Was Zugangsbeschränkungen bringen
Studium. Die Unis können bald in weiteren Fächern Aufnahmetests einführen. Wirkt das abschreckend, ist es ein Bonus für Akademikerkinder oder ein Anreiz, schneller zu studieren?
Wien. Es gibt immer mehr Zugangsbeschränkungen an den Universitäten. An der Universität Wien werden, wie diese vergangene Woche verkündete, ab 2019 sieben zusätzliche Fächer betroffen sein – darunter Jus, Anglistik und Soziologie („Die Presse“berichtete). Möglich macht das die neue Studienplatzfinanzierung. Welche Fächer an welchen Unis tatsächlich betroffen sind, soll spätestens zu Jahresende klar sein.
Bekannt ist, dass die Uni Klagenfurt vorerst auf neue Hürden verzichtet. Die Wirtschaftsuniversität hat hingegen bereits angekündigt, Aufnahmeverfahren in Wirtschaftsrecht einführen zu wollen. Doch was bewirken Schranken?
1 Schrecken Aufnahmeverfahren Studierende ab?
In den meisten Fächern tun sie das nicht. Die Anmeldezahlen zum Medizinaufnahmetest steigen etwa von Jahr zu Jahr weiter. Auch in Psychologie bremste die Einführung von Zugangsbeschränkungen die Bewerberzahl vorerst nicht. Es gibt aber auch Fächer, in denen allein die Ankündigung von Tests die Bewerberzahlen sinken lassen. Zu diesen zählt etwa Publizistik. Der Effekt war hier nicht unerwünscht. Durch die Einführung einer Aufnahmeprüfung erhoffte man sich eine bewusstere Studienwahl. Die Anfänger sollten sich eingehender mit ihrer Wahl auseinandersetzen. Das führte in vielen Fächern, wie etwa in Wirtschaftswissenschaften, dazu, dass die Zahl der Anmeldungen teilweise unter der Zahl der Studienplätze lag. Tests waren damit obsolet.
2 Sind die Studierenden aktiver und schließen sie früher ab?
Psychologie ist ein Beispiel, das die Uni Wien zuletzt brachte, um zu zeigen, wie die Erfolgsquoten mit Zugangsbeschränkungen steigen: Demnach gab es dort im letzten Jahr ohne Aufnahmetest 1478 Studienanfänger und 266 Absolventen. Zuletzt waren es 500 Studienplätze und 355 Absolventen. Laut Universitätsbericht hatten die Beschränkungen in Medizin ähnliche Effekte: weniger Studienabbrecher, raschere Abschlüsse. Unis mit Zu- gangsregelungen hätten demnach deutlich mehr prüfungsaktive Studierende (80 Prozent versus 50).
3 Sind die Zugangsbeschränkungen sozial selektiv?
In Medizin ist der Anteil der Akademikerkinder seit der Einführung der Beschränkungen laut Universitätsbericht um zehn Prozentpunkte gestiegen. Die Verschiebungen in Medizin – auch in Zahn- und Tiermedizin – stellte auch die WUSozialökonomin Katharina Posch fest, die die genauen Kausalitäten aber weiter untersuchen wollte. In anderen Fächern wie Psychologie, Publizistik, Wirtschaft oder Biologie hat sich die soziale Zusammensetzung demnach dagegen kaum oder gar nicht verändert. Laut Evaluierung von IHS-Forscher Martin Unger trifft das auch auf die zuletzt beschränkten Fächer – u. a. Architektur, Pharmazie – zu. Es gab dort aber dann weniger ältere Studienanfänger. Anfänger aus dem Ausland kommen übrigens tendenziell aus höheren Schichten.
4 Schrecken Testgebühren die Studierenden ab?
Eines war bei der Einführung von Aufnahmetests auffallend: Es meldeten sich meist deutlich mehr Interessenten für ein Studienfach an, als schlussendlich beim Test erschienen. In einzelnen Fächern führten die Unis deshalb Gebühren ein. Für den Medizinaufnehmtest zahlt man zum Beispiel 110 Euro. Das steigerte die Verbindlichkeit tatsächlich.
5 Was tun Studierende, die keinen Platz bekommen?
Ein Effekt der Beschränkungen ist, dass abgelehnte Studenten in andere Fächer ausweichen – häufig nicht in die von Ex-Uni-Minister Reinhold Mitterlehner einst zitierten Weltraumwissenschaften, sondern in benachbarte Fächer: etwa Chemie (von Medizin) oder Wirtschaftsrecht (statt Wirtschaft). Genau diese beiden Fächer werden an der Uni Wien und an der WU künftig auch beschränkt werden.
6 Wird es am Ende weniger Studienanfänger geben?
Die SPÖ warnt davor, dass mit der aktuellen Reform 20.000 Studienplätze wegfallen. Laut IHS-Forscher Unger sind die Auswirkungen schwierig abzuschätzen: Man könne zwar berechnen, wie viele Plätze wegfallen. Das bedeute aber nicht automatisch, dass genau so viele Studenten vor der Tür stehen. Denn Studenten inskribieren oft mehrere Fächer. Noch haben sie Ausweichmöglichkeiten in andere Fächer. Heikler wird es laut Unger, wenn auch die beschränkt werden.
AUF EINEN BLICK
Bis Jahresende müssen alle 21 Unis mit dem Bildungsressort ihre Budgets für die nächsten drei Jahre verhandeln. Die neue Studienplatzfinanzierung bringt u. a. die Möglichkeit, Zugangsbeschränkungen einzuführen. Österreichweit möglich sind neue Schranken in Jus, Fremdsprachen und Erziehungswissenschaften. Lokal können auch Fächer beschränkt werden, die an der jeweiligen Uni überlaufen sind.