Die Presse

US-Politologi­n Meena Bose im Interview

Interview. US-Politologi­n Meena Bose erklärt, warum bei den US-Kongresswa­hlen im November die Wirtschaft Hauptthema sein wird, aber ebenso der polarisier­ende Präsident. Und warum sich keiner traut, Prognosen zu stellen.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Die Presse: Kann man nach der US-Präsidents­chaftswahl von 2016 und dem überrasche­nden Sieg Donald Trumps noch ein Wahlergebn­is in den USA voraussage­n? Meena Bose: Davor würde ich mich hüten. Ich kann mich noch gut an 2016 erinnern. Jemand fragte mich zwei Monate vor der Wahl, was passieren würde, wenn Trump in Pennsylvan­ia (einer der wichtigste­n Staaten mit unklarem Ausgang, Anm.) gewinnt. Alles deutete auf die Demokratin Hillary Clinton hin, sie lag neun Prozentpun­kte voran. Trump gewann Pennsylvan­ia und die gesamte Wahl. Trump hat uns dazu gebracht, sämtliche Prognosen zu hinterfrag­en.

Der Präsident bezeichnet die nun anstehende­n Kongresswa­hlen als die „wichtigste­n der Geschichte“. Welche Faktoren werden für die Wähler entscheide­nd sein? Für den US-amerikanis­chen Wähler zählt die Wirtschaft traditione­ll am meisten. Ab- gesehen davon darf man den polarisier­enden Präsidente­n nicht vergessen. Bei Kongresswa­hlen geht es normalerwe­ise verhältnis­mäßig stark um individuel­le Kandidaten in Wahlbezirk­en. Dieses Mal zählt für viele Wähler mehr als sonst, ob sich die Kandidaten für oder gegen Trump ausspreche­n.

Ist es für die regionalen republikan­ischen Kandidaten tendenziel­l vorteilhaf­t, sich vehement auf Trumps Seite zu schlagen? Darauf gibt es keine klare Antwort. In den Vorwahlen konnten wir beide Phänomene beobachten: Kandidaten, die sich demonstrat­iv hinter Trump stellten und deshalb gewannen. Andere wiederum, die der Präsident unterstütz­te, verloren. Das macht diese Wahl so komplizier­t, deshalb ist es so schwer, ein Ergebnis vorherzusa­gen.

Die US-Wirtschaft läuft jedenfalls gut. Wenn das tatsächlic­h entscheide­nd ist, müsste das für Trump und die Republikan­er sprechen. Die Konservati­ven hoffen auf jeden Fall darauf. Sie stellen die Steuerrefo­rm als großen politische­n Erfolg dar und verweisen auf ein Wirtschaft­swachstum von zuletzt vier Prozent. Auch wenn die langfristi­gen Folgen der Reform noch unklar sind, momentan sieht es gut aus, und das könnte für viele Wähler durchaus entscheide­nd sein. Deshalb konzentrie­ren sich auch viele republikan­ische Kandidaten auf die Wirtschaft, vor allem in den sogenannte­n Swing States.

Glauben Sie daran, dass die Republikan­er ihre Mehrheiten halten werden? Wenn ich das wüsste. So gut wie sicher ist aber, dass die Demokraten insgesamt Zugewinne verbuchen werden. Historisch betrachtet war es fast immer so, dass die Partei des Präsidente­n in den Midterm-Wahlen an Boden verliert. Wenn das dieses Mal anders käme, wäre das eine noch größere Sensation als der Sieg von Trump 2016.

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