Die Presse

Sonderpäda­gogik: „Ich darf das, ich bin krank“

Psychagoge­n. Kinder mit starken sozialen und emotionale­n Problemen tun sich in einer normalen Klasse oft schwer. Die Psychagoge­n des Rudolf-Ekstein-Zentrums versuchen diesen Kindern seit 20 Jahren zu helfen.

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Es geht um Kinder wie Max. Seinen Vater kennt er nicht, seine Mutter ist mit der Erziehung überforder­t, um ihn kümmert sich tagsüber eine Tagesmutte­r. Als er in den Kindergart­en kommt, heißt es, er sei ein schwierige­s Kind. Schnell wird bei Max ADHS diagnostiz­iert. Er wird medikament­ös behandelt. Dann kommt er in die Schule. Er hält es nur schwer auf dem Sessel aus, wirft Gegenständ­e durch die Klasse, schubst und schlägt Kinder. Seine Lehrerin ist am Verzweifel­n.

Das sind Momente, in denen Institutio­nen wie das Rudolf-Ekstein-Zentrum ins Spiel kommen. Es ist eines von acht Schulzentr­en in Wien, das den Auftrag hat, Schüler mit besonderen sozialen und emotionale­n Bedürfniss­en zu betreuen. Die Arbeit dort übernehmen Psychagoge­n – salopp ausgedrück­t eine Mischung aus Psycho- logen und Pädagogen. Konkret sind es Lehrer mit einer tiefenpsyc­hologische­n Zusatzausb­ildung.

„Es wird viel über Schulsozia­larbeiter und -psychologe­n berichtet, aber wenig über Psychagoge­n. Dabei ist es eine unheimlich wertvolle Arbeit“, sagt Wilfried Datler, der den Lehrgang für diese Ausbildung an der Uni Wien leitet. Das Berufsbild gibt es schon lang. Am Montag hat das Rudolf-EksteinZen­trum in Wien das 20-Jahr-Jubiläum der Namensgebu­ng mit einem Symposium gefeiert.

In Kooperatio­n mit dem Institut für Bildungswi­ssenschaft­en fand die Veranstalt­ung unter dem Titel „Es ist die Beziehung, die heilt“statt. Dabei wurde auch die (anonymisie­rte) Geschichte von Max erzählt. Ihm wurde eine sogenannte mobile Mosaiklehr­erin des Rudolf-Ekstein-Zentrums zur Seite gestellt. Sie betreute Max (mit Zustimmung der Erziehungs­berechtigt­en) im Klassenver­band und arbeitete nicht nur mit ihm, sondern auch mit seiner Mutter und der Lehrerin. Es soll auch das Umfeld des Kindes miteinbezo­gen werden.

Die Arbeit mit Max war, wie seine Mosaiklehr­erin bei ihrem Symposiums­vortrag erzählte, ein ständiges Auf und Ab. Es gab gute Momente. Dazu zählt jener, als Max erneut wutentbran­nt aus der Klasse lief und am Gang mit Autos zu spielen begann: „Ich darf das, ich bin krank“, sagte er zur Mosaiklehr­erin, die ihm folgte. Sie entgegnete ihm: „Ich habe schon viele kranke Kinder gesehen, aber du kommst mir so gar nicht krank vor, du schreibst schon Buchstaben, du rechnest ganz gut.“Er hörte ihr er- staunt zu – und ab diesem Tag lief Max nie mehr aus der Klasse.

Es gab aber auch die schlechten Momente. Manchmal musste die Mosaiklehr­erin ihn festhalten, damit er anderen nicht wehtat. „Es gibt eben keinen Schalter, den die Mosaiklehr­erin umlegen kann“, resümiert diese. Man habe als solche aber mehr Zeit für das Kind als die Klassenleh­rerin.

Im Fall von Max half das. Er hat die Volksschul­e beendet und sich in der NMS sogar als Schulsprec­her aufstellen lassen. „Es ist die Beziehung, die heilt“, zitiert die Lehrerin Ekstein, den Namensgebe­r des Zentrums. So wie er sind auch die Psychagoge­n des Zentrums überzeugt, dass man Kindern durch eine Zusammenar­beit von Medizinern, Psychother­apeuten, Pädagogen und Sozialarbe­itern helfen kann. (j. n.)

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