Marlis Petersen bereist die ganze Welt
Im Musikverein präsentierte die vielseitige Singschauspielerin das erste von drei geplanten Liedprogrammen.
„Einen Moment des Innehaltens“wolle sie ihren Zuhörern schenken und „einladen, die fantastische Erdenwelt, die wir manchmal vor lauter Stress gar nicht wahrnehmen, wieder bewusster zu erleben“, verkündete Marlis Petersen zu Beginn ihres Liederabends im Brahms-Saal, in dem sie ihr CD-Programm „Welt“präsentierte. Die im Vorjahr aufgenommene CD ist Auftakt zu einer Trilogie, die sich in der Folge auch noch mit „Anderswelt“und „Innenwelt“beschäftigen wird.
So hehr der Anspruch, so nebensächlich das Imaginieren von Hütten, Bergen, Seen, Feldeinsamkeit und Mondnacht, war doch Petersens Darbietung ein solcher Genuss, dass man sich ganz auf diesen einlassen wollte. Nach feinfühlig zurückgenommenem Start mit Schumanns „Himmel und Erde“und Schuberts „Cora an die Sonne“bewies Schuberts „Die Mutter Erde“dramatischtragisches Potenzial.
Schumanns „Mondnacht“
Gelangen im ersten von vier thematisch gegliederten Teilen ein paar wenige Legato-Stellen nicht bruchlos, lief Petersen im zweiten auch in Sachen Darstellungskunst zu Höchstleistungen auf: Mit verschmitztem Augenzwinkern präsentierte sie Mozarts „Sehnsucht nach dem Frühlinge“(„Komm, lieber Mai . . .“), stimmlich beweglich und voll leuchtender Töne. Einer der Höhepunkte des reichen Abends, an dem dank vielsagendem Mienenspiel auch die Singschauspielerin Petersen zu ihrem Recht kam.
Das enorme Spektrum stimmlicher Modulationsfähigkeit erwiesen Schumanns „Mondnacht“und Wagners „Stehe still“aus den Wesendonck-Liedern, die funkelnden Höhen in Brahms „Juchhe!“, die dunkel leuchtenden, beseelten Töne in dessen „Dämmrung senkte sich“. In Stephan Matthias Lademann hatte Petersen einen korrekten Klavierpartner, der ihrer Überschwänglichkeit die solide Basis schuf. Dass Petersen auch Raritäten von Hans Sommer und Sigurd von Koch aufnahm, zeugt von intensiver Beschäftigung mit dem gewählten Thema, dessen Dramaturgie lediglich die zweite, vom Publikum euphorisch erklatschte Zugabe „Freudvoll und leidvoll“durchbrach. Nur mit den Worten „Ludwig van“angesagt, bot sie noch einmal die Chance, alle Register zu ziehen. (tst)