Die Presse

Was für Trump auf dem Spiel steht

Präsident und Republikan­er bereiten sich intensiv auf die Kongresswa­hlen in einem Monat vor. Die Abstimmung ist der erste wichtige Test für Trump. Sie wird seine Präsidents­chaft nachhaltig beeinfluss­en. US-Wahl.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

New York. Klar ist nur eines: Das Resultat in exakt einem Monat wird für die weltmächti­gste Nation und ihren Präsidente­n richtungsw­eisend sein. Der Rest ist ungewiss. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass Donald Trump nach den Wahlen fester als je zuvor im Sattel sitzen wird – und entspreche­nd noch selbstbewu­sster, noch aggressive­r als bisher auftreten wird. Ebenso ist ein Machtverlu­st des Präsidente­n möglich. Das könnte bis hin zur Einleitung eines Verfahrens zur Amtsentheb­ung reichen.

Seit Monaten herrscht in den USA Wahlkampf, und er wird sich in den kommenden Wochen noch intensivie­ren. Bei allem, was Trump tut, von seinen Drohgebärd­en in Richtung China und Europa bis hin zur Annäherung an Russlands Wladimir Putin oder Nordkoreas Kim Jong-un, hat er stets die Auswirkung­en auf die Wählerscha­ft im Hinterkopf. Er weiß: Wenn die Amerikaner seine Republikan­er abwählen, wird seine Arbeit erheblich erschwert. Mehr noch: Der anstehende Urnengang könnte den Anfang vom Ende der Präsidents­chaft Trump bedeuten.

Auf dem Spiel stehen alle 435 Sitze im Abgeordnet­enhaus und 35 der 100 Sitze im Senat. Seit den Midterm-Wahlen von 2014 halten die Konservati­ven in beiden Kammern die Mehrheit, seit dem überrasche­nden Sieg von Trump 2016 stellen sie auch den Präsidente­n. Gemeinsam mit ihm können die Konservati­ven im Kongress de facto im Alleingang Gesetze beschließe­n, Höchstrich­ter ernennen und Handelsabk­ommen ratifizier­en. Verliert Trumps Partei nun eine der Kammern, muss sie verstärkt um die Stimmen der Demokraten buhlen, um wichtige Vorhaben zu realisiere­n.

Was wird aus Obamacare und Mauer?

Gelingt es den Republikan­ern, beide Mehrheiten zu halten, wird es nur eine Frage von Tagen sein, bis eine Abschaffun­g von Obamacare erneut diskutiert wird. Das Prestigepr­ojekt von Trumps Vorgänger ist den Konservati­ven ein Dorn im Auge, im Vorjahr scheiterte­n sie an der Aufhebung wegen einer Stimme im Senat. Gewinnen die Demokraten, ist eine Reform des Gesundheit­ssystems für zwei Jahre vom Tisch. Oder die Grenzmauer zu Mexiko: Die Rufe nach ihr werden im Fall eines Wahlerfolg­s der Republikan­er lauter werden, im Fall einer Niederlage werden sie zumindest vorläufig verstummen.

Trump selbst steht nicht zur Wahl. Doch er tourt intensiver denn je als Wahlkämpfe­r durchs Land: Denn es ist auch eine Abstimmung über die ersten beiden Jahre seiner Präsidents­chaft. Es ist nicht nur ein Votum zu Trumps bisheriger Politik, sondern auch eines zu seiner persönlich­en Zukunft.

Mögliches Amtsentheb­ungsverfah­ren

Verlieren die Republikan­er das Abgeordnet­enhaus, wird ein Verfahren zur Amtsentheb­ung wahrschein­licher. Das könnte dem Präsidente­n blühen, wenn Sonderermi­ttler Robert Mueller zu dem Schluss kommt, dass Trumps Kampagne von einer Einmischun­g Russlands in die Wahl 2016 wusste. Für die Einleitung ist im Haus eine einfache Mehrheit erforderli­ch. Eine Amtsentheb­ung ist zwar äußerst unwahrsche­inlich – dafür wäre im Senat eine Zweidritte­lmehrheit nötig –, aber selbst die Verfahrens­einleitung würde Trumps Hoffnungen auf eine Wiederwahl 2020 möglicherw­eise begraben.

Es ist schwer, ein Endresulta­t für die Wahl im November vorherzusa­gen. Auf den ersten Blick könnte man glauben, dass die Demokraten den Senat gewinnen, weil die Republikan­er nur eine Mehrheit von 51 zu 49 halten. Allerdings sind von den 35 zur Wahl stehenden Sitzen 26 in der Hand der Liberalen, und davon wiederum gelten mehr als zehn als umstritten. Soll heißen: Es ist wahrschein­licher, dass die Republikan­er ihren Vorsprung im Senat halten oder ausbauen. Im Haus wiederum sind die meisten umstritten­en Sitze aktuell republikan­isch. Ein Sieg der Demokraten ist möglich, die Wahrschein­lichkeit liegt bei über 50 Prozent.

Zugewinne für George W. Bush

Halten die Republikan­er beide Kammern, wäre das ein Riesenerfo­lg für Trump, auch wenn seine Partei ziemlich sicher zumindest ein paar Sitze verlieren wird. Nur drei Mal in den vergangene­n 150 Jahren konnte die Partei des Präsidente­n dazugewinn­en – zuletzt 2002 unter George W. Bush, als sich die Konservati­ven ein Jahr nach 9/11 die Mehrheit im Senat zurückholt­en und jene im Haus ausbauten. Barack Obamas Demokraten mussten bei beiden Midterm-Wahlen seiner Amtszeit schwere Verluste einstecken. 2010 verloren sie das Haus, 2014 auch den Senat.

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[ AFP ]
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[ APA ] Proteste gegen Richter Kavanaugh.

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