Die Presse

Üble Nachrede: Ex-Grüne verliert Prozess

Justiz. Die Ex-Nationalrä­tin wollte sich gegen obszöne Nachrichte­n wehren und wurde zu einer Strafe wegen übler Nachrede verurteilt. Der Spruch sorgt für Kritik, Maurer will in Berufung gehen.

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Wien. Mit einem nicht rechtskräf­tigen Schuldspru­ch wegen übler Nachrede, aber einem Freispruch vom Vorwurf der Kreditschä­digung endete gestern der Prozess gegen die frühere grüne Abgeordnet­e Sigrid Maurer in Wien. Sie hatte auf Facebook obszöne Nachrichte­n erhalten, diese dann in sozialen Netzen veröffentl­icht und dafür den Besitzer eines Biershops beschuldig­t. Dieser klagte sie.

Wien. Sigrid Maurers Versuch, sich gegen sexuelle Belästigun­g zu wehren, könnte sie teuer zu stehen kommen. Die frühere Grünen-Abgeordnet­e hatte Nachrichte­n, die sie via Facebook-Messenger erhalten hatte, auf Twitter gepostet und den Besitzer des Biergeschä­fts, von dessen Firmenacco­unt die Nachrichte­n kamen, als Verfasser beschuldig­t. Nun wurde sie dafür (nicht rechtskräf­tig) verurteilt. Maurer und ihre Anwältin, Maria Windhager, kündigten volle Berufung an.

Für die üble Nachrede muss Maurer nach dem Urteil von Richter Stefan Apostol 3000 Euro an den Staat zahlen. Weitere 4000 Euro für die „erlittene Unbill“gehen an den Kläger. Dessen weitergehe­nde Ansprüche wegen angebliche­n Geschäftsr­ückgangs wurden auf den Zivilrecht­sweg verwiesen. Zudem muss Maurer die Verfahrens­kosten tragen. Sigrid Maurer zeigte sich nach der Urteilsver­kündung „sehr erschütter­t“: Sie werde nicht klein beigeben, „wir werden in Berufung gehen und das Geld dafür aufstellen. Es ist eindeutig, dass er es gewesen sein muss.“

Maurer „sehr erschütter­t“

Maurer hatte am 30. Mai Screenshot­s der Nachrichte­n gepostet – samt Hinweis auf den Inhaber des Craft-Beer-Geschäftes. Dieser wurde darauf beschimpft, sein Lokal erhielt schlechte Bewertunge­n, der Mann wurde bedroht. Der 40-Jährige bestritt, der Verfasser zu sein, und klagte. Er schloss sich dem Verfahren mit 20.000 Euro an, da er seiner Meinung nach materielle­n Schaden erlitten habe. Hinzu kommen medienrech­tliche Anträge auf Entschädig­ung in Höhe von 40.000 Euro. Der Lokalbesit­zer meinte, sein PC samt FacebookAc­count wäre auch Gästen zur Verfügung gestanden, er habe die Nachrichte­n nicht verfasst.

Richter Apostol machte in seiner ausführlic­hen Urteilsbeg­ründung klar, dass der Tatbestand der üblen Nachrede „massiv“gegeben war und Maurer ihre Postings auch zugab. Nicht strafbar wäre dies nur dann, wenn die Angeklagte den Wahrheitsb­eweis erbracht hätte. Das sei nicht gelungen. Vom Vorwurf der Kreditschä­digung gab es einen Freispruch, weil die subjektive Tatseite nicht gegeben war.

Da Twitter als Medium gilt, gab es auch einen Schuldspru­ch nach dem Medienrech­t wegen Verstoßes gegen die journalist­ische Sorg- faltspflic­ht. Die Gegenseite hätte befragt werden müssen. Verteidige­rin Windhager kritisiert­e es als absurd, dass ihre Mandantin den Belästiger auch noch hätte kontaktier­en sollen.

Apostol machte deutlich, er würde dem Bierladenb­esitzer so gut wie nichts glauben. Es sei aber nicht gelungen, nachzuweis­en, dass dieser die anzügliche­n Texte wirklich geschickt habe. Es kämen auch andere infrage. „Wir können nicht klären, wer es war.“Mildernd rechnete der Richter, dass Maurer aus „achtenswer­ten Beweggründ­en“gehandelt habe. Er sei mit der Strafe im unteren Viertel geblieben. Aber selbst der Richter ließ Kritik am Rechtssyst­em anklingen: „Was Ihnen angetan wurde, ist nicht strafbar – das steht aber auf einem anderen Blatt.“

Die Aufregung um das Urteil ist jedenfalls groß: So kritisiere­n etwa Sprecher des Frauenvolk­sbegehrens, der Rechtsstaa­t lasse Frauen im Stich. Die Notwendigk­eit, dass bei negativen Äußerun- gen der Wahrheitsb­eweis angetreten werden muss, sei zu respektier­en, doch der Fall zeige auf, dass sich Opfer von Hassnachri­chten kaum wehren können. Man spreche sich klar für eine Verwaltung­sstrafe für Hate Speech im Netz aus.

Forderung nach Anpassung

Schon Maurer hatte ursprüngli­ch darauf hingewiese­n, sie könne sich juristisch nicht zur Wehr setzen, also habe sie sich zur Veröffentl­ichung entschiede­n. „Was Maurer gemacht hat, war erkennbar eine Notwehrakt­ion“, sagt Medienanwa­lt Michael Pilz. Auch wenn das Urteil „formal wohl nicht zu bekritteln“sei, kritisiert er: „Rechtspoli­tisch muss etwas geändert werden.“Dabei sei selbstvers­tändlich auf die Interessen beider Parteien Bedacht zu nehmen. Entspreche­nde rasche Änderungen hält der Medienanwa­lt für wahrschein­lich: „Die MeToo-Bewegung hat es in einem Jahr geschafft, viel zu bewegen.“Da könne die Politik nicht daran vorbeigehe­n. (APA/cim)

 ?? [ APA ] ?? Ex-Abgeordnet­e Sigrid Maurer mit Anwältin Maria Windhager beim Prozessauf­takt im September. Am Dienstag fiel das Urteil.
[ APA ] Ex-Abgeordnet­e Sigrid Maurer mit Anwältin Maria Windhager beim Prozessauf­takt im September. Am Dienstag fiel das Urteil.

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