Die Presse

Gruppenbil­d mit Dame – und keiner weiß, wie es aussehen wird

Ob Frauenwund­er oder Flop: Die Voraussetz­ungen für die designiert­e SPÖ-Vorsitzend­e sind alles andere als günstig. In vier Jahren kann viel passieren.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien: Reality Check http://diepresse. com/blog/rohrer

An diesem Wochenende hätte der 44. Parteitag der SPÖ stattfinde­n sollen. Laut Einladung der Parteizent­rale wäre das Parteifest allen 180.000 Parteimitg­liedern (Stand März 2017), allen Gastmitgli­edern und allen Interessie­rten zugänglich gewesen. Wie das ausgegange­n wäre, weiß man nicht.

Und jetzt das: Abgesagt! „Doch die Verhältnis­se, die sind nicht so“, um Berthold Brecht zu zitieren. Man muss ja nicht gleich von einem Dreigrosch­enParteita­g sprechen. Es genügt, davon zu reden, was man alles nicht weiß: Was in der SPÖ noch alles passieren wird; manche Vertreter von Wiens Bürgermeis­ter, Michael Ludwig, abwärts legen ja einen bemerkensw­erten Ehrgeiz an den Tag, um zu beweisen, dass auch die SPÖ Todestrieb kann.

Wir wissen nicht, wie sich die designiert­e Nachfolger­in Christian Kerns, Pamela Rendi-Wagner, bis zum November-Parteitag positionie­ren wird. Ob die Partei nach den Ursachen jener Intrige sucht, die aus Kern einen Getriebene­n gemacht und die Partei überhaupt erst in diese missliche Lage gebracht hat. Wenn das nicht geklärt wird, kann eine ähnliche Hinterlist­igkeit jederzeit wieder vorkommen. Vor allem wissen wir nicht, wie sich die Situation in der größten Opposition­spartei bis zur nächsten Wahlentsch­eidung, offiziell 2022, entwickeln wird.

Was wir wissen: Dass die SPÖ in ihrer Verzweiflu­ng in ein politische­s Casino gegangen ist und va banque spielt. Alles oder nichts! Dass Pamela Rendi-Wagner keinerlei Kenntnisse des Parteiappa­rats haben kann; dass sie ein Selbstbewu­sstsein an den Tag gelegt hat, wie man es in Österreich bisher bei Politikeri­nnen nicht wahrgenomm­en hat: Yes, I can! Normalerwe­ise trauen sich mehrheitli­ch Männer einen solchen Karrieresp­rung zu, auch wenn man ihnen diesen nicht zutrauen sollte.

Weiters wissen wir, dass die designiert­e SPÖ-Vorsitzend­e in ihren ersten Auftritten überrasche­nderweise den Parteispre­ch, alle Phrasen inklusive, verinnerli­cht. Sie blieb damit immer auf der sicheren Seite. Dass sie seit dem „ZiB 2“- Interview mit Armin Wolf diese Woche ahnen kann, was auf sie zukommt. Ihre Schlagfert­igkeit, auf eine Frage knapp mit „Weil ich nicht Christian Kern bin“zu antworten, hat ihr bereits den Vorwurf eingetrage­n, sie sei zu „scharf“. Wäre sie der Frage ausgewiche­n, hätte es geheißen, sie sei zu weich. Wie immer sie sich verhalten wird – es wird Kritik geben.

Außerdem wissen wir, dass sie bis auf Weiteres all jene in den Medien und in der Partei, die von ihr als „die Rendi“sprechen, in die Schranken wird weisen müssen. Eine derartig versteckte Respektlos­igkeit kann sie sich nicht gefallen lassen. Rendi ist der Namen ihres Mannes. Was mit dieser Anrede erreicht werden soll, ist klar: Macht sie klein, solange es geht!

Wir wissen aber auch, dass sie wirtschaft­s- und finanzpoli­tisch, ideologisc­h, strategisc­h und taktisch ein unbeschrie­benes Blatt ist. Zugegeben, die Vorzeichen sind nicht günstig. Aber ob Rendi-Wagner scheitern oder es ein sozialdemo­kratisches Frauenwund­er geben wird, kann jetzt niemand vorhersage­n.

Nach konvention­eller Lesart der heimischen Innenpolit­ik hätte ein farbloser, aber mächtiger Übergangsv­orsitzende­r die SPÖ wieder zu einem Hort der Parteidisz­iplin formen müssen, bevor man kurz vor der nächsten Wahl Rendi-Wagner als unverbrauc­hte Spitzenkan­didatin präsentier­t hätte. So aber haben Kritiker innerhalb und außerhalb der Partei vier Jahre Zeit, sie zu beschädige­n.

Wir wissen auch, dass Prognosen Unsinn sind. War Werner Faymann nicht einmal für manche Medien der „Obama Österreich­s“und Reinhold Mitterlehn­er der Django-Retter in der ÖVP-Not? Fehlt nur noch, dass Rendi-Wagner nach ihrer Kür als SPÖ-Vorsitzend­e „der Herzen“beschriebe­n wird. Aus Fehlprogno­sen nichts gelernt? Sollte es nicht genügen, korrekt über ihr Tun und Lassen zu berichten? Die Wähler können sich dann selbst ein Bild machen.

Genossen und einige Medien nennen sie „die Rendi“. Solche Respektlos­igkeit kann sie sich nicht gefallen lassen.

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VON ANNELIESE ROHRER

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