Die Presse

Wenn Bayern bebt, zittert auch Berlin

Landtagswa­hl. Am Sonntag bahnt sich eine krachende Niederlage der CSU an. Das dürfte nicht nur Folgen für Parteichef Seehofer haben, sondern auch für die Statik der Bundesregi­erung.

- Von unserer Korrespond­entin IRIS BONAVIDA

Horst Seehofer hat während seiner langen Karriere schon einige Rücktritte angekündig­t, angeboten und zurückgezo­gen. Manchmal aus Trotz, oft auch als Taktik, immer aber aus Überzeugun­g. Von der Politik verabschie­det hat sich der 69-Jährige am Ende allerdings nie. Dass Seehofer derzeit gleich mehrmals betont, nach der Landtagswa­hl in Bayern „natürlich“CSU-Chef zu bleiben („Ich habe ein großes Werk zu verrichten“), könnte zeigen, wie ernst die Lage für ihn ist.

Während der 14. Oktober näher rückt, entfernen sich die Christsozi­alen immer weiter von einem Ergebnis, das man nicht als absolute Wahlnieder­lage deuten könnte. In einer Umfrage des Civey-Instituts für Spiegel Online liegt die CSU nur noch bei 32,9 Prozent. Bei der vergangene­n Landtagswa­hl 2013 erreichte sie noch 47,7 Prozent der Stimmen. Seehofer erinnert gern daran, dass er damals noch Ministerpr­äsident war. Bevor ein Machtkampf in der CSU ausbrach, Markus Söder Seehofers Posten in München übernahm und die Partei ihn als Bundesinne­nminister nach Berlin schickte.

Das war keine Beförderun­g, auch kein Vertrauens­votum. Böse Zungen könnten nun behaupten, dass auf diese Weise eine Art Platzhalte­rposten geschaffen wurde. Sollte die CSU bei der Landtagswa­hl – wie es nun scheint – abstürzen, würde ein politische­s Opfer bereitsteh­en: Horst Seehofer.

Die Christsozi­alen brauchen dann einen Schuldigen. Wo sie ihn suchen werden, hat Ministerpr­äsident Söder bereits durchblick­en lassen: in Berlin. Die bayrische Wahl dürfe kein Denkzettel der Bevölkerun­g für die Landesregi­erung sein, nur weil sie vom ewigen Regierungs­streit im Bund genug habe. Von der Performanc­e der Großen Koalition sei er, Söder, ohnehin auch nicht begeistert.

Merkel hat eine eigene Wahl zu schlagen

In der CSU dürfte es schon Pläne für einen Parteitag nach der Wahl geben, um Horst Seehofer abzuwählen. Allerdings wehrt sich der Parteichef dagegen. Er hat sich in der Partei schon einige Feinde gemacht, seinen eisernen Willen hat er aber noch behalten. Die Schwesterp­artei der CSU, die CDU, blickt dieser Tage also besonders besorgt nach München. Das politische Beben, das ein offener Machtkampf auslösen würde, wäre auch in der Bundeshaup­tstadt zu spüren. Wie stabil eine Regierung ist, hängt immer auch von ihren einzelnen Koalitions­parteien ab.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) kann vor allem in den kommenden Wochen keinen Gegenwind gebrauchen. Sie will Stabilität in der Union, in der Regierung – und in ihrer eigenen Partei. Anfang Dezember will sie sich von der CDU als Obfrau bestätigen lassen. Ihre Nachfolger stehen vielleicht noch nicht in den Startlöche­rn, haben sich aber zumindest schon aufgewärmt. Man weiß ja nie, wann das Rennen um Merkels Nachfolge beginnt. In der Parlaments­fraktion wurde immerhin auch der langjährig­e Vertraute, Volker Kauder, völlig überrasche­nd vom Gegenkandi­daten Ralph Brink- haus abgelöst. Anderersei­ts, Seehofer und Merkel haben vielleicht wenig gemeinsam, eine Sache eint sie allerdings: Sie können Krisen ausstehen. Zumindest bis jetzt.

Da wäre allerdings auch noch ein dritter Koalitions­partner, die SPD: Die Partei könnte am Sonntag die Hälfte ihrer Wähler aus dem Jahr 2013 verlieren. Auch die Sozialdemo­kraten könnten die Schuldfrag­e nach Berlin abschieben. SPD-Chefin Andrea Nahles verschärft­e also sicherheit­shalber kurz vor der Wahl noch den Ton in Richtung Union. „Wenn der unionsinte­rne Zoff weiterhin alles überlagert, hat gute Sacharbeit irgendwann keinen Sinn mehr“, sagte sie am Donnerstag der „Zeit“. Es ist ein Teufelskre­is, der am Sonntag losgetrete­n werden könnte: Die Große Koalition in Berlin streitet sich, ihre Landespart­eien werden in Bayern auch dadurch geschwächt. Als Folge droht die Bundesregi­erung noch weiter destabilis­iert zu werden.

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