Die schönste Baustelle von Wien
Rundgang. Lang ist es leer gestanden, nun soll es wiederauferstehen: Auf das Schwarzenberg-Areal ziehen zwei neue Hotels. Der Neustart wird aber von heftiger Kritik begleitet. Es geht um den Garten – und noch immer um das Bierlokal.
Wie sieht es aus, was kommt hinein? Palais Schwarzenberg im Blick.
Wien. Maximilian Schaffgotsch - dickes Jackett, Brille mit dünnem Metallgestell – steht in der heißen Herbstsonne vor dem Baustellenzaun auf dem Schwarzenbergplatz. Er hält großformatige Pläne unter dem Arm und das Handy ans Ohr. Er sei jetzt mit der Journalistin und der Fotografin da, ob man bitte das grüne Tor öffnen könne. Man kann. Schaffgotsch führt in die vermutlich schönste Baustelle Wiens hinein. Er sagt: „Das war alles nicht so geplant.“
Ein Befund, der die vergangene Dekade des Palais Schwarzenberg gut zusammenfasst. Vor etwa zehn Jahren hätte hier ein Nobelhotel entstehen sollen. Der Plan scheiterte genauso wie der für ein Casino. „Nun sind wir in der dritten Runde“, sagt Schaffgotsch. Er ist Anwalt der Fürstlich Schwarzenberg’schen Familienstiftung, sitzt im Vorstand und ist in diesen unruhigen Zeiten ihr Gesicht nach außen. Denn schon wieder läuft nicht alles rund.
In einem offenen Brief wurde vor der Zerstückelung des „Gesamtkunstwerks Palais Schwarzenberg mit Garten“gewarnt. Initiatoren sind u. a. die Landschaftsarchitektin Maria Auböck und Eva Berger, Generalsekretärin der Österreichischen Gesellschaft für historische Gärten. Der Brief kommt zu einem Zeitpunkt, als die Stiftung gute Nachrichten verkünden wollte. Der Leerstand, der den Zustand des Gebäudes nicht verbessert hat, hat ein Ende. Anfang September unterzeichnete man die Verträge für zwei Hotels, die hier einziehen und 2020/2021 eröffnen sollen.
Im Palais selbst und im rechten Flügel entsteht mit 88 Zimmern ein Barockhotel, das der deutsche Lürssen-Konzern mit österreichischer Beteiligung betreibt. Wie es hier aussehen wird, kann man sich mit etwas Fantasie bereits vorstellen. Immerhin war das Palais bis 2004 ein „Hotelchen“, wie Schaffgotsch sagt. Daran erinnern noch die alten Zimmer mit den lose herunterhängenden Tapeten, die sich im einst durch Bomben zerstörten Trakt befinden. Die erhaltenen Prunkräume – Marmor, Parkett, Fresken – sollen für Feste oder als Speisesäle dienen. Alles hier steht unter Denkmalschutz. Auch die berühmte Hermann-Czech-Bar soll hergerichtet werden.
Das zweite Hotel zieht in den mit Verspätung realisierten Glasbau von Wolfgang Tschapeller ein. Dort, wo früher Glashäuser standen, wird ein Boutiquehotel errichtet. Dessen österreichischer Betreiber wird auf dessen Wunsch vom Anwalt nicht genannt. Das Glasprojekt wird exklusiv: Auf 2400 Quadratmetern Nutzfläche verteilen sich nur zehn Zimmer. Was Kritiker spekulieren lässt, dass dort eigentlich servicierte Luxuswohnungen entstehen.
Die Eingriffe am und ums Palais – Schaffgotsch breitet die Pläne aus – fallen geringer aus als bei den gescheiterten Vorgängerprojekten. Die Tiefgarage unter dem Ehrenplatz, einer leeren Freifläche vor der Straßenfront, werde nun kleiner. Alle Glaszubauten (Verbindungsgänge etc.) am Palais fallen weg. „Wir reduzieren das, was längst bekannt und bewilligt war“, sagt Schaffgotsch. „Deswegen hatten wir auch nicht am Schirm, dass uns jemand, der bei einem früheren, viel eingriffsintensiveren Projekt mitgearbeitet hat und nichts zu kritisieren hatte, jetzt derart in die Kniekehlen tritt.“
Der geheime Star
Die Rede ist von Maria Auböck, die als Planerin für das ursprüngliche Hotelprojekt mit an Bord war. Allerdings, sagt Auböck, habe es sich damals um eine Vorstudie gehandelt – „es kam nie zu einer Detaildebatte“. Nämlich eben über den geheimen Star des Areals: den riesigen, zwischen Belvedere und der Mauer der Prinz-Eugen-Straße versteckten Garten. „Er ist einer von nur drei in Österreich erhaltenen Barockterassengärten mit Wasserspielen“, sagt Eva Berger. „Auch wenn er seit 1783 nicht mehr so geschnitten wird, wie es sich für einen Barockgarten gehört, ist das Grundkonzept noch da.“Und das gehöre erhalten. Im offenen Brief wird eine externe „fachliche Begleitung“für den Garten gefordert.
Es sei wichtig, dass „man den Garten von oben bis unten als Ganzes wahrnehmen kann“, sagt Berger. Bereits jetzt sei das Areal (durch verschiedene Nutzungen, z. B. durch einen Tennisklub) zersplittert, aber durch die beiden Ho- tels und das Bierlokal, von dem noch die Rede sein wird, werde der Zustand verschärft. „Das ist wie bei einer Frisur, die auf einer Seite braun und auf der anderen blond ist“, sagt Auböck.
Dahinter steckt auch eine Debatte über die Denkmalschutzregelung von Gärten, für deren Änderung Berger sich einsetzt. Nur 57 Gärten sind bundesweit schutzwürdig und nur dann, wenn der Eigentümer zustimmt. Was nicht viele machen. Auch die Schwarzenberg-Stiftung nicht: „Wozu sollten wir uns noch eine Einschränkung auferlegen?“, fragt Schaffgotsch.
Schaffgotsch sagt, in der Stiftung gebe es genug eigenes Knowhow. Außerdem habe man andere Probleme: Schädlinge, zu trockene Sommer, den Klimawandel. Er zeigt auf die Kastanienallee im unteren Garten. Neben fast kahlen Bäumen stehen solche mit Blüten und zarten Trieben, dazwischen ein Stumpf, der Rest eines kranken Baumes, der auf Behördenweisung als Behausung für die Insekten stehen gelassen werden müsse. „Wir werden in den Jahren bis zur Eröffnung der Hotels überprüfen, ob der derzeitige konservatorisch defensive Ansatz noch zukunftsfähig ist. Derzeit betreiben wir eine Art Friedhofsverwaltung für die sterbenden Bäume.“
Allerdings geht es bei dem Gartenstreit nicht nur um Schutz, sondern auch Anrainerinteressen: Ein Teil des Areals ist ein Schlüsselgarten, d. h., Anrainer können ihn auf Antrag und gegen eine Gebühr nutzen. Während der Bauzeit ist er (außer für Kindergartengruppen) geschlossen. Wie man in Zukunft verfährt, ist offen. Die Idee einer generellen Öffnung ist jedenfalls hinfällig.
Protestmix
Anrainerinteressen spielen auch bei der Kritik am Bierlokal „Belvederestöckl“mit, das die Familie Welledits („Die Presse“berichtete) betreiben wird. Es befindet sich oberhalb der Grotte mit den Wasserspielen, die gerade in Stand gesetzt wird. Mit etwa 800 bewilligten Sitzplätzen ist es nicht gerade klein. Die Anrainer protestieren gegen Lärm und Parkplatznot, die Experten-Kritiker fürchten um die Gartenstruktur.
Rechtlich ist das Projekt wie auch die anderen aber in Ordnung. Das gibt auch Eva Berger zu. Immerhin haben sie und ihre Mitstreiter in den vergangenen Monaten die Magistratsabteilungen und das Bundesdenkmalamt abgeklappert. Ohne Erfolg. Obwohl das ganze Areal vierfach (Denkmalschutz, Parkschutz, Schutzzone Rennweg, Weltkulturerbezone) geschützt sei, greife beim Garten nichts.
Daran wird auch eine UnescoMission, die im November wegen des Heumarkts nach Wien kommt, nichts ändern. Denn nicht einmal die Welterbeschützer sind sich punkto Schwarzenberg einig. Im Wiener Unesco-Büro sieht man das Bierlokal skeptisch – während es beim Icomos-Beratungsgremium heißt: „Das ist kein Maßstab, der gegen das Weltkulturerbe spricht.“