Und jährlich grüßt das Murmeltier
Tennis. Die 22-jährige Barbara Haas ist Österreichs einzige Top-200-Spielerin und seit Jahren Alleinunterhalterin. Das wird immer dann deutlich, wenn sie beim Heimturnier in Linz aufschlägt.
Seit Jahren hängt Österreichs Damentennis wie ein angeschlagener Boxer in den Seilen, weiß sich irgendwie nicht nicht aus dieser misslichen Lage zu befreien. Die 22-jährige Barbara Haas fungierte in der gar nicht mehr so jungen Vergangenheit als Einzelkämpferin. Seit Yvonne Meusburgers Rücktritt Anfang 2015 – die Vorarlbergerin kletterte bis auf Platz 37 der Weltrangliste – sucht der ÖTV händeringend nach einer adäquaten Nachfolgerin. Haas konnte den hohen Erwartungen bisweilen nicht gerecht werden. Anstatt wie allgemein erhofft Richtung Top 100 zu schnellen, hat die Entwicklung der Oberösterreicherin zuletzt stagniert. Als aktuelle Nummer 192 der Weltrangliste ist sie um 21 Plätze schlechter klassiert als zum Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Gäbe es für Turnierdirektorin Sandra Reichel nicht die Möglichkeit, eine Lokalmatadorin mit einer Wildcard auszustatten, wäre keine einzige Österreicherin für den Hauptbewerb der diese Woche stattfindenden Upper Austria Ladies Linz teilnahmeberechtigt. Mit Julia Grabher, 22, findet sich als 226. nur eine zweite ÖTV–Dame in den Top 500 wieder, in der gesamte Weltrangliste tummeln sich überhaupt nur acht Österreicherinnen. Zum Vergleich: 1995, während der goldenen Ära, gehörten allein sechs Spielerinnen den Top 100 an. Ein sportliches Vakuum ist nicht zu leugnen, „das hat aber am allerwenigsten mit Babsi Haas zu tun“, sagt Jürgen Waber, Langzeitcoach der jungen Frau aus Steyr. „Sie ist eine der wenigen, die versucht, eine professionelle Karriere voranzutreiben, die bestmöglich unterstützt gehört.“Ernüchternder Nachsatz: „Eine andere haben wir nicht.“
Ein realistisches Ziel für Haas ist das Erreichen der Top 100, der Schallmauer. „Dann könnte sie vom Tennis leben.“Physisch bringt das 1,65 Meter große Leichtgewicht nicht die optimalen Vo- raussetzungen mit, die in der Vorbereitung auf die Saison 2018 aufgebauten drei bis vier Kilogramm Muskelmasse hat Haas den Sommer über während der Sandplatzsaison wieder verloren. Waber: „Jeder Körper hat seine Grenzen.“
Waber und Haas lassen dennoch nichts unversucht, an den notwendigen Schrauben zu drehen. Mit Gebhard Gritsch, der über viele Jahre Novak Djokovic betreute, wurde und wird an der Biomechanik gearbeitet. Es geht um Grundlegendes, die Stellung zum Ball beim Schlag, die körperliche Balance. „Befolgt sie die Anweisungen, spielt sie besser Tennis. Aber das alles ist ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist.“Ebenfalls Teil des Teams ist Koordinationstrainer Rainer Schopf, der als mehrfacher Leichtathletik-Landesmeister seit vielen Jahren auch die südafrikanische Sprinterin Carina Horn betreut. Zudem kann Haas auf die Expertise der ehemaligen Top-20-Spielerin Sybille Bammer setzen.
Trotz bestmöglicher Betreuung ist Haas bei ihrem heutigen Auftaktspiel in Linz (nicht vor 16 Uhr, ORF Sport + live ab 12 Uhr) krasse Außenseiterin, ein Erfolg gegen die Weltranglistenzehnte Kiki Bertens wäre eine echte Sensation. Waber spricht vom „furchtbarsten aller Lose“und einem physisch ungleichen Duell. „Ein Bein von Bertens wiegt in etwa so viel wie Babsi . . .“
Waber wird mit Ende des Jahres übrigens nicht mehr als ÖTVHeadcoach fungieren, nachdem der Verband den Trainingsstützpunkt in Linz nach drei Jahren nicht mehr als Leistungszentrum fortführen, sondern die Damen stattdessen auch künftig in der Südstadt versammeln wird, um die Synergien mit der Akademie von Günter Bresnik zu nutzen. Gegenüber der „Presse“erklärte ÖTV–Geschäftsführer Thomas Schweda: „Österreich ist ein zu kleines Land, um sich auf mehrere Standorte aufzuteilen und sich diese leisten zu können. Wir müssen unsere Resourcen bündeln.“
Mit der Trennung von Waber sucht der ÖTV auch einen neuen Fed-Cup-Kapitän bzw. Kapitänin. Laut Schweda ist Sportkoordination Marion Maruska eine Kandidatin, gegen Jahresende will das ÖTV-Präsidium entscheiden. Ob Waber mit Wehmut zurückblickt? „Meine Spielerinnen (Bammer, Haas Anm.) haben die österreichische Fahne in den letzten Jahren hochgehalten, aber ich glaube, einige neue Köpfe beim ÖTV haben keine Ahnung, was ich in den letzten Jahren so gemacht habe.“