Die Presse

Wie Markus Söder seinen Absturz abfedern will

Bayern. Je näher der Wahltag rückt, desto tiefer sinken die Werte der CSU. Eine Woche noch hat Markus Söder, um das zu ändern. Zunächst versuchte es der Ministerpr­äsident mit Besonnenhe­it und Ruhe. Nun hat er eine neue Taktik: Panik.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Mit Schaudern erinnern sich die Christsozi­alen in Bayern an ein dunkles Kapitel ihrer Parteigesc­hichte. An eine Ausnahmesi­tuation, die sie am liebsten komplett verdrängen würden: 2008 verlor die CSU nach fünf Jahrzehnte­n Alleinherr­schaft die absolute Mehrheit im Landtag. Die Partei musste etwas tun, was sie eigentlich nur aus anderen Bundesländ­ern kannte, wofür sie die Union im Bund bemitleide­te: eine Koalition eingehen. In diesem Fall mit der FDP.

Mit jeder Umfrage, die vor der kommenden Landtagswa­hl am 14. Oktober veröffentl­icht wird, wird dieses Szenario wieder in das Bewusstsei­n der Bayern gerufen. Je näher der Wahlsonnta­g rückt, desto tiefer fallen die Beliebthei­tswerte der CSU. In einer aktuellen Erhebung für die ARD liegt die Partei bei 33 Prozent. Im ZDF-„Politbarom­eter“sind es zwei Prozentpun­kte mehr, doch das ist nur ein schwacher Trost. Selbst 2008 waren es noch 43,4 Prozent, fünf Jahre später holte man sich mit 47,7 Prozent die Absolute zurück.

Für eine Person sind diese Aussichten besonders schmerzhaf­t: Markus Söder, seit März Ministerpr­äsident des süddeutsch­en Bundesland­s. Er will seinem erbitterts­ten Feind beweisen, dass er Wahlsiege feiern kann. Und er möchte das Erbe seines größten Vorbilds weiterführ­en.

Der Feind sitzt in Berlin, an mehreren Stellen: Die Dauerkrise der Großen Koalition passt nicht ins Bild, das Söder von der staatstrag­enden CSU zeichnen möchte. Zunächst war laut Söder Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) schuld, die ihre Flüchtling­spolitik nicht nach den Vorstellun­gen der CSU ausrichten will. Als der erbitterte Streit einige seiner Wähler vertrieb, fand Söder ein neues, altes Feindbild: Bundesinne­nminister und CSU-Chef Horst Seehofer.

Dass sich die beiden nicht leider können, ist spätestens seit einer Weihnachts­feier im Jahr 2012 offiziell: Seehofer warf dem dama- ligen Finanzmini­ster „charakterl­iche Schwächen“und einen exzessiven Ehrgeiz vor. Der Ehrgeiz konzentrie­rte sich in den vergangene­n Jahren vor allem darauf, Seehofer als Ministerpr­äsidenten zu beerben. Und soll Söder die Absolute verlieren, die sein Vorgänger zurückerob­ert hatte? Das will der Landeschef verhindern.

Während die CSU Stimmen verliert, gewinnen sie einerseits die Grünen, aber auch die AfD. Zum ersten Mal tritt die Alternativ­e für Deutschlan­d in München an. Der bayrische Landtag ist (neben dem hessischen, der am 21. Oktober neu gewählt wird) der einzige, in dem die Partei nicht vertreten ist. Zumindest bisher, in Umfragen liegt sie bei zehn Prozent. Das Motto, das CSU-Legende Franz Josef Strauß ausgab, gilt also bald nicht mehr: Rechts von den Christsozi­alen soll eigentlich kein Platz sein.

Das wäre für jeden CSU-Ministerpr­äsidenten bitter, für Söder aber besonders. Strauß ist sein großes Vorbild. In Jugendzeit­en hing ein Poster des CSU-Chefs in seinem Zimmer. Als er sein neues Büro bezog, nahm er als erstes eine Bibel mit – und eine Büste von Strauß.

Was will Söder also in der letzten Woche vor der Wahl tun, um den Fall seiner Partei abzufedern? Lang setzte er auf Beschwicht­igung und betonte, dass man Umfragen heutzutage nicht vertrauen könne. Nun scheint er aber seine Taktik im letzten Moment geändert zu haben. Er nutzt die schlechten Umfragewer­te für sich – und versucht regelrecht Panik zu verbreiten: Das Ergebnis eines bunten Parlaments könnte „eine völlig instabile Regierung sein“, sagt er der „Bild“. „Ich glaube, dass auch die bayerische Demokratie zu wackeln beginnt.“Neben der AfD könnte auch die Linksparte­i einziehen. Auch CSUGeneral­sekretär Markus Blume meinte: „Der Erfolgsweg Bayerns ist akut in Gefahr. Bayern droht zu kippen.“

Tatsächlic­h wäre laut aktuellen Umfragen eine Viererkoal­ition aus Grünen (18 Prozent), SPD, Freien Wählern (je elf Prozent) und der FDP (sechs Prozent) möglich. Allerdings nur in der Theorie – praktisch ist es ausgeschlo­ssen, dass sich die Parteien auf eine Koalition einigen könnten. Vor allem, weil es in Bayern schnell gehen soll: Innerhalb von vier Wochen muss gesetzlich eine Regierung stehen. Wahrschein­licher ist es also, dass sich Söder einen Koalitions­partner aussuchen muss.

Was den Ministerpr­äsidenten an diesem Gedanken möglicherw­eise tröstet: Sobald die CSU einen Schuldigen sucht, wird sie ihn – davon gehen die meisten in Bayern aus – wohl am ehesten in Berlin finden.

 ?? [ Imago ] ??
[ Imago ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria