Komplexe Fragen, falsche Argumente
Abschätzige Behauptungen sollten die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht verhindern können.
Martin Leidenfrost wünschte sich in seiner Kolumne („Homo-Ehe als Charakterprobe für Schwarze wie für Blaue“, „Die Presse“vom 8. 9.), dass „der wahre Gesetzgeber“das „richterherrliche“Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zur Einführung der Ehe für alle repariere. Diesen Wunsch unterstrich er neben abschätzigen Behauptungen auch mit juristischen Argumenten, die in jedem Punkt falsch sind.
Erstens hat sich der VfGH nicht zum Gesetzgeber aufgeschwungen. Vielmehr räumt ihm Artikel 140 des Bundesverfassungsgesetzes die Kompetenz ein, über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen zu erkennen. Insoweit er aufgrund dieser Kompetenz Gesetze oder Gesetzespassagen aufhebt, wird er als negativer Gesetzgeber tätig. Hierbei handelt es sich um keine „einmalige Richterherrlichkeit“, sondern um übliche verfassungsgemäße Tätigkeit des VfGH.
In diesem Sinne ist die „Homo-Ehe“auch kein von der Ehe verschiedenes Institut, das der VfGH hätte einführen können. Dieser hat nur die gleichheitswidrige Ausgestaltung der Ehe beseitigt. Die „Homo-Ehe“als eigenständiges Institut und Feindbild gibt es nicht.
Zweitens wäre die bloße Öffnung der Eingetragenen Partnerschaft (EP) für verschiedengeschlechtliche Paare keinesfalls das, was sich Leidenfrost wünscht: ein probates Mittel, den Willen des „wahren Gesetzgebers“vor dem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz zu bewahren.
Der Gesetzgeber wollte mit der EP ausdrücklich keine Ehe light schaffen. Genau das wäre diese aber – eine Ehe zweiter Klasse – mit vergleichbaren Intentionen und Rechtsfolgen, aber einem Minus gegenüber der Ehe in einigen Bereichen. Und vor allem: Mit einer Wahlmöglichkeit zwischen Ehe und EP für Heterosexuelle, die man Homosexuellen nicht einräumen würde. Der Ver- such, durch Öffnung der EP die Öffnung der Ehe zu verhindern und damit Homosexuelle von einer Wahlmöglichkeit auszuschließen, die Heterosexuelle haben sollen, kann nur in Leidenfrosts Logik das gerechteste Antidiskriminierungsrecht – im Gegensatz zum „verpfuschtesten“österreichischen – begründen.
Drittens leitet Leidenfrost aus der Typisierung der Ehe im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch als beidseitige Erklärung des Willens – unter anderem –, Kinder zu zeugen, einen unweigerlichen Rechtsanspruch homosexueller Ehepartner auf Kinder von Leihmüttern ab. Es ist aber durchaus üblich, dass Paare heiraten, obwohl sie sich einig sind, keine Kinder zeugen zu wollen. Kein Standesbeamter oder Richter greift diesen Umstand als mangelnden Ehekonsens auf. Die über 200 Jahre alte Definition der Ehe wird somit schon in der bisherigen Anwendung um den Zeugungswillen eingeschränkt.
Darüber hinaus können Dritte in der Regel durch einen Vertrag nicht verpflichtet werden. Dies gilt auch für das Austragen von Kindern für andere aufgrund eines Ehevertrags – zumal Leihmutterschaften nach österreichischem Recht gar nicht möglich sind. Daran kann auch der VfGH nichts ändern.
Dass Leidenfrost meint, einfache Lösungen zu komplexen juristischen Fragestellungen anbieten zu müssen, obwohl er von rechtswissenschaftlicher Methodik und der österreichischen Bundesverfassung offensichtlich keine Ahnung hat, kann ihm nur bedingt vorgeworfen werden. Wenn diese einfachen Lösungen jedoch dazu dienen sollen, Menschen zu entrechten, muss man seine Äußerungen als das entlarven, was sie sind: Schwachsinn.