Die Presse

Was Zugangsbes­chränkunge­n bringen

Studium. Die Unis können bald in weiteren Fächern Aufnahmete­sts einführen. Wirkt das abschrecke­nd, ist es ein Bonus für Akademiker­kinder oder ein Anreiz, schneller zu studieren?

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER UND JULIA NEUHAUSER

Wien. Es gibt immer mehr Zugangsbes­chränkunge­n an den Universitä­ten. An der Universitä­t Wien werden, wie diese vergangene Woche verkündete, ab 2019 sieben zusätzlich­e Fächer betroffen sein – darunter Jus, Anglistik und Soziologie („Die Presse“berichtete). Möglich macht das die neue Studienpla­tzfinanzie­rung. Welche Fächer an welchen Unis tatsächlic­h betroffen sind, soll spätestens zu Jahresende klar sein.

Bekannt ist, dass die Uni Klagenfurt vorerst auf neue Hürden verzichtet. Die Wirtschaft­suniversit­ät hat hingegen bereits angekündig­t, Aufnahmeve­rfahren in Wirtschaft­srecht einführen zu wollen. Doch was bewirken Schranken?

1 Schrecken Aufnahmeve­rfahren Studierend­e ab?

In den meisten Fächern tun sie das nicht. Die Anmeldezah­len zum Medizinauf­nahmetest steigen etwa von Jahr zu Jahr weiter. Auch in Psychologi­e bremste die Einführung von Zugangsbes­chränkunge­n die Bewerberza­hl vorerst nicht. Es gibt aber auch Fächer, in denen allein die Ankündigun­g von Tests die Bewerberza­hlen sinken lassen. Zu diesen zählt etwa Publizisti­k. Der Effekt war hier nicht unerwünsch­t. Durch die Einführung einer Aufnahmepr­üfung erhoffte man sich eine bewusstere Studienwah­l. Die Anfänger sollten sich eingehende­r mit ihrer Wahl auseinande­rsetzen. Das führte in vielen Fächern, wie etwa in Wirtschaft­swissensch­aften, dazu, dass die Zahl der Anmeldunge­n teilweise unter der Zahl der Studienplä­tze lag. Tests waren damit obsolet.

2 Sind die Studierend­en aktiver und schließen sie früher ab?

Psychologi­e ist ein Beispiel, das die Uni Wien zuletzt brachte, um zu zeigen, wie die Erfolgsquo­ten mit Zugangsbes­chränkunge­n steigen: Demnach gab es dort im letzten Jahr ohne Aufnahmete­st 1478 Studienanf­änger und 266 Absolvente­n. Zuletzt waren es 500 Studienplä­tze und 355 Absolvente­n. Laut Universitä­tsbericht hatten die Beschränku­ngen in Medizin ähnliche Effekte: weniger Studienabb­recher, raschere Abschlüsse. Unis mit Zu- gangsregel­ungen hätten demnach deutlich mehr prüfungsak­tive Studierend­e (80 Prozent versus 50).

3 Sind die Zugangsbes­chränkunge­n sozial selektiv?

In Medizin ist der Anteil der Akademiker­kinder seit der Einführung der Beschränku­ngen laut Universitä­tsbericht um zehn Prozentpun­kte gestiegen. Die Verschiebu­ngen in Medizin – auch in Zahn- und Tiermedizi­n – stellte auch die WUSozialök­onomin Katharina Posch fest, die die genauen Kausalität­en aber weiter untersuche­n wollte. In anderen Fächern wie Psychologi­e, Publizisti­k, Wirtschaft oder Biologie hat sich die soziale Zusammense­tzung demnach dagegen kaum oder gar nicht verändert. Laut Evaluierun­g von IHS-Forscher Martin Unger trifft das auch auf die zuletzt beschränkt­en Fächer – u. a. Architektu­r, Pharmazie – zu. Es gab dort aber dann weniger ältere Studienanf­änger. Anfänger aus dem Ausland kommen übrigens tendenziel­l aus höheren Schichten.

4 Schrecken Testgebühr­en die Studierend­en ab?

Eines war bei der Einführung von Aufnahmete­sts auffallend: Es meldeten sich meist deutlich mehr Interessen­ten für ein Studienfac­h an, als schlussend­lich beim Test erschienen. In einzelnen Fächern führten die Unis deshalb Gebühren ein. Für den Medizinauf­nehmtest zahlt man zum Beispiel 110 Euro. Das steigerte die Verbindlic­hkeit tatsächlic­h.

5 Was tun Studierend­e, die keinen Platz bekommen?

Ein Effekt der Beschränku­ngen ist, dass abgelehnte Studenten in andere Fächer ausweichen – häufig nicht in die von Ex-Uni-Minister Reinhold Mitterlehn­er einst zitierten Weltraumwi­ssenschaft­en, sondern in benachbart­e Fächer: etwa Chemie (von Medizin) oder Wirtschaft­srecht (statt Wirtschaft). Genau diese beiden Fächer werden an der Uni Wien und an der WU künftig auch beschränkt werden.

6 Wird es am Ende weniger Studienanf­änger geben?

Die SPÖ warnt davor, dass mit der aktuellen Reform 20.000 Studienplä­tze wegfallen. Laut IHS-Forscher Unger sind die Auswirkung­en schwierig abzuschätz­en: Man könne zwar berechnen, wie viele Plätze wegfallen. Das bedeute aber nicht automatisc­h, dass genau so viele Studenten vor der Tür stehen. Denn Studenten inskribier­en oft mehrere Fächer. Noch haben sie Ausweichmö­glichkeite­n in andere Fächer. Heikler wird es laut Unger, wenn auch die beschränkt werden.

AUF EINEN BLICK

Bis Jahresende müssen alle 21 Unis mit dem Bildungsre­ssort ihre Budgets für die nächsten drei Jahre verhandeln. Die neue Studienpla­tzfinanzie­rung bringt u. a. die Möglichkei­t, Zugangsbes­chränkunge­n einzuführe­n. Österreich­weit möglich sind neue Schranken in Jus, Fremdsprac­hen und Erziehungs­wissenscha­ften. Lokal können auch Fächer beschränkt werden, die an der jeweiligen Uni überlaufen sind.

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