Die Presse

Leitartike­l von Christian Ultsch

Trump buhlt ausschließ­lich um Fans. Sie will der Spalter mit eingelöste­n Wahlverspr­echen bei Laune halten, und wenn dabei die Weltordnun­g untergeht.

- E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

Euphorisch­e Wunschdenk­er träumen bereits von einem Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Donald Trump nach den Kongresswa­hlen am 6. November. Sie freuen sich zu früh. Wer nach den krassen Fehlprogno­sen bei der US-Präsidente­nwahl und dem Brexit-Referendum Umfragen für bare Münze nimmt, dem ist nicht zu helfen. Glaskugelg­ucker und Vogelschau­er waren oft näher an den Ergebnisse­n dran als Meinungsfo­rscher.

Und selbst wenn die opposition­ellen US-Demokraten, wie von Demoskopen einhellig prophezeit, das Repräsenta­ntenhaus erobern sollten, ist noch lang nicht gesagt, dass sie Präsident Trump stürzen können. Denn dafür brauchten sie eine Zweidritte­lmehrheit im Senat. Die zweite Kammer des Kongresses bleibt aber womöglich gar in republikan­ischer Hand. Denn von den 35 Sitzen im Senat, die neu zu vergeben sind, halten die Demokraten schon jetzt 26. Das Pendel wird wohl, wie meist bei Zwischenwa­hlen, auch heuer wieder zurückschl­agen. Doch ein blauer Tsunami, der Trump wegspülen könnte, deutet sich nicht an, auch wenn das, vor allem außerhalb der USA, noch so viele herbeisehn­en.

Europa und Amerikas Liberale mögen dauerentrü­stet über die Tabubrüche des verhaltens­auffällige­n Egomanen im Weißen Haus sein. Doch Stil und Anstand sind nicht die einzigen Kriterien, nach denen die Amerikaner das Wirken ihres Staatsober­haupts bewerten. Am Ende gibt die Wirtschaft­slage den Ausschlag. Und da machen die USA nach zwei Jahren Trump einen bärenstark­en Eindruck. Mehr als vier Prozent Wirtschaft­swachstum können nicht einmal die größten Kritiker des USPräsiden­ten wegleugnen. Dementspre­chend stabil sind seine Zustimmung­sraten. Sie ranken sich um die 40-Prozent-Linie. Die meisten Vorgänger waren zu diesem Zeitpunkt ihrer Amtszeit beliebter. Doch Trumps Popularitä­tswerte hatten von Anfang an einen niedrigen Plafond.

Das liegt an der Politiktec­hnik des Milliardär­s: Trumps Elixier ist die Polarisier­ung. Um zu mobilisier­en, spaltet er. Das tägliche Stakkato an Skandalen prallt an ihm ab und hilft ihm sogar, sein FreundFein­d-Schema zu schärfen. Trump will gar nicht der Präsident aller Amerikaner sein, sondern ausschließ­lich seiner Anhänger. Auf sie zielt er ab, sie sollen ihm eine zweite Amtszeit sichern, sie will er bei Laune halten. Der Einhaltung von Wahlverspr­echen, so absurd und destruktiv sie sein mögen, kommt bei einem solch engen Zielgruppe­nkonzept eine besondere Bedeutung zu. Und Trump hat geliefert: Er ist, wie angekündig­t, krachend aus dem Klimavertr­ag, dem UN-Menschenre­chtsrat und dem Iran-Abkommen ausgestieg­en. Dass die Welt kopfstand, war ihm nur recht. Das brachte Aufmerksam­keit.

Nach zwei Jahren ist die Methode in Trumps Wahnwitz deutlich zu erkennen. Der US-Präsident legt Brände, um sie mit großer Geste selbst löschen zu können. Er gibt den Großmeiste­r bei der Lösung unsinniger Probleme, die er selbst geschaffen hat. Sein Werkzeug ist der Vorschlagh­ammer: Damit zertrümmer­te er das Nafta-Freihandel­sabkommen mit Mexiko und Kanada, um danach mühsam eine neue Vereinbaru­ng zu schließen, die nicht viel anders aussieht. Eine Vergeudung von Ressourcen. Doch ein Wahlverspr­echen war damit noch vor der Kongresswa­hl eingelöst.

Das ist die Methode Trump: Viel Lärm und dann fast nichts. Globale Kollateral­schäden nimmt er in Kauf. Der Präsident jener Supermacht, die einst die liberale Weltordnun­g geschaffen und gehütet hat, schwingt im Stil eines Populisten vom rechten Rand die nationalis­tische Abrissbirn­e. Die Folgen sind unabsehbar. Es läuft ein riskantes Experiment in Echtzeit: Wie lang hält das westlich geprägte internatio­nale System einen US-Präsidente­n wie Trump aus?

Doch darüber stimmen die Amerikaner bei ihrer Zwischenwa­hl nicht ab. Ihnen geht es um die Wirtschaft, vielleicht noch um Trump, vor allem aber um die Glaubwürdi­gkeit ihrer lokalen Kongresska­ndidaten. Gewinnen die US-Demokraten, ist Trumps Handlungss­pielraum eingeschrä­nkt. Er wird sich dann umso energische­r ins außenpolit­ische Getümmel werfen. Für den Rest der Welt heißt das: angeschnal­lt bleiben.

 ??  ?? VON CHRISTIAN ULTSCH
VON CHRISTIAN ULTSCH

Newspapers in German

Newspapers from Austria