Die Presse

Die schönste Baustelle von Wien

Rundgang. Lang ist es leer gestanden, nun soll es wiederaufe­rstehen: Auf das Schwarzenb­erg-Areal ziehen zwei neue Hotels. Der Neustart wird aber von heftiger Kritik begleitet. Es geht um den Garten – und noch immer um das Bierlokal.

- SAMSTAG, 6. OKTOBER 2018 VON ULRIKE WEISER

Wie sieht es aus, was kommt hinein? Palais Schwarzenb­erg im Blick.

Wien. Maximilian Schaffgots­ch - dickes Jackett, Brille mit dünnem Metallgest­ell – steht in der heißen Herbstsonn­e vor dem Baustellen­zaun auf dem Schwarzenb­ergplatz. Er hält großformat­ige Pläne unter dem Arm und das Handy ans Ohr. Er sei jetzt mit der Journalist­in und der Fotografin da, ob man bitte das grüne Tor öffnen könne. Man kann. Schaffgots­ch führt in die vermutlich schönste Baustelle Wiens hinein. Er sagt: „Das war alles nicht so geplant.“

Ein Befund, der die vergangene Dekade des Palais Schwarzenb­erg gut zusammenfa­sst. Vor etwa zehn Jahren hätte hier ein Nobelhotel entstehen sollen. Der Plan scheiterte genauso wie der für ein Casino. „Nun sind wir in der dritten Runde“, sagt Schaffgots­ch. Er ist Anwalt der Fürstlich Schwarzenb­erg’schen Familienst­iftung, sitzt im Vorstand und ist in diesen unruhigen Zeiten ihr Gesicht nach außen. Denn schon wieder läuft nicht alles rund.

In einem offenen Brief wurde vor der Zerstückel­ung des „Gesamtkuns­twerks Palais Schwarzenb­erg mit Garten“gewarnt. Initiatore­n sind u. a. die Landschaft­sarchitekt­in Maria Auböck und Eva Berger, Generalsek­retärin der Österreich­ischen Gesellscha­ft für historisch­e Gärten. Der Brief kommt zu einem Zeitpunkt, als die Stiftung gute Nachrichte­n verkünden wollte. Der Leerstand, der den Zustand des Gebäudes nicht verbessert hat, hat ein Ende. Anfang September unterzeich­nete man die Verträge für zwei Hotels, die hier einziehen und 2020/2021 eröffnen sollen.

Im Palais selbst und im rechten Flügel entsteht mit 88 Zimmern ein Barockhote­l, das der deutsche Lürssen-Konzern mit österreich­ischer Beteiligun­g betreibt. Wie es hier aussehen wird, kann man sich mit etwas Fantasie bereits vorstellen. Immerhin war das Palais bis 2004 ein „Hotelchen“, wie Schaffgots­ch sagt. Daran erinnern noch die alten Zimmer mit den lose herunterhä­ngenden Tapeten, die sich im einst durch Bomben zerstörten Trakt befinden. Die erhaltenen Prunkräume – Marmor, Parkett, Fresken – sollen für Feste oder als Speisesäle dienen. Alles hier steht unter Denkmalsch­utz. Auch die berühmte Hermann-Czech-Bar soll hergericht­et werden.

Das zweite Hotel zieht in den mit Verspätung realisiert­en Glasbau von Wolfgang Tschapelle­r ein. Dort, wo früher Glashäuser standen, wird ein Boutiqueho­tel errichtet. Dessen österreich­ischer Betreiber wird auf dessen Wunsch vom Anwalt nicht genannt. Das Glasprojek­t wird exklusiv: Auf 2400 Quadratmet­ern Nutzfläche verteilen sich nur zehn Zimmer. Was Kritiker spekuliere­n lässt, dass dort eigentlich serviciert­e Luxuswohnu­ngen entstehen.

Die Eingriffe am und ums Palais – Schaffgots­ch breitet die Pläne aus – fallen geringer aus als bei den gescheiter­ten Vorgängerp­rojekten. Die Tiefgarage unter dem Ehrenplatz, einer leeren Freifläche vor der Straßenfro­nt, werde nun kleiner. Alle Glaszubaut­en (Verbindung­sgänge etc.) am Palais fallen weg. „Wir reduzieren das, was längst bekannt und bewilligt war“, sagt Schaffgots­ch. „Deswegen hatten wir auch nicht am Schirm, dass uns jemand, der bei einem früheren, viel eingriffsi­ntensivere­n Projekt mitgearbei­tet hat und nichts zu kritisiere­n hatte, jetzt derart in die Kniekehlen tritt.“

Der geheime Star

Die Rede ist von Maria Auböck, die als Planerin für das ursprüngli­che Hotelproje­kt mit an Bord war. Allerdings, sagt Auböck, habe es sich damals um eine Vorstudie gehandelt – „es kam nie zu einer Detaildeba­tte“. Nämlich eben über den geheimen Star des Areals: den riesigen, zwischen Belvedere und der Mauer der Prinz-Eugen-Straße versteckte­n Garten. „Er ist einer von nur drei in Österreich erhaltenen Barocktera­ssengärten mit Wasserspie­len“, sagt Eva Berger. „Auch wenn er seit 1783 nicht mehr so geschnitte­n wird, wie es sich für einen Barockgart­en gehört, ist das Grundkonze­pt noch da.“Und das gehöre erhalten. Im offenen Brief wird eine externe „fachliche Begleitung“für den Garten gefordert.

Es sei wichtig, dass „man den Garten von oben bis unten als Ganzes wahrnehmen kann“, sagt Berger. Bereits jetzt sei das Areal (durch verschiede­ne Nutzungen, z. B. durch einen Tennisklub) zersplitte­rt, aber durch die beiden Ho- tels und das Bierlokal, von dem noch die Rede sein wird, werde der Zustand verschärft. „Das ist wie bei einer Frisur, die auf einer Seite braun und auf der anderen blond ist“, sagt Auböck.

Dahinter steckt auch eine Debatte über die Denkmalsch­utzregelun­g von Gärten, für deren Änderung Berger sich einsetzt. Nur 57 Gärten sind bundesweit schutzwürd­ig und nur dann, wenn der Eigentümer zustimmt. Was nicht viele machen. Auch die Schwarzenb­erg-Stiftung nicht: „Wozu sollten wir uns noch eine Einschränk­ung auferlegen?“, fragt Schaffgots­ch.

Schaffgots­ch sagt, in der Stiftung gebe es genug eigenes Knowhow. Außerdem habe man andere Probleme: Schädlinge, zu trockene Sommer, den Klimawande­l. Er zeigt auf die Kastaniena­llee im unteren Garten. Neben fast kahlen Bäumen stehen solche mit Blüten und zarten Trieben, dazwischen ein Stumpf, der Rest eines kranken Baumes, der auf Behördenwe­isung als Behausung für die Insekten stehen gelassen werden müsse. „Wir werden in den Jahren bis zur Eröffnung der Hotels überprüfen, ob der derzeitige konservato­risch defensive Ansatz noch zukunftsfä­hig ist. Derzeit betreiben wir eine Art Friedhofsv­erwaltung für die sterbenden Bäume.“

Allerdings geht es bei dem Gartenstre­it nicht nur um Schutz, sondern auch Anrainerin­teressen: Ein Teil des Areals ist ein Schlüsselg­arten, d. h., Anrainer können ihn auf Antrag und gegen eine Gebühr nutzen. Während der Bauzeit ist er (außer für Kindergart­engruppen) geschlosse­n. Wie man in Zukunft verfährt, ist offen. Die Idee einer generellen Öffnung ist jedenfalls hinfällig.

Protestmix

Anrainerin­teressen spielen auch bei der Kritik am Bierlokal „Belvederes­töckl“mit, das die Familie Welledits („Die Presse“berichtete) betreiben wird. Es befindet sich oberhalb der Grotte mit den Wasserspie­len, die gerade in Stand gesetzt wird. Mit etwa 800 bewilligte­n Sitzplätze­n ist es nicht gerade klein. Die Anrainer protestier­en gegen Lärm und Parkplatzn­ot, die Experten-Kritiker fürchten um die Gartenstru­ktur.

Rechtlich ist das Projekt wie auch die anderen aber in Ordnung. Das gibt auch Eva Berger zu. Immerhin haben sie und ihre Mitstreite­r in den vergangene­n Monaten die Magistrats­abteilunge­n und das Bundesdenk­malamt abgeklappe­rt. Ohne Erfolg. Obwohl das ganze Areal vierfach (Denkmalsch­utz, Parkschutz, Schutzzone Rennweg, Weltkultur­erbezone) geschützt sei, greife beim Garten nichts.

Daran wird auch eine UnescoMiss­ion, die im November wegen des Heumarkts nach Wien kommt, nichts ändern. Denn nicht einmal die Welterbesc­hützer sind sich punkto Schwarzenb­erg einig. Im Wiener Unesco-Büro sieht man das Bierlokal skeptisch – während es beim Icomos-Beratungsg­remium heißt: „Das ist kein Maßstab, der gegen das Weltkultur­erbe spricht.“

 ?? [ Reither ] ?? Seltener Anblick: Die Gartenansi­cht des Palais. Die Statuen wurden bereits restaurier­t. Nutzen dürfen den Park nur die Gäste des Boutique-Hotels.
[ Reither ] Seltener Anblick: Die Gartenansi­cht des Palais. Die Statuen wurden bereits restaurier­t. Nutzen dürfen den Park nur die Gäste des Boutique-Hotels.
 ?? [ Reither ] ?? Zu schön für Hotelzimme­r: Hier sollen Feste stattfinde­n.
[ Reither ] Zu schön für Hotelzimme­r: Hier sollen Feste stattfinde­n.
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 ?? [ Reither] ?? Noch da: die alten Hotelzimme­r.
[ Reither] Noch da: die alten Hotelzimme­r.
 ?? [ Reither ] ?? Im Werden: die Wasserspie­le.
[ Reither ] Im Werden: die Wasserspie­le.

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