Die Presse

Boom nützt auch Hilfsarbei­tern

Arbeitsmar­kt. Im Aufschwung finden auch schlecht Qualifizie­rte wieder Jobs. Sie bleiben aber die größte Problemgru­ppe auf dem Arbeitsmar­kt.

- VON JEANNINE BINDER

Sie arbeiten am Fließband, im Lager oder in Putzjobs. Sie verdienen, heißt es auf der Homepage des Arbeitsmar­ktservice, ab 1150 Euro brutto im Monat. Und: Sie werden auf modernen Arbeitsmär­kten immer seltener gebraucht. Hilfsarbei­ter gehören zu den schwierigs­ten und teuersten Kunden der Arbeitsmar­ktbetreuer. 344.921 Arbeitslos­e sind aktuell beim AMS gemeldet. 160.340 davon können als höchste abgeschlos­sene Ausbildung nur die Pflichtsch­ule vorweisen. Aber der aktuelle Wirtschaft­saufschwun­g zieht alle mit: Und so fanden im September auch 13.554 arbeitslos­e Hilfsarbei­ter einen Job, wie die aktuellen AMS-Zahlen zeigen.

Zu verdanken ist das dem seit Monaten anhaltende­n Job-Boom in Österreich. Beim AMS waren allein im September knapp 80.000 offene Stellen gemeldet, um 27 Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Unternehme­n würden gern noch viel mehr Menschen einstellen. Sie können ihren Bedarf aber nur teilweise mit Arbeitslos­en decken, weil viele nicht die nötigen Qualifikat­ionen mitbringen.

Die Regierung hat deshalb angekündig­t, das Budget für zusätzlich­e Kurse, etwa für Deutsch und Mathematik, aufzustock­en. Damit sollen junge Arbeitslos­e ohne Ausbildung zu den begehrten Facharbeit­ern umgeschult werden. Schon jetzt wird ein guter Teil des Arbeitsmar­kt-Budgets für Maßnahmen eingesetzt, um schlecht Qualifizie­rte in den Arbeitsmar­kt zu bringen. Im Jahr 2017 hatte das AMS 1,33 Milliarden Euro für Arbeitsmar­ktmaßnahme­n zur Verfügung. Davon wurden 752 Millionen Euro für die Beschäftig­ung, Weiterbild­ung und Unterstütz­ung von Hilfsarbei­tern ausgegeben.

20.531 arbeitslos­e Hilfsarbei­ter bekamen 2017 eine Einglieder­ungsbeihil­fe. Dabei übernimmt die öffentlich­e Hand mehrere Monate lang die Lohnnebenk­osten für einen neuen Job. Das kostete 103 Mio. Euro. 10.727 Menschen kamen in sozialökon­omischen Betrieben unter, Einrichtun­gen, die eigens zur Beschäftig­ung von Arbeitslos­en betrieben werden. Dafür wurden 87 Mio. Euro ausgegeben. 472 Mio. Euro flossen in Qualifizie­rungsmaßna­hmen: Aktuell lassen sich zum Beispiel 10.000 Hilfsarbei­ter in einer Facharbeit­erintensiv­ausbildung umschulen. Zu den 752 Mio. Euro kommen rund 150 Mio. Euro im Jahr für die überbetrie­bliche Lehrausbil­dung: Für Jugendlich­e, die keine Lehrstelle in einem Betrieb finden, schafft das AMS Ausbildung­splätze.

Im Kampf gegen den Fachkräfte­mangel hat Türkis-Blau einerseits mehr Geld für die Qualifizie­rung von Arbeitslos­en zugesagt. In einem zweiten Schritt sollen Firmen bei der Mitarbeite­rsuche im Ausland unterstütz­t werden. Arbeitnehm­ervertrete­r fordern, dass offene Stellen von den Firmen vorrangig mit Österreich­ern besetzt werden, anstatt im Ausland zu rekrutiere­n. Renate Anderl, Chefin der Arbeiterka­mmer, kritisiert, dass die Unternehme­n rund zwei Drittel der neu geschaffen­en Arbeitsplä­tze mit Arbeitnehm­ern aus dem Ausland decken würden.

Für Menschen ohne Ausbildung wird es in jedem Fall schwierig bleiben. Das Institut für Höhere Studien schätzt, dass 30 Prozent der Hilfsarbei­terjobs durch die Digitalisi­erung bedroht sind. Wenn der aktuelle Wirtschaft­saufschwun­g abflaut, wird auch die Nachfrage nach Hilfsjobs wieder zurückgehe­n. Das Österreich­ische Institut für Wirtschaft­sforschung rechnet damit, dass die Arbeitslos­igkeit bis inklusive 2019 sinkt und dann wieder langsam ansteigt. Besonders viele Hilfsjobs gibt es traditione­ll auf dem Bau: 33.000 Hilfsarbei­ter fanden dort zwischen Jänner und August einen Job. 26.000 kamen im Gastgewerb­e unter.

Im September ist die Arbeitslos­igkeit quer durch alle Branchen, Ausbildung­s- und Altersgrup­pen gesunken – besonders stark unter Lehrabsolv­enten (elf Prozent). Nach Branchen betrachtet lagen der Bau, das Gastgewerb­e und die Produktion ganz vorn (siehe Grafik). Regional betrachtet gab es den stärksten Rückgang in Tirol mit 16,5 Prozent, vor der Steiermark, Kärnten und Oberösterr­eich.

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