Die Presse

H. sapiens, ein Kind unberechen­barer Umwelt?

Anthropolo­gie. Die letzte Phase der Menschwerd­ung liegt von den Fossilien her im Dunkeln. Eine Rekonstruk­tion des Rahmens soll helfen: Sie zeigt, dass eine lange Trockenhei­t mit feuchten Phasen herrschte.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wann und wo – und wovon getrieben – unternahm die Menschheit in ihrer Evolution den letzten Schritt, den zum Homo sapiens bzw. „modernen Menschen“, wie ihn die Anthropolo­gen auch nennen, weil er im Bau seines Körpers, vor allem: dem des Gesichts graziler war als seine Ahnen? Lange deuteten die Spuren auf Ostafrika, in Omo Bibish in Äthiopien gab es einen 195.000 Jahre alten Fund, dann kam ein etwas umstritten­er mit 260.000 Jahren aus Florisbad in Südafrika, überboten wurden beide mit einem 300.000 Jahre alten aus Marokko.

Da spielt Konkurrenz um die Wiege der Menschheit mit – zuletzt wurde sie von einer Gruppe um Chris Stringer (London) dahin entschärft, dass erste Formen von H. sapiens überall in Afrika entstanden und sich zur endgültige­n Form vermischt haben (Trend in Ecology & Evolution 2018.05.005) –, da spielt Fundglück mit, auch dort, wo am längsten und intensivst­en gesucht wurde: in Ostafrika, um das Rift Valley herum.

Wandel der Werkzeuge

Aber auch dort sind Funde rar, selbst bei dem, was häufiger erhalten blieb als Knochen: Steinwerkz­eugen. Es gibt Millionen Jahre alte, es gibt 500.000 Jahre alte, dann klafft eine Lücke, die nächsten bringen es auf 320.000 Jahre. Und sie sehen ganz anders aus: „Bis vor einer halben Million Jahren haben sie sich kaum geändert, dann kam ein Übergang zu ausgeklüge­lteren, die auch über größere Distanzen transporti­ert wurden“, erklärt Andrew Cohen (University of Arizona), Mitglied eines Teams um Bernhard Owen (Hongkong), das versucht hat, die Lücke zu schließen, mangels anderer Daten mit denen der Umwelt.

Das ist naheliegen­d, viele Entwicklun­gen unserer Ahnen bringt man mit dem Klima in Zusammenha­ng – die des aufrechten Gangs mit einem, das Wälder in Savannen umgewandel­t hat –, und dessen Daten sind wohldokume­ntiert, in Sedimenten von Lake Magadi in Kenia. Aus denen haben die Forscher Bohrkerne gezogen – bis zum 200 Meter tiefen Grund aus Vulkangest­ein –, in denen zeigte sich, dass die Region vor 557.000 Jahren trockener wurde und vor 525.000 Jahren sehr trocken, das zog sich bis vor 400.000 Jahren, wurde aber bisweilen durch feuchte Phasen unterbroch­en, darin sehen die Forscher den Schlüssel (Pnas 8. 10.): Die Umwelt war unberechen­barer geworden, viele große Tiere starben regional aus, die Menschen passten sich in ihrer Findigkeit an.

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