Europa im Visier Ostasiens
Asiatische Investoren fokussieren nach wie vor auf europäische Immobilien, aus dem nahen Osten und Südamerika steigt das Interesse. Trotz leichten Rückgangs sind vor allem spezielle Segmente wie Logistikobjekte begehrt.
Europäische Immobilien standen in den vergangenen Jahren auf der Einkaufsliste asiatischer Investoren ganz weit oben. Den vorläufigen Höhepunkt fand diese Entwicklung im Vorjahr: Mit einem Investitionsvolumen von mehr als 25,5 Milliarden Euro – was einem Anstieg von fast 50 Prozent gegenüber 2016 entspricht – wurde ein neuer Rekordwert erreicht. Für fast zehn Milliarden Euro zeichneten dabei chinesische Investoren verantwortlich. Das lag deutlich über dem Durchschnitt der Jahre davor (2,7 Milliarden Euro).
Zwischen Jänner und Mai diesen Jahres ist die Investitionstätigkeit chinesischer Anleger jedoch wieder zurückgegangen. Im Mai lag ihr Anteil am Transaktionsvolumen – nach 37 Prozent im Vorjahreszeitraum – nur mehr bei rund sieben Prozent. „Für Investoren aus Festland-China ist es wegen staatlicher Vorgaben bei den Kapitalflüssen nicht mehr so einfach, in Europa zu investieren“, erklärt Christoph Schumacher, Global Head Real Estate bei Credit Suisse Asset Management.
Nichtsdestotrotz sei Europa auch wegen der Renditeaussichten für asiatische Investoren interessant. Er verweist darauf, dass die Renditeniveaus in vielen asiatischen Märkten mittlerweile nicht mehr so attraktiv seien. Der Immobilienzyklus sei dort schon weit fortgeschritten. Dementsprechend hoch seien die Preise – unter anderem in Hongkong. In Summe floss dennoch weniger Geld aus Asien in den europäischen Markt. Das Investitionsvolumen ist in den ersten fünf Monaten 2018 um 30 Prozent zurückgegangen, heißt es bei Savills. Vor allem lag das am Rückgang der Investments aus China. Dagegen seien andere Länder stärker in Erscheinung getreten, sagt Marcus Lemli, CEO Germany und Head of Investment Europe bei Savills. So hätten Anleger aus Indien, Japan und der Republik Korea zwischen Jänner und Mai insgesamt 1,18 Milliarden Euro investiert. Auch Investoren aus Singapur waren aktiv.
Bei Credit Suisse Asset Management hatte man zuletzt jedenfalls keinen Grund, sich über mangelndes Interesse asiatischer Investoren zu beklagen. So wurde kürzlich ein Value-Added-Fonds mit fast 600 Millionen Euro Eigenkapital und einem Investitionsvolumen von rund 1,4 Milliarden Euro geschlossen (unter „Value-Added“versteht man eine Strategie zur Erzielung höherer risikoadjustierter Renditen). Nicht weniger als 60 Prozent der Mittel stammen aus Ostasien. Ein weiterer Fonds – konkret ein Core-Produkt – erhielt gerade ein Ticket von hundert Millionen Euro.
Laut Schumacher sind unter asiatischen Investoren vor allem Core-Produkte gefragt. Besonders im Augenmerk stehen Logistikim- mobilien, die Themen Onlinevertrieb und Logistikzentren werden sehr ernst genommen. Das sei auch naheliegend: Schließlich profitierten viele asiatische Unternehmen von diesen Trends. „Logistik ist allerdings nicht die Assetklasse, die für große Investmentvolumina bekannt ist, was viele Asiaten bevorzugen“, so Schumacher. Tat- sächlich sind sinnvoll genutzte Lagerhallen häufig schon für 20 bis 30 Millionen Euro zu haben, und auch große Verteilerzentren kosten keinen dreistelligen Millionenbetrag. Nicht zuletzt deshalb stehen Büros und Trophy-Assets weiterhin im Fokus asiatischer Investoren. Was die Länderebene betrifft, konzentrieren sich laut Sa- vills 95 Prozent der asiatischen Immobilieninvestoren in Europa auf sieben Märkte: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Italien, Belgien und Spanien.
In diesem Zusammenhang sieht Lemli zwei Trends: Während einige Nationalitäten wie die Chinesen zwischen Jänner und Mai weniger investiert haben, waren andere zwischen Jänner und Mai aktiver als im Vorjahreszeitraum. „Der zweite Trend, den wir beobachten ist, ist, dass Großbritannien zwar nach wie vor die erste Wahl bleibt, aber vor allem Deutschland und Belgien einen Anstieg ihres Marktanteils verzeichneten“, so Lemli.
Schumacher sieht auch, dass sich Investoren aus dem Nahen Osten und Lateinamerika verstärkt für europäische Immobilien interessieren. Wie die Asiaten sähen sie Europa als sicheren Hafen. Auch Österreich erscheine immer öfter auf dem Radar von Käufern aus bislang „exotischen“Ländern, bestätigt Franz Pöltl, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting. „Der österreichische Immobilienmarkt ist im Europavergleich ganz weit vorn zu finden und für langfristig denkende, sicherheitsorientierte Käufer erste Wahl“, sagt er und verweist auf die moderaten Mietniveaus, das – dank der langfristigen demographischen Entwicklung und der starken Konjunktur – abgesicherte Preisniveau sowie die attraktiven Renditen.