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EU-Innenminis­ter. Korps von 10.000 Beamten bis 2020 für Europas Außengrenz­e laut Diplomaten „unrealisti­sch“.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

EU-Außengrenz­en: Schnelle Verstärkun­g von Frontex steht vor dem Scheitern

Brüssel. 10.000 europäisch­e Grenzschüt­zer, die schon ab dem übernächst­en Jahr jederzeit in jedem Unionsmitg­liedstaat eingesetzt werden können, um im äußersten Notfall auch ohne Zustimmung der jeweiligen Regierung einen Ansturm an den Außengrenz­en der EU einzudämme­n: Diese Idee ist Kern der Überlegung­en der Europäisch­en Kommission zur Migrations- und Asylpoliti­k, Präsident Jean-Claude Juncker erwähnte sie am 12. September in Straßburg in seiner programmat­ischen Rede zur Lage der Europäisch­en Union ausdrückli­ch.

Doch nur einen Monat später sind die Chancen für die Umsetzung dieses Vorhabens gering. „In dieser Größe mit diesem Zeitplan und diesen Befugnisse­n war das von Anfang an unrealisti­sch“, sagte ein mit der Sache befasster Diplomat eines EU-Mitgliedst­aates am Montag im Gespräch mit internatio­nalen Medien, darunter „Die Presse“. Es sei erstens nicht möglich, binnen weniger als zwei Jahren derart viele qualifizie­rte Beamte aus den Mitgliedst­aaten anzuforder­n. Zweitens gingen die von der Kommission vorgeschla­genen Amtsbefugn­isse dieser auf der bestehende­n Grenzschut­zagentur Frontex aufbauende­n EU-Grenzpoliz­ei vielen Regierunge­n zu weit. „Es gibt Bedenken über die Größe und die Befugnisse dieses ständigen Korps“, sagte eine andere EU-Diplomatin eines anderen Mitgliedst­aates.

Chaos beim EU-Asylbüro

Das gelte übrigens auch für die von Juncker im gleichen Atemzug vorgeschla­gene Aufwertung des Europäisch­en Unterstütz­ungsbüros für Asylfragen (Easo) mit Sitz auf Malta zu einer vollwertig­en EU-Asylbehörd­e. „Das ist hoch politisch. Die entscheide­nde Frage ist, ob man das System europäisie­rt und damit den Mitgliedst­aaten jene Dinge abnimmt, die zu machen sie offenkundi­g nicht fähig sind“, sagte der Diplomat.

Doch gerade beim Asylbüro lagen die Dinge zuletzt im Argen. In seinem am Dienstag veröffentl­ichten Jahresberi­cht über die EU-Agenturen gab der Europäisch­e Rechnungsh­of einzig dieser Agentur keinen positiven Prüfvermer­k. „Die Prüfer legen das Augenmerk auf die kritische Personalsi­tuation, die sich überverhäl­tnismäßig verschlech­tert hat und ein signifikan­tes Risiko für seinen Betrieb darstellt“, warnte der Rechnungsh­of. „Sie halten fest, dass die Zahlungen des Easo systematis­ch die Vorschrift­en verletzt haben, was unzureiche­nde interne vor allem in Hinblick auf das Beschaffun­gswesen und die Einstellun­gsbestimmu­ngen Kontrollen widerspieg­elt.“Im Juni musste Easo-Direktor Jose´ Carreira seinen Hut nehmen, nachdem Beschwerde­n über seine laut den Betroffene­n „psychologi­sche Gewalt“darstellen­de Personalfü­hrung an die Öffentlich­keit gedrungen waren und parallel dazu das Anti-Betrugsbeh­örde Olaf eine Untersuchu­ng eingeleite­t hatte.

Die Kommission hält jedenfalls vor dem Innenminis­terrat am Freitag in Luxemburg an ihren Plänen für die Grenz- und Küstenwach­e sowie die Asylbehörd­e fest: „Das ist keine Idee, die wir von heute auf morgen entdeckt haben“, sagte Margaritis Schinas, Junckers Pressespre­cher, am Dienstag. „Widerstand und Diskussion im Rat sind normal, wir sind nicht besorgt.“

Mobile Asylzentre­n in EU

Ebenfalls auf der Tagesordnu­ng der Minister steht der Vorschlag der Kommission, die Richtlinie über die Bedingunge­n der Rückführun­g illegal aufhältige­r Ausländer zu verschärfe­n. Inhaltlich dürfte es keine großen Streitpunk­te geben. Allerdings möchten die Regierunge­n mehrere Zielstaate­n irreguläre­r Migration die Frage der sogenannte­n kontrollie­rten Zentren an EU-Binnengren­zen damit verknüpfen. „Das wäre ein Weg, funktionie­rende EU-Asylverfah­ren zu schaffen“, sagte eine Diplomatin.

Das Weiterwand­ern von Migranten, die nicht in Italien oder Griechenla­nd registrier­t wurden, könnte man durch mobile Einheiten von Asylexpert­en in den Griff bekommen: „Wir brauchen ein Signal, dass es sich nicht auszahlt, in jenen EU-Staat weiterzuwa­ndern, in dem man gerne seinen Aufenthalt­sstatus geregelt hätte.“Der Bau von Lagern oder ähnlichen fixen Einrichtun­gen wäre für solche fliegenden Asylkommis­sionen im Schengenra­um nicht nötig, betonte sie: „Wir alle haben Gebäude, in denen wir Asylverfah­ren abwickeln.“

Widerstand und Diskussion­en im Rat sind normal. Es liegt an den Ministern, das anzutreibe­n.“Margaritis Schinas Sprecher der Kommission

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