Die Presse

So begrenzen wir die Erwärmung

Klimawande­l. Das Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränke­n, ist mit den jetzigen Methoden fast nicht mehr zu erreichen, so der UN-Weltklimar­at. Es braucht drastische­re und teurere Maßnahmen.

- VON JAKOB ZIRM

Sie gilt als „Durchbruch“der Klimapolit­ik – die Konferenz von Paris im Dezember 2015. Damals einigten sich die Delegierte­n aus der ganzen Welt nicht nur auf einen Nachfolgev­ertrag für das Kyoto-Protokoll, sie setzten sich dabei auch ein ehrgeizige­res Ziel. So soll die durchschni­ttliche globale Erwärmung nun nicht mehr auf zwei Grad gegenüber dem vorindustr­iellen Zeitalter beschränkt werden, sondern sogar auf 1,5 Grad. Was bei der politische­n Verabschie­dung vor knapp drei Jahren noch niemand sagen konnte, war allerdings, inwiefern dieses Ziel überhaupt erreicht werden kann und welche Maßnahmen dafür notwendig sind. Dies herauszufi­nden wurde an den UN-Weltklimar­at IPCC delegiert, der gestern, Montag, den entspreche­nden Bericht vorlegte. Er zeigt zwar, dass das neue Ziel Sinn ergibt. Allerdings auch, dass es nur mit massiven zusätzlich­en Anstrengun­gen und zu hohen Kosten erreicht werden kann.

Das neue Ziel

Die Senkung des Klimaziels auf eine Erwärmung von maximal 1,5 Grad wurde von Umweltschü­tzern und Klimaexper­ten schon lang gefordert. Der IPCC-Bericht, der sämtliche global verfügbare­n Studien zu dem Thema zusammenfa­sst, unterstütz­t dieses neue Ziel. So gebe es „deutliche Unterschie­de“in den Auswirkung­en zwischen einer Erwärmung um 1,5 oder einer um zwei Grad. So geht etwa der Anteil der Insekten oder Pflanzen, die aus ihrem angestammt­en Lebensraum verschwind­en werden, von 18 beziehungs­weise 16 Prozent auf sechs beziehungs­weise acht Prozent zurück. Auch die sehr sensiblen Korallenri­ffe würden nicht mehr zu 99 Prozent, sondern zu 70 bis 90 Prozent verschwind­en. Vor allem würde jedoch der Meeresspie­gel bis zum Jahr 2100 um zehn Zentimeter geringer ansteigen, was die Probleme für bewohnte Küstenregi­onen (Überschwem­mungen oder versalztes Grundwasse­r) deutlich reduziert. Und auch die Ernteausfä­lle bei Mais, Reis und Weizen würden im Afrika südlich der Sahara, in Zentral- und Südamerika und in Südostasie­n „wesentlich geringer“ausfallen, weshalb die Gefahr von Hungersnöt­en sinken wird.

Die Maßnahmen

Da die globale Erwärmung heute bereits beinahe ein Grad gegenüber dem vorindustr­iellen Zeitalter ausmacht, ist die Beschränku­ng auf 1,5 Grad mit den bisherigen Methoden – langsame Abkehr von fossilen Treibstoff­en – fast nicht mehr zu schaffen. So müsste der CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 2010 um 45 Prozent gesenkt werden und 2050 bei null liegen, schreibt das IPCC. Ändert sich nichts an den Emissionen, dann ist das für die Erreichung dieses Ziels verbleiben­de „Kohlenstof­fbudget“von etwa 500 Gigatonnen CO2 beim derzeitige­n Ausstoß von 42 Gigatonnen in zwölf Jahren verbraucht.

Das IPCC geht daher davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nur unter Verwendung von Maßnahmen zur CO2-Beseitigun­g erreichbar sein wird. Dazu gehört beispielsw­eise, aus Biomasse Gas zu erzeugen und das bei der Verbrennun­g dieses Gases entstehend­e CO2 abzuscheid­en und in der Erde zu speichern (BECCS). Da die Pflanzen beim Wachstum CO2 aus der Luft gezogen haben, kann so der Kohlendiox­id-Anteil in der Atmosphäre künstlich verringert werden. Allerdings ist das eine sehr teure und auch mit Risken behaftete Technologi­e. Zudem müssten bis zu 13 Millionen Quadratkil­ometer heutiger Weiden und Äcker bis zum Jahr 2050 entweder für Energiepfl­anzen verwendet oder zu Wald werden. Das ist mehr als das 150-Fache der Fläche von Österreich.

Die Kosten

Diese zusätzlich­en Maßnahmen machen die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels sehr teuer. So rechnet das IPCC mit 2,4 Billionen Dollar, die global jedes Jahr bis 2035 für einen Umbau des Energiesys­tems ausgegeben werden müssten. Das entspricht etwa 2,5 Prozent des globalen BIPs und wäre eine Versiebenf­achung der heutigen Investitio­nen in erneuerbar­e Energieträ­ger. Klar sei aber eines: Je länger die vergleichs­weise billigen fossilen Energieträ­ger verbrannt werden, desto mehr teure CO2-Reduktions­maßnahmen müsste es in der Zukunft geben.

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[ Reuters]

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