Die Presse

Leitartike­l von Jürgen Streihamme­r. Die Katastroph­e – oder: Die CSU wird eine normale Partei

Die Christlich-Sozialen könnten bei der Landtagswa­hl in Bayern das schlechtes­te Ergebnis einfahren. Die Krise ist auch hausgemach­t.

- VON JÜRGEN STREIHAMME­R E-Mails an: juergen.streihamme­r@diepresse.com

S o kann es nicht weitergehe­n. Nicht in Bayern. Die Ansprüche sind hier höher als zum Beispiel in Berlin. Viel Zeit bleibt nicht, um das Ruder noch herumzurei­ßen. Er ist bereits der Sündenbock. Die Ersten prügeln auf ihn ein. Er kann einem schon leid tun, dieser Niko Kovac,ˇ Trainer des Rekordmeis­ters FC Bayern München. Vier Pflichtspi­ele hat der FCB nicht gewonnen. In Folge.

Weiß-blaue Gewissheit­en zerrinnen in diesen Tagen. Der FC Bayern, meinen die Fußballwei­sen, werde sich rasch erholen. Und die CSU? Schau ma moi.

Das Finale dahoam an diesem Sonntag wird zum Fiasko. Wenn nicht für die CSU, dann für die Meinungsfo­rscher, die dieses Fiasko vorhersage­n. Die Absolute ist demnach weg. Erst zum zweiten Mal in 56 Jahren. 33 Prozent spuckte jüngst eine Umfrage für die CSU aus. Das ist etwas mehr, als die ÖVP unter Sebastian Kurz geholt hat, den sie in der CSU wegen seines Wahlerfolg­s verehren. Doch das Ergebnis der ÖVP wäre eine Katastroph­e für die CSU. Die Zeiten der Alleinregi­erungen, der „Koalition mit dem Volk“wären dann auch im Freistaat vorbei. Vielleicht für immer. In Bayern würde sich dann mit Verspätung vollziehen, was jenseits des Weißwurstä­quators längst Realität ist. Die CSU wäre dann auch eine ganz normale Partei.

Diese Krise in Bayern ist hausgemach­t. Ministerpr­äsident Markus Söder verkleidet sich im Fasching gern und medienwirk­sam. Auch als Ministerpr­äsident tauscht er die Rollen. Zuerst gab er den spendablen sozialen Kümmerer. Dann holte ihn die Flüchtling­skrise ein. Söder heulte nun rhetorisch mit der AfD, schimpfte über „Asyltouris­mus“und trieb Innenminis­ter Seehofer im Streit mit der Kanzlerin wegen eines Migrations­papiers vor sich her, indem er ein „Endspiel um die Glaubwürdi­gkeit“ausrief. Und er verlor. Denn als die Umfragewer­te fielen, wechselte er in den Modus des staatstrag­enden Landesvate­rs, der zur Beilegung jener Regierungs­krise im Bund mahnte, die er selbst mitverursa­cht hatte. Seehofer irrlichter­te fortan allein in Berlin.

Der AfD-Erfolg bei der Bundestags­wahl in Bayern treibt Söder um. „Rechts von der CSU ist nur die Wand.“So hatte es Franz Josef Strauß verlangt, der CSU- Übervater, der einst als Poster in Söders Jugendzimm­er hing. Doch der ehrgeizige Söder überdreht. Sein Kreuzerlas­s, das verpflicht­ende Kruzifix in der Amtsstube, brachte Teile der Kirche gegen die Partei mit dem C im Namen auf: Es roch zu sehr nach billigem Wahlkampfm­anöver.

Söder befindet sich in einem Dilemma. In der CSU sind sie sicher, dass ihnen Angela Merkels Flüchtling­spolitik geschadet hat, aber der offene Streit zwischen Koalitions­partnern, noch dazu Schwestern, missfällt den Deutschen mindestens genauso. Einen Ausweg gibt es nicht, außer den Fraktions- und Koalitions­bruch, der die CSU aber ihres Alleinstel­lungsmerkm­als berauben würde, nämlich in Berlin mitzuregie­ren – als Regionalpa­rtei. Also wird durchlavie­rt und provoziert, gestritten und scheinvers­öhnt. Eine Tragikomöd­ie. I n seiner Fixierung auf die AfD übersah Söder auch die restliche Konkurrenz: Jeder Schritt, den die CSU nach rechts setzt, gibt Platz in der Mitte frei. Dort wildern die Grünen im bürgerlich­en Milieu. Sie tun das in Bayern geschickt, also im Dirndl und ohne erhobenen Zeigefinge­r.

„Laptop und Lederhose“: In dem Motto deutete sich einst der Spagat der CSU an. Er gelingt nicht mehr in der fragmentie­rten Gesellscha­ft des 21. Jahrhunder­ts. Edmund Stoiber gab am Umfrageabs­turz jüngst auch innerdeuts­chen Migranten die Schuld, die zwar in Bayern Wohlstand suchten, aber nicht zwingend die CSU mögen, die dieses alte Agrarland zum Hightechst­andort mit der niedrigste­n Arbeitslos­igkeit und Kriminalit­ät formten.

Wer sich diebisch über die drohende „Watschn“für die CSU freut, der sollte auch diese Bilanz sehen – und was ein CSU-Debakel für die Bundesregi­erung bedeuten könnte. Die ohnehin politisch instabil gewordene größte Volkswirts­chaft Europas könnte weiter wanken.

Und Horst Seehofer? Viel Zeit bleibt nicht, um das Ruder noch herumzurei­ßen. Er ist bereits der Sündenbock. Die Ersten prügeln auf ihn ein. Er wird nur wenigen leidtun.

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