, was sinnvoll war.“
Der Deutsche hat selbst schon von der ein oder anderen Stallregie profitiert, hatte sich aber auch schon geweigert, Platz zu machen. Obwohl von der Teamleitung verboten, attackierte er 2013 in Malaysia RedBull-Kollege Mark Webber. Vettel siegte, Webber schäumte.
In Monza vor vier Wochen hätte Vettel eine Stallorder gebrauchen können. Ferrari aber ließ Kimi Räikkönen in Vettels Windschatten zur Pole Position fahren. Man beschäftige „Fahrer und keine Butler“, erklärte Teamchef Maurizio Arrivabene.
Dabei ist die Scuderia Expertin in Sachen Stallregie. Jean Todt, ehemaliger Ferrari-Teamchef und nun Präsident des Automobilverbandes FIA, hat 2002 in Spielberg Rubens Barrichello befohlen, Michael Schumacher vorbeizulassen. „Let Michael pass for the championship“– nach wie vor der wohl berühmteste Funkspruch der Formel-1-Geschichte. Danach trat ein Stallorder-Verbot in Kraft, das Ferrari 2010 in Hockenheim aber nicht daran hinderte, Fernando Alonso an Felipe Massa vorbeizuschleusen.
2011 wurde das Verbot wieder gestrichen. In Sotschi war also alles rechtens. Hamilton bedankte sich beim Teamkollegen, wohl wissend, dass er eine solche Order selbst bereits einmal ignoriert hatte. 2013 wollte er Nico Rosberg partout nicht passieren lassen. „Wenn er nah genug herankommt, kann er mich ja überholen.“(joe)