Gastkommentar: US-Halbzeitwahlen als Stimmungstest
Die Chancen der Demokraten, am 6. November beide Häuser des Kongresses zu erobern, stehen nicht so schlecht.
Am 6. November finden in den USA die Zwischenwahlen zum Kongress zur Halbzeit der vierjährigen Präsidentenamtsperiode statt. Dabei werden alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses, 34 von 100 Senatoren und die Gouverneure in 36 von 50 Bundesstaaten sowie drei Territorien (Guam, Amerikanische Jungferninseln und Nördliche Marianen) gewählt.
Diese Halbzeitwahlen gelten stets als Stimmungsbarometer dafür, wie die Politik des amtierenden Präsidenten bei den US-Wählern ankommt. Die Statistik zeigt übrigens, dass die jeweilige Präsidentenpartei in allen Halbzeitwahlen seit dem Bürgerkrieg durchschnittlich 32 Sitze im Repräsentantenhaus und vier im Senat verloren hat. Derzeit verfügen die Republikaner in beiden Häusern des Kongresses über eine Mehrheit.
Im Repräsentantenhaus sitzen jetzt 236 Republikaner und 193 Demokraten, sechs Mandate sind vakant. Die Demokraten müssten also 25 Sitze dazugewinnen, um die Mehrheit von 218 Mandaten zu erreichen. Im Senat sind derzeit 51 Republikaner und 49 Demokraten vertreten. Rein rechnerisch müssen die Demokraten im Senat nur zwei Sitze dazugewinnen, um die Mehrheit zu erlangen.
Startvorteil für Republikaner
Da aber von den im November zu wählenden 34 Senatssitzen momentan 26 von den Demokraten gehalten werden, ist das Risiko für die Oppositionspartei vorhanden, mehr Mandate zu verlieren als zu gewinnen. Zehn derzeit von Demokraten besetzte Senatssitze liegen überdies in Bundesstaaten, die 2016 bei den Präsidentenwahlen für Donald Trump votiert haben.
Von den 36 Gouverneuren, die zu wählen sind, entfallen derzeit 26 auf die Republikaner. Von deren Staaten gelten aber nur acht als sichere republikanische Bastionen. Folglich sind grundsätzlich 18 Gouverneursposten für die Demokraten im Spiel. Den Wahlchancen der Demokraten kommt auch entgegen, dass 13 republikanische Gouverneure nicht mehr zur Wahl antreten werden.
Wenn es den Demokraten gelingt, die Mehrheit in einem oder gar beiden Häusern des Kongresses zu bekommen, können sie die konservative Agenda von Präsident Donald Trump blockieren – so wie das die Republikaner während der Amtszeit von Präsident Barack Obama auch getan haben. Ein demokratisch dominiertes Repräsentantenhaus könnte auch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump einleiten.
Freilich wäre dann im Senat noch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, was wohl nur bei einem vernichtenden Bericht des Sonderermittlers Robert Mueller in der Affäre um eine mögliche Konspiration des Trump-Teams mit Russland in der Präsidentenwahl 2016 denkbar erscheint. Auch wenn eines oder beide Häuser an die
Demokraten gingen, hätten es diese schwer, ihre eigenen progressiven Gesetzesvorhaben durchzubringen, da der Präsident ein Vetorecht hat.
Die Erfahrung zeigt, dass die Wahlbeteiligung bei den Halbzeitwahlen mit rund 40 Prozent traditionell niedriger ist als bei Präsidentenwahlen mit gut 50 Prozent oder mehr. Die Republikaner haben aufgrund der komplizierten Wahlkreisaufteilung (mittels sogenanntem Gerrymandering) einen Startvorteil. Deshalb benötigen die Demokraten nach Ansicht von Experten einen Stimmenvorsprung von zumindest sechs Prozent, um das Repräsentantenhaus erobern zu können.
Die Republikaner haben nämlich in jenen Staaten, in denen sie in den vergangenen Jahren das Sagen hatten, konsequent Gerrymandering – also die Manipulation der Wahlkreisgrenzen zu ihren Gunsten – betrieben. Offenes Rennen um den Senat
Ausnahmslos alle Umfragen, die nur Momentaufnahmen und keine Prognosen sind, zeigen seit Langem eine Mehrheit in der Wählergunst für die Demokraten. Der Durchschnitt in den aktuellen Umfragen ergibt einen Vorsprung der Demokraten von derzeit 8,3 Prozent (48,8 Prozent für Demokraten, 40,5 Prozent für Republikaner). Fox News, der konservative Lieblingssender von Präsident Donald Trump, wies im August sogar einen Vorsprung der Demokraten von elf Prozent aus.
Sollte das Wahlverhalten am 6. November annähernd diesen Umfragen entsprechen, geht jedenfalls das Repräsentantenhaus mit großer Wahrscheinlichkeit an die Demokraten. Demoskopen gaben die Chancen der Demokraten, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern, mit 81,9 Prozent an. Die Chancen der Republikaner hingegen, ihre Mehrheit zu behaupten, wurde nur mit 18,1 Prozent veranschlagt.
Das Rennen um die Senatsmehrheit wird als offen angesehen – mit den bereits erwähnten leichten Vorteilen für die Republi- kaner. Bei den Gouverneuren dürften die Demokraten Zugewinne von vier oder mehr Regierungschefs in Bundesstaaten schaffen. Polarisiertes Amerika
Wie eingangs dargestellt, spielt beim Wahlverhalten in Zwischenwahlen die Beliebtheit des Präsidenten und die Akzeptanz seiner Politik eine große Rolle. Mitte September verfügte Donald Trump im Durchschnitt aller aktuellen Umfragen über eine Zustimmungsrate von 40,9 und eine Ablehnung von 53,6 Prozent, was ein Minus von 12,7 Prozent ergibt.
Noch wichtiger für das Wahlverhalten aber ist die Einschätzung der US-Bürger, in welche Richtung sich ihr Land entwickelt. Hier sagten im Durchschnitt der letzten Untersuchungen 40,5 Prozent, die Vereinigten Staaten entwickelten sich in eine gute Richtung, 53,5 Prozent waren aber einer gegenteiligen Meinung, was ein Minus von 13 Prozent bedeutet.
Entscheidend für den Ausgang der Halbzeitwahlen wird im politisch stark wie nie polarisierten Amerika sein, ob Demokraten oder ob Republikaner ihre Stammwähler besser mobilisieren können. Da auch hinsichtlich der Mobilisierung in allen Umfragen – das gilt insbesondere für die Frauen – zuletzt die Demokraten deutlich voran lagen, versuchte das TrumpLager zuletzt mit dem warnenden Hinweis, eine Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus würde ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten, wankelmütige Anhänger zu den Wahlurnen zu treiben. Die Frauen und Trump
Gerade was das Wahlverhalten von Frauen anbetrifft, wird auch mitentscheidend sein, wie diese die Affäre Kavanaugh einschätzen: Ob sie der Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford glauben, die dem zum Höchstrichter nominierten Brett Kavanaugh – wie auch zwei weitere Frauen – einen sexuellen Angriff vorwirft; ob sie den Unschuldsbeteuerungen Kavanaughs glauben; und wie sie das Verhalten von Trump einschätzen, der sich öffentlich über Frau Blasey Ford lustig gemacht hat.
Wählermobilisierung ist schon deshalb nötig, weil die Zustimmung zu Trump unter parteiunabhängigen Wählern seit der Präsidentenwahl deutlich gesunken ist. Anfang September wurde eine CNN-Umfrage veröffentlicht, die für das Trump-Lager alarmierend ist: Nur 32 Prozent der Amerikaner halten ihren Präsidenten für ehrlich und vertrauenswürdig.