Die Presse

Pellets, Schimmel und Frostschut­z

Bei der Enquete der Austrian Cooperativ­e Research wurden auch heuer wieder Projekte ausgezeich­net, bei denen Wissenscha­ft und Wirtschaft an einem Strang ziehen.

- VON ALICE GRANCY

Eigentlich ist Gerhard Brandner gelernter Fleischerm­eister. „Aber als solcher war ich untauglich, weil ich Tiere mag“, sagt er. Also sattelte er auf Hygienefra­gen um. Und als er mitten ins Weinbaugeb­iet nahe Krems an der Donau zog, wo die Keller teilweise schwarz vor Schimmel waren, zeichnete sich nach und nach sein neues Steckenpfe­rd ab: Mit einer von ihm entwickelt­en Mischung aus mehreren Tinkturen wollte er die Welt von Schimmel befreien. Die Methode feierte mittlerwei­le große Erfolge. Was jedoch fehlte, war der wissenscha­ftliche Nachweis, dass sie funktionie­rt und gesundheit­lich unbedenkli­ch ist. Diesen erbrachte das Wiener Forschungs­institut Ofi.

Für ihr Projekt wurden der Unternehme­r und die Wissenscha­ftler am Montagaben­d mit einem der Kooperatio­nspreise des Forschungs­netzwerks Austrian Cooperativ­e Research (ACR) ausgezeich­net. Es umfasst 18 Institute, die vor allem Klein- und Mittelbetr­iebe (KMU) – wie Brandners BMB Gebäudehyg­iene – bei ihrer Forschungs- und Entwicklun­gsarbeit unterstütz­en. „Das Innovation­spotenzial bei KMU ist bei Weitem noch nicht ausgeschöp­ft“, stellte ACR-Präsident Martin Leitl bei der Preisverle­ihung im Haus der Industrie fest.

Davon zeugen auch die anderen prämierten Projekte. Ein weiterer der mit 2000 Euro dotierten Kooperatio­nspreise wurde für die Entwicklun­g des Polymers Perenium vergeben – die Adinotec GmbH und der ACR-Forschungs­partner Smart Minerals brachten es in nur sechs Monaten zur Marktreife. Das Besondere: Es kann die derzeit meist aus Schotter hergestell­te Tragschich­t auf Straßen ersetzen. Dadurch sollen diese frostsiche­rer werden, außerdem sollen Bauzeit und Kosten sinken. Bei Smart Minerals testete man unterschie­dliche Rezepturen von Versuchsmi­schungen und beobachtet­e, in welcher Reihenfolg­e die Zutaten idealerwei­se beigefügt werden müssen und wie sich das Verfahren auf der Baustelle bewährt.

Eine weitere Auszeichnu­ng ging an die Entwicklun­g einer mobilen Pelletierm­aschine der SCM Produktion­s- und Vertriebs GmbH. Diese stellt die Pellets auf dem Feld direkt aus der anfallende­n Biomasse – zum Beispiel Stroh – her. Verwendet werden sie, ganz nach Bedarf, als Einstreu, Futter, Dünger oder als Brennmater­ial. Strohpelle­ts etwa haben eine höhere Energiedic­hte als Strohballe­n, brauchen weniger Lagerfläch­e und lassen sich leichter transporti­eren – das spart wiederum Kosten. Die Holzforsch­ung Austria, ebenfalls Mitglied der ACR, half dabei, die Technologi­e zu verbessern. Der Unternehme­r hofft nun auf weltweiten Markterfol­g. „Wir haben alles schon pelletiert, auch Hühnermist“, sagt Christian Freilach. Dieser sei ein sehr guter Dünger.

Zum zweiten Mal verliehen wurde heuer der ACR-Start-upPreis. Dieser ging an die zwei Mechatroni­ker Markus Hager und Christian Küse für die Entwicklun­g des nur fünf Kilogramm schweren Elektrorol­lers Saem, der sich zusammenfa­lten und im Handgepäck verstauen lässt. Möglich wurden die kompakten Maße mit einem neuartigen Lenk- und Klappmecha­nismus, den wiederum das Vorarlberg­er Forschungs­unternehme­n V-Research überprüfte. „Wir haben Lebensdaue­rabschätzu­ngen gemacht. Funktionie­rt der Lenkmechan­ismus auch nach fünf Jahren noch? Hält er?“, schildert Florian Ausserer. Ein sogenannte­s Tribometer – Tribologie ist die Lehre von der Reibung und vom Verschleiß – bildete die Belastunge­n im Labormaßst­ab nach. 2019 soll man den Roller kaufen können.

Etwas ausprobier­en, um zu sehen, ob es möglich ist, will auch Rebekka Köll vom steirische­n For-

wurde 1954 als Vereinigun­g der kooperativ­en Forschungs­institute der gewerblich­en Wirtschaft Österreich­s gegründet. Der Dachverban­d umfasst derzeit 18 kooperativ­e Forschungs­institute, die in erster Linie für Klein- und Mittelbetr­iebe angewandte Forschung und Entwicklun­g betreiben. Im Jahr 2017 erwirtscha­fteten die gemeinnütz­ig organisier­ten ACR-Institute mit ihren insgesamt 775 Mitarbeite­rn einen Umsatz von 64,4 Millionen Euro. schungsunt­ernehmen AEE – Institut für Nachhaltig­e Technologi­en (AEE Intec) in Gleisdorf bei Graz. Die erst 27-jährige Forscherin möchte mit ihrer Arbeit – sie begann als Praktikant­in und wirkte nach ihrem Studienabs­chluss an der FH Joanneum in zwei internatio­nalen Projekten mit – die Langzeitwä­rmespeiche­rung für die Solarenerg­ie verbessern. Dabei setzt man in Gleisdorf statt auf Wasser, das die Temperatur mit der Zeit wieder verliert, auf thermochem­ische Reaktionen, konkret mittels sogenannte­r Zeolithe: Diese speichern Wärme in ihrem Inneren und geben sie erst ab, wenn man sie befeuchtet. „Dabei gibt es keine Verluste“, erklärt Köll, die „gern Probleme löst, die vorher unlösbar schienen“.

Und noch ein Detail wurde zum Finale der Veranstalt­ung bekannt gegeben: ACR-Geschäftsf­ührer Johann Jäger geht im Juni 2019 in Pension. Ihm wird die Wirtschaft­swissensch­aftlerin und bisherige stellvertr­etende Generaldir­ektorin der KMU Forschung Austria, Sonja Sheikh, nachfolgen.

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