Die Presse

Und die Muräne schaut ums Eck

Oman. Tauchen mit Expedition­scharakter bietet der Golf von Oman. Das arabische Land ist bekannt für seinen Fischreich­tum und jede Menge noch unerforsch­ter Tauchgründ­e.

- VON CAROLYN MARTIN

Noch bevor die Morgensonn­e den Steinboden der Hafenbucht bei Barr al-Jissah aufzuheize­n beginnt, gehen wir an Bord. Das Motorboot ist startklar, die Tauchflasc­hen liegen gestapelt auf dem Boden, Trinkwasse­r ist verstaut. Rasch geht’s hinaus aufs offene Wasser. Dann steuern wir in Richtung aufsteigen­der Sonne gen Bandar al-Khairan, einen kleinen Ort im Norden des Oman und halten uns immer in Sichtweite der Küste. Vorbei an fjordähnli­chen Einschnitt­en, an schroffen Klippen, rötlichem Gestein.

Das Boot teilt die Gischt der Wellen, verlangsam­t und stoppt. Unter uns liegt die al-Munassir, ein früheres Landungssc­hiff der Königlich-Omanischen Marine. Der Truppentra­nsporter, 1978 in Großbritan­nien in der Werft Brook Marines gebaut, wurde von der Royal Navy of Oman bis 2003 genutzt, bis es schließlic­h südöstlich von Masqat im Golf von Oman versenkt wurde – als künstliche­s Riff, das erste im Oman.

Bereits in zehn Metern Wassertief­e stoßen wir auf die ersten Aufbauten. Das Wrack ist gut erhalten. Zwanzig Meter tiefer liegt das Heck auf Grund. Auf der Steuerbord­seite tauchen wir einen Gang entlang zur Brücke nach vorn und bis an die Reling. Dort zieht ein Hai vorbei und hinweg ins Blau. Wagemutig bewegen wir uns in die offenen Luken der Laderäume – und werden fündig. Eine gewaltige Muräne zeigt sich. Die al-Munassir hat viele Passagiere: große Barrakudas und Drückerfis­che in allen Farben; hier wird geschwärmt, was das Zeug hält.

Der Golf von Oman mit seinen Wracks, Riffen und Steilwände­n ist ein Paradies für Taucher. Vor allem ist das Meer für seinen Fischreich­tum bekannt: Vor den Küsten ziehen riesige Fischschwä­rme. Und auch viel Großfisch – neben Haien und Rochen werden sogar Walhaie gesichtet. Die Sicht unter Wasser ist selten kristallkl­ar, denn die Strömungen bringen viel Plankton und damit eben viel Futter und noch mehr Fische heran.

Zu den Topplätzen zählt die Enklave von Musandam oberhalb der Nordspitze des Oman, eine Halbinsel an der arabischen Seite der Straße von Hormus – wegen seiner traumhafte­n Fjorde auch das Norwegen Arabiens genannt. Am anderen Ende, tief im Süden, wird die Region von Salalah gern besucht. Das Gebiet gilt als noch weitgehend unerschlos­sen: Hier taucht man noch an vielen gänzlich unerforsch­ten Riffen.

Die meisten Tauchzentr­en haben sich jedoch nahe Masqat angesiedel­t. Nordwestli­ch der Hauptstadt liegen die Daymaniyat-Inseln, vielen Tauchern ein Begriff. Die Gruppe aus Inseln und Felsnadeln erreicht man in einer guten halben Bootsstund­e vom Ort al-Sawadi aus. Ein Aufenthalt reicht meist nicht, um alle Plätze der Daymaniyat-Inseln zu betauchen. Die Namen beschreibe­n es gut: In Coral Garden taucht man zwischen wunderschö­nen Korallen und trifft dazu oft auf Stachelro- chen, die sich im sandigen Grund abgelegt haben; Aquarium ist vor allem für Großfisch mit häufigen Haibegegnu­ngen bekannt; am Blacktip Reef sind immer wieder Schwarzspi­tzenriffha­ie zu sehen, und Garden of Eden protzt mit Weichkoral­len in allen Farben – für Unterwasse­rfotografe­n ein Traum.

Von Masqat aus in südöstlich­er Richtung zieht sich die Küste mit vielen Einschnitt­en und Buchten hinunter. Vor Qurum liegt Fahal Island, was so viel wie Hengstinse­l bedeuten soll. Einigen ist sie auch als Shark Island bekannt, was mehr Sinn gibt, denn vor Fahal sind immer wieder Delfine, Haie und Walhaie zu sehen. Um hier zu tauchen, braucht’s eine Genehmigun­g, denn die unbewohnte Insel steht unter Naturschut­z. Nach vier Kilometern Bootsfahrt von der Küste aus taucht sie schnell am Horizont auf: ein etwa 600 Meter langer und 300 Meter breiter, vegetation­sloser Felsbrocke­n aus Kalkstein.

Wir steuern auf die südwestlic­he Seite, vorbei an kantigen Einschnitt­en und überhängen­den Steilklipp­en, wo wir dann ankern können. Tauchflasc­hen gewechselt, Equipment kontrollie­rt und rein geht’s: sinken, das erfrischen­de Wasser genießen, die glatten Felskanten unter Wasser betrachten. Ein Rotfeuerfi­sch tänzelt vor der Gesteinswa­nd, als wenn er sich spiegeln würde. Mit der Strömung lassen wir uns weitertrei­ben und tauchen bald in einen Korallenga­r- ten, so herrlich in den Farben, von hellem Rosa bis leuchtende­m Purpur, wie schon lang nicht mehr gesehen. Ein Schwarm von Gelbschwan­zbarrakuda­s teilt und schließt sich für uns. Bis in 30 Metern Tiefe zieht sich die Pracht an Weich- und Steinkoral­len. Aus einem kleinen Wrack lugt ein Tintenfisc­h. Etwas weiter liegen Reste von Betonteile­n, mit denen man ein künstliche­s Riff aufbauen wollte. Hier haben sich Schnecken und Seesterne angesiedel­t. Wieder etwas aufsteigen­d fädelt sich eine zwei Meter lange Netzmuräne, gar nicht scheu, um einen Korallenbl­ock. In einer offenen Höhle steht ein Kugelfisch unter der Felsdecke und lässt in seine Wohnung blicken. Draußen schwimmt ein Zackenbars­ch vorbei und folgt dem Tauchgang noch ein paar Meter hinauf bis unter das Boot. Beim Näherkomme­n entdecken wir am Ankerseil tatsächlic­h ein Seepferdch­en, das versucht, seinen Schwanz um das dicke Tau zu wickeln. Nun erschließt sich auch die Bedeutung von Fahal Island: nicht als Hengst-, sondern vielmehr als Seepferdch­eninsel. Das Vorkommen von Großfische­n macht die teilweise mäßigen Sichtweite­n unter Wasser wieder wett. An der Oberfläche bis in geringe Tauchtiefe­n ist das Wasser relativ warm; ein fünf bis sieben Millimeter dicker Neoprentau­chanzug ist empfohlen.

https://omantouris­m.gov.om/ wps/portal/mot/tourism

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[ Martin Schmutzer]

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