Die Furcht vor Donald Trump und das Gerede vom Krieg
Wer aktuelle Sachbücher über den amtierenden Präsidenten und das Chaos in Washington liest, kann dabei kaum emotionslos bleiben. Auf viel zu vielen Seiten von „Fear“steht „War“. Das grenzt gefährlich an Hysterie.
Amerika, du hast es besser – das haben wir von der „Gegengift“Bewegung im Erdberger Klub transatlantischer Freundschaft schon in manch goldenem Herbst fröhlich zitiert. Neuerdings ereilen uns aber widersprüchliche Meldungen aus den USA: Offenbar erlebt diese Nation kurz vor den Zwischenwahlen für den Kongress noch immer einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Zugleich boomen in diesem Jahr recht viele Sachbücher, die den Untergang beschwören, noch immer den Wahlsieg des republikanischen Außenseiters Donald Trump im November 2016 zu verkraften suchen und seine bisherige Präsidentschaft als heilloses Chaos und reine Willkür bewerten.
Einige Titel sind Programm: Der konservative Autor David Frum, einst Redenschreiber für George W. Bush, schreibt über „Trumpocracy“, die er in der Unterzeile als eine Korrumpierung der amerikanischen Republik bezeichnet. Hall Gardner, Politologe an der American University of Paris und Spezialist für Kriegsszenarien, beschwört gar „World War Trump“. Er bewertet in seinem Werk die Risken des neuen amerikanischen Nationalismus. Der Blogger Andrew Sullivan, der im britischen Magazin „Times Literary Supplement“mehrere dieser geradezu dystopisch anmutenden Bücher rezensiert, fasst seinen Essay griffig mit „Genie der Zerstörung“zusam- men. Auf der Titelseite der Zeitschrift wird gefragt: „Amerika am Abgrund?“
Am prägnantesten hat Bob Woodward, der als Reporter mit Carl Bernstein die Watergate-Affäre enthüllt und Präsident Richard Nixon stürzen geholfen hat, die Stimmung beschrieben. „Fear“lautet einsilbig der Titel seines jüngst erschienenen Buches über Trumps politische Kampagne und die Anfänge von dessen Regierung. Tatsächlich gewinnt man bei der Lektüre den Eindruck, seit fast zwei Jahren gebe es in Washington ein absurdes Interregnum. Das insinuiert nicht nur der Autor, das bestätigen ihm Hunderte Quellen. Zeit zum Fürchten also?
Ja. Was beschäftigt denn Trump, dessen Team und Woodward, der dies alles aufgezeichnet hat. Mexiko? Der Wahlkampfschlager von 2016? Nein. Das Wort kommt nur elf Mal auf 350 Seiten vor, einmal mehr als Afrika. Auch Europa (27) oder Israel (26) sind nur Marginalien. Syrien hingegen (61), Iran (89) und China (98) spielen eine größere Rolle. Das ist gar nichts gegen Afghanistan (160), Russland (212) oder Korea (294). Sie sind sogar noch häufiger als USA (51) oder Amerika (162).
Bedenklich ist hingegen, wie oft in „Fear“, einer nüchternen Wiedergabe von Trumps Agenda, Krieg geschrieben steht: 299 Mal ist von diesem die Rede. Das grenzt gefährlich an Hysterie. Bei uns in Erdberg ist es kein Trost, dass in dem ganzen Text trotz aufmerksamer Lektüre weder Vienna noch Austria, ja nicht einmal Kurz oder Kern zu finden war.