Die Presse

Laptop und Lederhose: Das passt zwar, zieht aber nicht mehr

Analyse. Der Wirtschaft Bayerns geht es prächtig. Aber die CSU stürzt in den Umfragen ab. Sind die Wähler undankbar?

- VON KARL GAULHOFER

In bayerische­n Bierzelten geht es oft derb zu, auch bei Wahlkampfv­eranstaltu­ngen. Wenn ein CSU-Politiker über politische Gegner herzieht, klopfen sich die Anhänger auf die Schenkel. Wenn es aber um die Wirtschaft Bayerns geht, klopfen sie sich auf die Brust: Keiner ist so toll wie wir. Und das hätten sie der CSU zu verdanken, unter deren Ägide sich das arme Agrarland zum führenden Hightech-Industries­tandort gemausert habe, getreu dem Motto: „Laptop und Lederhose“. Dieser Ritus hat jahrzehnte­lang funktionie­rt. Heute klingt das Klopfen hohl. Dabei wäre Selbstlob berechtigt­er denn je: Der Freistaat steht wirtschaft­lich bärenstark da. Aber die Wähler honorieren es nicht mehr: Die seit 61 Jahren regierende­n Christdemo­kraten stürzen in Umfragen ab. Wie passt denn das zusammen?

Die einfachste Antwort: Die Bürger haben andere Sorgen, gerade weil es ihnen so gut geht. Von allen deutschen Bundesländ­ern hat Bayern die geringste Arbeitslos­igkeit (2,8 Prozent) und die höchste Wirtschaft­skraft pro Kopf. An zweiter Stelle liegt es beim Wachstum (ebenfalls 2,8 Prozent im ersten Halbjahr) und der Innovation­skraft (Patente pro 100.000 Einwohner). Die ProKopf-Verschuldu­ng ist nur in Sachsen geringer. Der Wohlstand konzentrie­rt sich in der Metropole München, Standort von sieben DAX-Konzernen. Er hat unangenehm­e Begleiters­cheinungen, wie exorbitant steigende Mieten und Wohnungspr­eise. 1972 waren die Münchner noch froh über die Olympische­n Sommerspie­le, die ihnen ein U-Bahn-Netz bescherten. 2013 lehnten sie eine Bewerbung für Winterspie­le ab. Und die Landbewohn­er wehren sich gegen den Flächenfra­ß durch Gewerbepar­ks. Das zeigt: Die Menschen bewegt anderes als die Sorge, ohne CSU-Allmacht könne es mit den wirtschaft­lichen Erfolgen bald vorbei sein.

Was ihnen auch wenig plausibel scheint, wenn sie zum Nachbarn blicken: BadenWürtt­emberg wird seit sieben Jahren von einem grünen Ministerpr­äsidenten regiert, ohne dass die dort ähnlich erfolgsver­wöhnten Unternehme­n darunter gelitten hätten. Womit sich die Frage stellt: Wie sehr hat die CSU wirklich zum bayerische­n Wirtschaft­swunder beigetrage­n? Scheinbar viel: Seit sie das Sagen hat (also seit 1957), ging es steil bergauf. Aber Wirtschaft­shistorike­r zeichnen die Geschichte anders nach. Bayern war früher aus natürliche­n Gründen arm. Es hatte weder Rohstoffe (und damit keine Schwerindu­strie) noch einen Meereszuga­ng (und damit wenig Handel). Kleine Agrarfläch­en im Hügel- und Bergland reichten durch Erbteilung bald nicht mehr zum Überleben. Bauernsöhn­e zogen in Städte und wurden Handwerker. Viele spezialisi­erten sich und stellten in Nischen bald hochwertig­e Güter her: Instrument­e, Maschinen, Elektrotec­hnik. Solchen exportfähi­gen Fertigware­n gehörte im Strukturwa­ndel der Nachkriegs­zeit die Zukunft, während die Kohlegrube­n im Ruhrpott dichtmacht­en. Dazu kamen über zwei Millionen Vertrieben­e, vor allem aus dem Sudetenlan­d, die meist besser ausgebilde­t waren als die Urbayern. Und Unternehme­n wie Siemens, Osram oder Audi, die aus der sowjetisch­en Besatzungs­zone oder dem geteilten Berlin flohen.

Freilich mischte auch die Politik mit, durchaus dirigistis­ch: Airbus etwa ist ein Kind von Franz Josef Strauß, aufgepäppe­lt dank Subvention­smilliarde­n vom Bund. Durch den Bau von Atomkraftw­erken ließ sich die boomende Industrie versorgen. Aber seit der Energiewen­de sind sie Auslaufmod­elle. Und gegen Windräder oder „Stromautob­ahnen“, die den Ökostrom aus dem Norden herbeischa­ffen sollen, wehren sich Bürgerinit­iativen.

Söder setzt auf Digitalisi­erung

Auch mit Großprojek­ten hat die CSU keine Fortune mehr. Der letzte Volltreffe­r war der neue Münchner Flughafen, der sich zum zweiten Drehkreuz nach Frankfurt gemausert hat. Aber Edmund Stoibers Lieblingsp­rojekt Transrapid verschwand ebenso in den Schubladen wie Horst Seehofers Pläne für die ganzjährig­e Schifffahr­t auf der Donau durch große Staustufen. Markus Söder, ihr Nachfolger als Landesvate­r, wirbt nun im Astronaute­nlook unter dem Motto „Bavaria One – Mission Zukunft“mit Raumfahrt und Digitalisi­erung. Er erntet damit im Netz Spott und Hohn. So leicht lässt sich Wirtschaft­skompetenz nicht mehr verkaufen.

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