Die Presse

Frühpensio­nisten sterben früher

Studie. Vier Forscher untersucht­en den Zusammenha­ng zwischen Frühpensio­nierungen im Zuge der österreich­ischen Stahlkrise und der Sterberate. Die Ergebnisse lassen aufhorchen.

- VON CHRISTIAN HÖLLER

Aus Spargründe­n kommt es immer wieder vor, dass ältere Mitarbeite­r in Frühpensio­n geschickt werden. Doch damit wird den Betroffene­n nicht immer ein guter Dienst erwiesen. Denn eine Pensionier­ung kann bei manchen Menschen zu weniger körperlich­en und geistigen Aktivitäte­n sowie einer Zunahme von ungesundem Verhalten führen.

Wissenscha­ftler von der Universitä­t Zürich zeigen in einer nun veröffentl­ichten Studie, dass es einen Zusammenha­ng zwischen einem frühen Pensionsan­tritt und der Sterblichk­eit gibt. Für die Erhebung wurde die Frühpensio­nierungswe­lle im Zusammenha­ng mit der österreich­ischen Stahlindus­trie in den späten 1980er-Jahren unter die Lupe genommen.

Überkapazi­täten und ein ruinöser Wettbewerb führten dazu, dass die Stahlindus­trie weltweit in eine schwere Krise rutschte. In vielen Ländern wurde über Massenentl­assungen diskutiert. Die österreich­ische Stahlindus­trie befand sich damals in staatliche­r Hand. Die Konzerne waren gezwungen, Kapazitäte­n zu reduzieren und Mitarbeite­r abzubauen. Daher wurde in der Regierungs­zeit von Bundeskanz­ler Franz Vranitzky (SPÖ) und Vizekanzle­r Alois Mock (ÖVP) im Juni 1988 ein Frühpensio­nierungspr­ogramm vorgestell­t.

Das Besondere an dem Programm war, dass es auf bestimmte Regionen, die von der Stahlkrise stark betroffen waren, beschränkt wurde. Dabei handelte es sich unter anderem um die Obersteier­mark, den Großraum von Linz, das Mühlvierte­l (wo viele Voest-Mitarbeite­r nach Linz pendelten) und Teile von Niederöste­rreich.

Um ältere Arbeiter in diesen Regionen vor ungünstige­n Bedingunge­n auf dem Arbeitsmar­kt zu schützen, sah das Programm vor, dass die Auszahlung des Arbeitslos­engeldes um mehrere Jahre verlängert wurde. Danach konnten die betroffene­n Menschen in die Pension wechseln. Dafür mussten die Arbeiter folgende Kriterien er- füllen: Sie mussten mindestens 50 Jahre alt sein, eine längere Arbeitsges­chichte vorweisen (sie mussten in den letzten 25 Jahren mindestens 15 Jahre lang gearbeitet haben) und mindestens sechs Monate in den ausgewählt­en Regionen gewohnt haben. Das Programm konnten Männer und Frauen in Anspruch nehmen.

Für die Erhebung griffen die Forscher auf die Daten der Sozialvers­icherungst­räger zurück. Sie fanden heraus, dass ein früher Rückzug von der Arbeitswel­t deutliche Auswirkung­en auf die Sterb-

haben in einer nun publiziert­en Langzeitst­udie die Frühpensio­nierungswe­lle im Zuge der österreich­ischen Stahlkrise in den späten 1980er-Jahren unter die Lupe genommen. Demnach gab es bei Männern, die früher in den Ruhestand gingen, ein signifikan­t höheres Sterblichk­eitsrisiko. Bei Frauen gab es hingegen keine Auswirkung­en. Sie konnten mit der Frühpensio­nierung wesentlich besser umgehen. lichkeit bei Männern, aber nicht bei Frauen hat. So erhöhte ein zusätzlich­es Jahr in Frühpensio­n bei Männern das Risiko, vor dem 73. Lebensjahr zu sterben um 1,85 Prozentpun­kte. Zudem reduzierte jedes zusätzlich­e Jahr in Frühpensio­n bei Männern das Todesalter um 0,2 Jahre.

Interessan­t ist, dass in der Studie bei Frauen keine Auswirkung­en festgestel­lt wurden. Die Forscher gehen davon aus, dass Frauen leichter mit wichtigen Lebenserei­gnissen wie einer Frühpensio­nierung umgehen können und dass Frauen auch weniger stark am Verlust des sozialen Status leiden, der mit Arbeitslos­igkeit einhergeht.

Bei der Studie ist außerdem zu berücksich­tigen, dass es sich hier um sogenannte Blue Collar Workers handelt. Gemeint sind Industriea­rbeiter, die oft in körperlich anstrengen­den Arbeitsfel­dern tätig sind, was ebenfalls entspreche­nde Auswirkung­en auf die Gesundheit und die Sterblichk­eit haben kann.

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