Atmet durch, nehmt es, und schmeißt es an die Wand!
Der Aufstand der Smartphoner wird kommen. Irgendwann wollen sie aus dem Hamsterrad der Erreichbarkeit heraus.
I ch hatte nie ein Smartphone. Das war keine Heldentat, nicht einmal eine Trotzhaltung. Ich fand es einfach würdelos, wenn ausgewachsene Kerle auf albernen Piktogrammen herumwischen. Außerdem wollte ich nicht, dass mich die Arbeit ins Cafe,´ an den Strand und ins Schlafzimmer verfolgt.
Die Österreicher – das ist eine Qualität! – folgen manchen Trends mit Verzögerung. Deshalb fiel mir die umwälzende Bedeutung des Smartphones zunächst in anderen Ländern auf. Ich erinnere mich einer Bahnfahrt durch Schottland, Inverness–Aberdeen, vor vier Jahren. Am Ende der Fahrt konstatierte ich mit Gänsehaut: In einem vollen Großraumwaggon hatte ich über zweieinhalb Stunden keinen einzigen Blickkontakt gehabt! Es war in Moldau, wo ich vor zwei Jahren begriff, dass junge Leute keine Landkarte mehr lesen können. Sie folgen nur noch Navigations-Apps. Anderswo setzt sich auch Videotelefonie durch, viele Moskauer sprechen im Gehen auf bewegte Gesichter ein.
In einem Flieger saß ich neulich neben einem Jüngling, der ein Video rauf- und runterspielte. Das Video zeigte ihn selbst, in einer Skybar stolzierend, ihn allein. Danach rief er Tausende Fotos auf, darunter immer wieder die Posen einer überkandidelten Tussi, eingeschlossen die Entwicklungsgeschichte ihrer Augenbrauen. Das war peinlich. Mir war’s peinlich, nicht ihm. Österreich wird nicht verschont. Heuer lag ich zwei Tage im Spital, zwischen zwei Jugendlichen. Die beiden hatten unterschiedliche Nationalitäten, schliefen aber beide mit dem Smartphone in der Hand ein.
Es wird nicht überraschen, dass ein konservativer Kerzerlschlucker mit der Jugend von heute fremdelt. Das muss so sein. Ich bin ja so verknöchert, dass ich noch an den finstersten Epochen etwas Gutes finde, etwa an der Work-Life-Balance des Mittelalters. Das letzte Interview, das Christine Nöstlinger vor ihrem Tod gab, musste uns jedoch alle traurig machen. Die große Kinderfreundin sagte: „Es ist alles sehr, sehr anders geworden, und ich verstehe es nicht mehr. Wie soll ich denn wissen, was Kinder bewegt, wenn sie einen halben Tag lang über dem Smartphone sitzen und irgendetwas mit zwei Daumen drauf tun?“E in Kampf gegen das Smartphone wäre im Moment aussichtslos. Ich führe diesen Kampf nicht. Ich bin nicht der Mose, der Euch durch diese Wüste führt. Die Minderheit, die kein Smartphone besitzt, ist laut „Mobile Communications Report 2018“vier Prozent stark. Ich vermute, dass die Mehrzahl meiner Verbündeten in Pflegeheimen wohnt. Mein Widerstand beschränkt sich einstweilen auf indignierte Blicke und geheime Gewaltfantasien. Wenn jemand während des Gottesdiensts das Smartphone nutzt, stelle ich mir vor, wie das Ding dank meiner wütenden Pranke an der nächsten Kirchenbank zerschellt. In meiner burgenländischen Pfarrkirche wäre Herumgewische undenkbar, in den großen Kathedralen entgeht man ihm nicht mehr.
Der Aufstand muss von den Smartphonern selbst ausgehen. Auch jene, die sich um eine vernünftige Nutzung bemühen, nehmen es oft zur Hand – es vereint nun einmal so teuflisch viele Funktionen in sich. Ich glaube, der Aufstand der Menschen gegen ihre Selbstversklavung kommt. Irgendwann reißen sie sich die weißen Stöpsel aus dem Ohr, irgendwann wollen sie aus dem Hamsterrad der Erreichbarkeit heraus. Ich muss nur warten.