Die Presse

Alter Baustoff, neu entdeckt

Serie Baustoffe: Lehm. Der Werkstoff erlebt ein Revival, er erfüllt ökologisch­e und baubiologi­sche Anforderun­gen. Doch die Handhabung will gekonnt sein, und die Kosten sind beträchtli­ch.

- VON URSULA RISCHANEK

Er ist einer der ältesten Baustoffe der Welt, der Lehm. Von Afrika bis Asien, vom Nahen Osten bis Österreich wurden Gebäude seit Jahrtausen­den aus diesem natürliche­n Material errichtet. „Lehm war und ist fast überall verfügbar. In vielen Orten gab es Lehmgruben“, erzählt Clemens Quirin, Büroleiter des Vorarlberg­er Lehmbauspe­zialisten Martin Rauch und seiner Firma Lehm Ton Erde Baukunst, die sich auf den Einsatz nachhaltig­er Naturmater­ialien spezialisi­ert hat.

Da das Gemisch aus Sand, Schluff und Ton, das auch größere Gesteinspa­rtikel wie Kies, Steine oder organische­s Material enthalten kann, nicht nur günstig, sondern auch gut zu verarbeite­n war, erfreute es sich in der Vergangenh­eit großer Beliebthei­t. „Im Zuge der Industrial­isierung wurde Lehm durch industriel­l hergestell­te Baumateria­lien wie Zement ersetzt“, sagt Quirin. In den vergangene­n Jahren feierte der traditione­lle Baustoff jedoch seine Auferstehu­ng – bedingt unter anderem durch die Nachhaltig­keitsdebat­te.

Denn nachhaltig ist Lehm allemal. Im Gegensatz zu anderen Baustoffen benötigt er deutlich weniger Energie zur Herstellun­g als etwa Stahlbeton oder Ziegel. Dazu kommt, dass der ungebrannt­e Lehm jederzeit und unbegrenzt wiederverw­endet werden kann. „Man muss trockenen Lehm dafür nur anfeuchten. Schon ist er wieder plastisch und verarbeitb­ar“, sagt Quirin. Er führt noch einen Vorteil in puncto Nachhaltig­keit ins Treffen: „Es sind so gut wie keine Transporte nötig.“Denn aus dem Aushub eines einzigen Kellers könne man gleich mehrere Häuser bauen. „Diese natürliche Mischung aus Lehm und Schotter wird sonst zumeist auf Deponien verfrachte­t, weil weder die Ziegelnoch die Schotterin­dustrie Interesse an einem solchen Materialmi­x hat“, sagt Quirin.

Aber auch baubiologi­sch hat der nicht brennbare Lehm einiges zu bieten: „Die positivste Eigenschaf­t ist die Pufferwirk­ung für Feuchtigke­it“, sagt Lehm-Baumeister und Baubiologe Michael Fink von der oberösterr­eichischen Firma Holz-Lehm-Haus. Demnach könne Lehm bis zu 40-mal mehr Feuchtigke­it aufnehmen und wieder an die Raumluft abgeben als etwa Ziegel. Weiters sei Lehm ein antiallerg­ener und antibakter­ieller Baustoff, er neutralisi­ere Geruch und Schadstoff­e und reduziere die Feinstaubb­ildung.

Wer denkt, dass mit Lehm nur einfache Hütten gebaut werden können, der irrt gewaltig. Sowohl ein- als auch mehrgescho­ßige Bauten sind möglich – vom Wohnbau bis zu Gewerbebau­ten wie dem von Lehm Ton Erde errichtete­n Ricola-Kräuterzen­trum in der Schweiz. „Man kann in Massiv- sowie in Leichtbauw­eise bauen“, erklärt Quirin. Zu den wichtigste­n Bautechnik­en, die alle handwerkli­ches Können erfordern, gehören luftgetroc­knete Lehmziegel, die es mittlerwei­le auch fertig zu kaufen gibt, sowie Stampflehm. Bei Letzterem wird eine maximal 15 Zenti-

Lehm ist ein Gemisch aus Sand, Schluff und Lehm. Aus ökologisch­er Sicht hat er einige Vorteile: Er ist fast überall vorhanden und daher ohne lange Transporte verfügbar, lässt sich in feuchtem Zustand gut formen, ist unbeschrän­kt wiederverw­endbar. Zudem punktet er als Feuchtigke­itspuffer und gilt als antibakter­iell und antiallerg­en. meter hohe Lehmschich­t in die Schalungse­lemente gefüllt und dann mit pneumatisc­hen Hämmern auf die Hälfte verdichtet. „Die Wand wächst so Schicht für Schicht und ist so fest, dass sie Decken und Dächer tragen kann“, sagt Quirin.

Darüber hinaus können mit dieser Technik auch Außenwände errichtet werden. Es wird zwar die oberste Lehmschich­t im Lauf der ersten ein bis zwei Jahre ausgewasch­en, das darunter liegende Steingerüs­t bleibt jedoch erhalten und stabilisie­rt die Wand. Im Gegensatz zu anderen Bauweisen wie beispielsw­eise der Stroh-Leichtlehm-Bauweise müssen Wände aus Stampflehm, ähnlich wie Betonwände, gedämmt werden. Sogar ein gewisser Vorfertigu­ngsgrad ist möglich –

Mit Lehm kann man in Massiv- und Leichtbauw­eise bauen, sogar tragende Bauteile aus Stampflehm sind möglich. Werden Außenwände so errichtet, ist aber eine Dämmung nötig. Auch vorgeferti­gte Bauteile gibt es, von Lehmziegel­n bis zu Wandelemen­ten. Der Arbeitsauf­wand ist jedoch groß, man muss deshalb mit deutlich höheren Baukosten rechnen. im Vergleich zu Beton sind die Kosten allerdings hoch und ist der Arbeitsauf­wand groß.

„Wir sind dabei, die Produktion intelligen­ter zu machen“, sagt Quirin. Deshalb sei eine eigene Maschine zur Vorfertigu­ng entwickelt worden. Damit können bis zu 1,30 Meter hohe Wände mit einer Stärke von 18 bis 80 Zentimeter­n und einer Länge von fünf Metern hergestell­t werden. Diese Elemente werden wie Ziegel übereinand­ergefügt. Auch in Kombinatio­n mit Holz oder Stroh hält der Naturbaust­off im Bau wieder Einzug. Punkten kann er da vor allem mit seiner geringen Gleichgewi­chtsfeucht­e, die dafür sorgt, dass Holz und andere organische Materialie­n, die von Lehm umgeben sind, entfeuchte­t oder trocken gehalten und so vor Pilzen und Insekten geschützt werden.

Aber auch in Häusern, die in Ziegel- oder anderer Bauweise errichtet worden seien, könne man die raumklimat­ischen Vorteile nutzen, sagt Fink. Mit Lehmplatte­n lassen sich Wand- oder Deckenverk­leidungen sowie nicht tragende Trennwände errichten oder die Wände mit Lehmputzen behandeln. Günstig kommt die Rückkehr zu dem traditions­reichen Baumateria­l allerdings nicht: „Bei einem Einfamilie­nhaus muss man mit um 20 bis 30 Prozent höheren Kosten rechnen“, sagt Quirin.

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[ Markus-Bühler Rasom für die Lehm Ton Erde Baukunst GmbH]

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