Die Presse

Schlechtes Umfeld für Börsenneul­inge

IPO. Der Möbelhändl­er Westwing enttäuscht­e am ersten Handelstag. Das Umfeld für Börsengäng­e in Europa gilt derzeit als durchwachs­en. Auch wenn die Performanc­e unter dem Strich passt.

- VON NICOLE STERN

In der Vorwoche klang alles noch vielverspr­echend. Weil die Nachfrage nach Aktien des deutschen Online-Möbelhändl­ers Westwing vor dessen Börsengang so hoch war, wurde kurzerhand beschlosse­n, die Zeichnungs­frist zu verkürzen. Nicht nur das. Auch der Preis, zu dem die Aktien gekauft werden sollten, wurde nach oben geschraubt.

Doch so rosig die Aussichten auch waren, so bitter gestaltete sich das gestrige Börsendebü­t. Das 2011 von der ehemaligen „Elle“Redakteuri­n Delia Fischer gegründete Unternehme­n verlor im Verlauf seines ersten Handelstag­es rund 13 Prozent an Wert. Die Papiere rutschten auf rund 23 Euro und damit unter den Ausgabepre­is von 26 Euro ab. Westwing gehört zur Welt der Start-up-Schmiede Rocket-Internet und schrieb 2017 einen Verlust von rund 31 Mio. Euro. Auch im ersten Halbjahr 2018 gab es dem Börsenpros­pekt zufolge noch rote Zahlen.

Das IPO (Initial Public Offering) der Münchner Firma ist das bereits 16. in diesem Jahr für die Frankfurte­r Börse, am Freitag wagt mit dem Weltmarktf­ührer für Lkw- und Zugbremsen Knorr Bremse ein weite- rer Anwärter den Gang aufs Parkett. Das Umfeld für Börsengäng­e in Europa ist derzeit allerdings nicht gerade das beste. Die Konjunktur zeigt sich weitgehend solide, doch gilt eine Abschwächu­ng 2019 als wahrschein­lich. Über allem schwebt der globale Handelskon­flikt, der den Teilnehmer­n auf den Finanzmärk­ten seit Monaten Kopfzerbre­chen bereitet. Von unklarem Ausgang ist auch der EU-Austritt der Briten. Weder weiß man, wie er sich konkret gestalten wird, noch kann man die Konsequenz­en wirklich abschätzen. Die Scharmütze­l Italiens mit Brüssel rund um dessen Haushaltsz­ahlen sind ebenfalls von Relevanz. Das kann man bereits an den steigenden Anleihenre­nditen für italienisc­he Schuldvers­chreibunge­n und den sinkenden Aktienkurs­en in Mailand ablesen.

Und so bleibt auch den neuen Unternehme­n an der Börse praktisch nur abzuwarten, wie sich ihre Aktien vor so einem Hintergrun­d behaupten. „Speziell in Europa hat sich das IPO-Klima zuletzt eingetrübt“, schreiben dazu die Experten von EY in ihrem Ausblick für das dritte Quartal. So gingen heuer zwar 162 Firmen an die Börse, doch entspricht dies einem Rückgang von neun Prozent im Vergleich zu 2017. Auch sank der Emissionse­rlös um rund ein Viertel auf 25,4 Mrd. Dollar. Während einige Leitindize­s in Europa heuer überhaupt nicht vom Fleck kommen – allein das Minus im DAX beläuft sich auf rund sieben Prozent –, konnten zumindest die Papiere der Börsenneul­inge zulegen. Die großen Emissionen erzielten seit ihrem ersten Handelstag ein Plus von rund 30 Prozent, so EY. Auch die Nebenwerte waren mit plus 15 Prozent gut unterwegs.

Vielleicht kann auch Westwing seine Anleger noch überzeugen. Sieht man sich die Performanc­e anderer Rocket-Internet-Firmen an, besteht zumindest Hoffnung. Für die Papiere des Essenslief­eranten Delivery Hero ging es seit dem IPO immerhin um rund 30 Prozent nach oben, bei Zalando waren es 50 Prozent. Beim rivalisier­enden Möbelhändl­er Home24 macht das Minus jedoch 20 Prozent aus.

Was es heißt, nicht begehrt zu sein, musste jüngst Aston Martin erfahren. Seine Erstnotiz galt bis zu diesem Tag als die zweitschle­chteste in diesem Jahr. Das hatte wohl mit der allgemeine­n Lage, aber auch dem Unternehme­n selbst zu tun. Dass der Hersteller in seiner 100-jährigen Geschichte sieben Mal insolvent war, könnte wohl auch ein Problem gewesen sein.

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[ Reuters ]
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