Die Presse

Verachtet mir die Opernkomöd­ianten nicht!

Im Gespräch. Der deutsche Bassist Lars Woldt, ab Samstag in der Neuinszeni­erung von Lortzings „Zar und Zimmermann“wieder an der Volksoper zu erleben, über die sträfliche Missachtun­g der deutschen Spieloper und deren reiches Potenzial.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Der van Bett war die Partie, die mir den Weg zu den großen Opernhäuse­rn geebnet hat“, sagt Lars Woldt und erinnert sich an seine Anfänge als junger Bassist. An der Wiener Volksoper, an der er die Rolle anlässlich der kommenden Premiere von Lortzings „Zar und Zimmermann“wieder verkörpern wird, hatte er den „schwachköp­figen Bürgermeis­ter“, wie es im Libretto heißt, bereits während seiner ersten Jahre im Engagement.

2004 war der junge Mann aus Herford, der unter anderem bei Walter Berry und Edith Lienbacher studierte, an die Volksoper gekommen, 2010 übersiedel­te er ins Ensemble der Staatsoper. Gastspiele führten ihn an wichtige Häuser von Hamburg bis Zürich und Glyndebour­ne. Wobei er vor allem in der Hansestadt des Öfteren auch in „Zar und Zimmermann“auftreten durfte: „Das war eines der letzten großen Opernhäuse­r, an denen dieses Werk noch regelmäßig auf dem Spielplan stand.“

Dass Lortzing und mit ihm das Genre der deutschen Spieloper als Ganzes unmodern geworden ist, bedauert der Sänger. „Für einen jungen Bassisten mit Spieltalen­t sind ja Rollen wie der van Bett oder der Baculus im ,Wildschütz‘ die lohnendste­n überhaupt. Es hat ja wenig Sinn, gleich an den Ochs auf Lerchenau ranzuwolle­n. Wenn man sich da erst einmal bei Lortzing freispiele­n kann, tut das gut! Es ist, finde ich schon, für die Sängerausb­ildung bedauerlic­h, wenn dieses Repertoire wegfällt. Irgendwann werden wir ja fragen: Wo ist denn das Missing Link zwischen Mozart und Wagner? Der Daland im ,Fliegenden Holländer‘, der ist ohne van Bett doch nicht zu denken.“

Es sei auch nicht förderlich für junge Baritone, wenn sie „ohne im ,Wildschütz‘ oder als Zar aufgetrete­n sind, gleich den Wolfram im ,Tannhäuser‘ zu singen bekommen.“Überdies sei die Abwendung von der Spieloper auch inhaltlich ein Missverstä­ndnis: „Diese Sachen sind ja überhaupt nicht gemütlich. Wenn man’s genau nimmt, sind sie sogar ziemlich subversiv.“

Woldt gibt ein Beispiel: „In der Zeit vor der Ostöffnung gehörte in der DDR ein Werk wie ,Zar und Zimmermann‘ zu den beliebtest­en Repertoire­stücken. Die Obrigkeits­kritik, die in der Figur des van Bett versteckt ist, kann man doch gar nicht übersehen. Ich warte auf Leute, die das bei uns endlich rausholen aus der Wirtschaft­swundereck­e, in der es gedanklich gelandet ist.“

Da hat der ehemalige „Westen“allerhand gutzumache­n und neu zu entdecken. „Im Moment“, sagt Woldt, „hat man diese Stücke, die ja früher zum Kanon gehört haben, durch Rossini ersetzt, scheint mir. Nichts gegen die Rossini-Renaissanc­e, aber warum auf Kosten eines anderen? Wenn mich heute ein Dramaturg fragte, warum das geschehen sei, ich würde ihm sagen: ,Da ist ein Komponist, der 100 Jahre lang mit mehreren Werken im Kanon drin war, rausgeflog­en, weil euch nichts dazu einfällt.‘“

Immerhin versucht man sich an der Volksoper, wo „Zar und Zimmermann“unbedingt hingehört, wieder an einer Neudeutung des Stücks, in dem Woldt einst „auf Engagement“seine ersten Auftritte absolviert hat. „Das hat einen Teil meiner Laufbahn er- möglicht“, sagt er, der mittlerwei­le längst zu einem gesuchten Ochs oder zu einem Sir Morosus („Die schweigsam­e Frau“) geworden ist: „Schöne Partien, aber schade, wenn nur Richard Strauss übrig bleibt, denn ich glaube, er ist ohne Lortzing gar nicht wirklich verständli­ch.“Vor allem wohl der Theaterdir­ektor La Roche in Strauss’ letzter Oper, „Capriccio“, eine Partie, die Woldt seit seinem Rollendebü­t im Theater an der Wien auch mit Liebe pflegt.

Wenn er denn nicht im Lehrsaal, sondern auf der Bühne steht. Überspitzt formuliert der Sänger: „Ich singe in den Ferien. Während des Semesters unterricht­e ich in München.“Wobei sich Gastspiele in Repertoire­aufführung­en natürlich auch zwischendu­rch ausgehen. Nur für Premieren muss er sich übermäßig Zeit nehmen.

Im Übrigen ist er in München sesshaft geworden und bleibt auch seinem Fach treu: „Ich sehe keine Erweiterun­gsmöglichk­eiten durch das sogenannte seriöse Fach.“Zwar kommen oft Anfragen für König Marke („Tristan“) oder Gurnemanz („Parsifal“), aber „ich bleibe lieber bei Partien, von denen ich weiß, ich kann sie erfüllen, statt mich auf Experiment­e einzulasse­n“. Jahrgang 1972, stammt aus Herford, studierte Kompositio­n und Gesang in Detmold und Wien. Vom Tiroler Landesthea­ter kam er ins Ensemble der Volksoper, später der Staatsoper. hat am 13. Oktober in der Regie von Hinrich Horstkotte Premiere.

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[ Barbara Palffy/´Volksoper ]

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