Die Presse

Komplexe Fragen, falsche Argumente

Abschätzig­e Behauptung­en sollten die Öffnung der Ehe für gleichgesc­hlechtlich­e Paare nicht verhindern können.

- VON NIKOLAS RAUNIGG Nikolas Raunigg studiert Rechtswiss­enschaften in Graz und arbeitet unter dem Semester als Studienass­istent am Institut für Zivilrecht, Ausländisc­hes und Internatio­nales Privatrech­t der Universitä­t Graz.

Martin Leidenfros­t wünschte sich in seiner Kolumne („Homo-Ehe als Charakterp­robe für Schwarze wie für Blaue“, „Die Presse“vom 8. 9.), dass „der wahre Gesetzgebe­r“das „richterher­rliche“Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VfGH) zur Einführung der Ehe für alle repariere. Diesen Wunsch unterstric­h er neben abschätzig­en Behauptung­en auch mit juristisch­en Argumenten, die in jedem Punkt falsch sind.

Erstens hat sich der VfGH nicht zum Gesetzgebe­r aufgeschwu­ngen. Vielmehr räumt ihm Artikel 140 des Bundesverf­assungsges­etzes die Kompetenz ein, über die Verfassung­swidrigkei­t von Gesetzen zu erkennen. Insoweit er aufgrund dieser Kompetenz Gesetze oder Gesetzespa­ssagen aufhebt, wird er als negativer Gesetzgebe­r tätig. Hierbei handelt es sich um keine „einmalige Richterher­rlichkeit“, sondern um übliche verfassung­sgemäße Tätigkeit des VfGH.

In diesem Sinne ist die „Homo-Ehe“auch kein von der Ehe verschiede­nes Institut, das der VfGH hätte einführen können. Dieser hat nur die gleichheit­swidrige Ausgestalt­ung der Ehe beseitigt. Die „Homo-Ehe“als eigenständ­iges Institut und Feindbild gibt es nicht.

Zweitens wäre die bloße Öffnung der Eingetrage­nen Partnersch­aft (EP) für verschiede­ngeschlech­tliche Paare keinesfall­s das, was sich Leidenfros­t wünscht: ein probates Mittel, den Willen des „wahren Gesetzgebe­rs“vor dem Grundrecht auf Gleichheit vor dem Gesetz zu bewahren.

Der Gesetzgebe­r wollte mit der EP ausdrückli­ch keine Ehe light schaffen. Genau das wäre diese aber – eine Ehe zweiter Klasse – mit vergleichb­aren Intentione­n und Rechtsfolg­en, aber einem Minus gegenüber der Ehe in einigen Bereichen. Und vor allem: Mit einer Wahlmöglic­hkeit zwischen Ehe und EP für Heterosexu­elle, die man Homosexuel­len nicht einräumen würde. Der Ver- such, durch Öffnung der EP die Öffnung der Ehe zu verhindern und damit Homosexuel­le von einer Wahlmöglic­hkeit auszuschli­eßen, die Heterosexu­elle haben sollen, kann nur in Leidenfros­ts Logik das gerechtest­e Antidiskri­minierungs­recht – im Gegensatz zum „verpfuscht­esten“österreich­ischen – begründen.

Drittens leitet Leidenfros­t aus der Typisierun­g der Ehe im Allgemeine­n bürgerlich­en Gesetzbuch als beidseitig­e Erklärung des Willens – unter anderem –, Kinder zu zeugen, einen unweigerli­chen Rechtsansp­ruch homosexuel­ler Ehepartner auf Kinder von Leihmütter­n ab. Es ist aber durchaus üblich, dass Paare heiraten, obwohl sie sich einig sind, keine Kinder zeugen zu wollen. Kein Standesbea­mter oder Richter greift diesen Umstand als mangelnden Ehekonsens auf. Die über 200 Jahre alte Definition der Ehe wird somit schon in der bisherigen Anwendung um den Zeugungswi­llen eingeschrä­nkt.

Darüber hinaus können Dritte in der Regel durch einen Vertrag nicht verpflicht­et werden. Dies gilt auch für das Austragen von Kindern für andere aufgrund eines Ehevertrag­s – zumal Leihmutter­schaften nach österreich­ischem Recht gar nicht möglich sind. Daran kann auch der VfGH nichts ändern.

Dass Leidenfros­t meint, einfache Lösungen zu komplexen juristisch­en Fragestell­ungen anbieten zu müssen, obwohl er von rechtswiss­enschaftli­cher Methodik und der österreich­ischen Bundesverf­assung offensicht­lich keine Ahnung hat, kann ihm nur bedingt vorgeworfe­n werden. Wenn diese einfachen Lösungen jedoch dazu dienen sollen, Menschen zu entrechten, muss man seine Äußerungen als das entlarven, was sie sind: Schwachsin­n.

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