Österreich erwägt Austritt aus Migrationspakt der UNO
Vorbehalte. Nach den USA und Ungarn steht auch die türkis-blaue Regierung knapp davor, aus dem UNAbkommen auszusteigen.
Wien. Monatelang, bis 13.Juli 2018, verhandelten Diplomaten aus mehr als 190 Staaten unter dem Dach der UNO einen globalen Migrationspakt. Möglich war die Einigung nur, weil schon in der Präambel schwarz auf weiß steht, dass das 34seitige Papier rechtlich nicht bindend ist. US-Präsident Trump zog sich trotzdem schon während der Verhandlungen zurück, Ungarns Premier Orban´ gleich nach Abschluss der Gespräche. Demnächst könnte Österreich ausscheren. Nach Informationen der „Presse“erwägt die Bundesregierung ernsthaft einen Ausstieg aus dem Migrationspakt, den Staatsvertreter aus aller Welt bei einer Konferenz am 10. Dezember in Marokko absegnen wollen.
Beim Familienfest der FPÖ im Prater stellte Parteichef Strache jüngst klar, dass der Migrationspakt der UNO niemals freiheitliche Unterstützung finden werde. Seit Wochen machen blaue Medienplattformen dagegen mobil. Doch auch Kanzler Kurz sieht die UN-Vereinbarung skeptisch. Seine Juris- ten befürchten, dass der Migrationspakt langfristig Bindungswirkung entfalten könnte, wenn sich nämlich Gerichte darauf beziehen. Der Pakt enthält neben Bekenntnissen zu Menschenrechten 23 Zielerklärungen, um Migration zu steuern. Das reicht von der Daten-Erfassung bis zur Idee, humanitäre Visa auszustellen und Klimaflüchtlinge anzuerkennen. Migranten, so heißt es an einer Stelle, die Kritikern missfällt, sollen Zugang zu Arbeitsmärkten und sozialen Sicherungssystemen erhalten. Australiens Regierung behagt nicht, dass Alternativen für Migrantenhaftzentren gefordert werden. Doch das Dokument enthält auch Appelle zum Kampf gegen Menschenschmuggel. Und es werden darin alle Staaten aufgerufen, abgeschobene Migranten wieder zurückzunehmen.
Weisungen aus dem Außenamt
Dennoch hat der Pakt Sprengkraft für die türkis-blaue Regierung. Es geht um die innenpolitische Positionierung bei einem Thema, das für beide Parteien wichtig ist. Seit Ende des Sommer ringen sie um eine Linie. Einig sind sich die Spitzen von ÖVP und FPÖ mittlerweile in einem Punkt: In der jetzigen Form, ohne Zusatz, wollen sie den Migrationspakt nicht unterschreiben. Beide Seiten ließen im Außenamt den Wunsch nach Neuverhandlungen deponieren. Das jedoch ist illusorisch: Die übrigen UN-Mitglieder werden das Paket kaum aufschnüren. Als zweite Option gilt, dass Österreich – mit anderen Zweiflern wie Australien, Dänemark, Italien, Polen und die Schweiz – einen Vorbehalt formuliert, in dem es die Unverbindlichkeit des UNO-Papiers unterstreicht. Es wäre eine Fleißaufgabe, denn so steht es in der Präambel. Bleibt die dritte Option: der Ausstieg.
Das freilich würde für Verwunderung sorgen in der internationalen Gemeinschaft. Denn in den fünf New Yorker Verhandlungsrunden zum Migrationspakt seit Februar war Österreich stets durch einen Diplomaten vertreten. Und dieser Beamte agierte nicht, wie es ihm gerade passte, sondern auf Basis von Weisungen aus dem Außenamt in Wien, das zu diesem Zeitpunkt bereits die von der FPÖ nominierte Karin Kneissl führte. Eingebunden war auch das Innenministerium, an das im Februar der Textentwurf für den Migrationspakt erging. Und auch das Bundeskanzleramt war im Bilde, spätestens als Österreich Ende März als kommender Ratsvorsitzender gebeten wurde, bei den Verhandlungen für die gesamte EU zu sprechen – mit Ausnahme Ungarns, das schon damals eine eigene ablehnende Haltung einnahm.
Die Zündschnur der Regierungsparteien war also ziemlich lang. Lassen sie die Bombe noch vor Ende des EU-Ratsvorsitzes platzen? Nicht unbedingt. Bei der Dezember-Konferenz in Marokko wird der Migrationspakt nur per Akklamation angenommen, aber nicht unterzeichnet. Der österreichische Repräsentant – sicher nur ein Beamter und kein Regierungsmitglied – könnte dann ja, so überlegt man jetzt schon, den Saal verlassen. Es wäre eine österreichische Lösung.