Laptop und Lederhose: Das passt zwar, zieht aber nicht mehr
Analyse. Der Wirtschaft Bayerns geht es prächtig. Aber die CSU stürzt in den Umfragen ab. Sind die Wähler undankbar?
In bayerischen Bierzelten geht es oft derb zu, auch bei Wahlkampfveranstaltungen. Wenn ein CSU-Politiker über politische Gegner herzieht, klopfen sich die Anhänger auf die Schenkel. Wenn es aber um die Wirtschaft Bayerns geht, klopfen sie sich auf die Brust: Keiner ist so toll wie wir. Und das hätten sie der CSU zu verdanken, unter deren Ägide sich das arme Agrarland zum führenden Hightech-Industriestandort gemausert habe, getreu dem Motto: „Laptop und Lederhose“. Dieser Ritus hat jahrzehntelang funktioniert. Heute klingt das Klopfen hohl. Dabei wäre Selbstlob berechtigter denn je: Der Freistaat steht wirtschaftlich bärenstark da. Aber die Wähler honorieren es nicht mehr: Die seit 61 Jahren regierenden Christdemokraten stürzen in Umfragen ab. Wie passt denn das zusammen?
Die einfachste Antwort: Die Bürger haben andere Sorgen, gerade weil es ihnen so gut geht. Von allen deutschen Bundesländern hat Bayern die geringste Arbeitslosigkeit (2,8 Prozent) und die höchste Wirtschaftskraft pro Kopf. An zweiter Stelle liegt es beim Wachstum (ebenfalls 2,8 Prozent im ersten Halbjahr) und der Innovationskraft (Patente pro 100.000 Einwohner). Die ProKopf-Verschuldung ist nur in Sachsen geringer. Der Wohlstand konzentriert sich in der Metropole München, Standort von sieben DAX-Konzernen. Er hat unangenehme Begleiterscheinungen, wie exorbitant steigende Mieten und Wohnungspreise. 1972 waren die Münchner noch froh über die Olympischen Sommerspiele, die ihnen ein U-Bahn-Netz bescherten. 2013 lehnten sie eine Bewerbung für Winterspiele ab. Und die Landbewohner wehren sich gegen den Flächenfraß durch Gewerbeparks. Das zeigt: Die Menschen bewegt anderes als die Sorge, ohne CSU-Allmacht könne es mit den wirtschaftlichen Erfolgen bald vorbei sein.
Was ihnen auch wenig plausibel scheint, wenn sie zum Nachbarn blicken: BadenWürttemberg wird seit sieben Jahren von einem grünen Ministerpräsidenten regiert, ohne dass die dort ähnlich erfolgsverwöhnten Unternehmen darunter gelitten hätten. Womit sich die Frage stellt: Wie sehr hat die CSU wirklich zum bayerischen Wirtschaftswunder beigetragen? Scheinbar viel: Seit sie das Sagen hat (also seit 1957), ging es steil bergauf. Aber Wirtschaftshistoriker zeichnen die Geschichte anders nach. Bayern war früher aus natürlichen Gründen arm. Es hatte weder Rohstoffe (und damit keine Schwerindustrie) noch einen Meereszugang (und damit wenig Handel). Kleine Agrarflächen im Hügel- und Bergland reichten durch Erbteilung bald nicht mehr zum Überleben. Bauernsöhne zogen in Städte und wurden Handwerker. Viele spezialisierten sich und stellten in Nischen bald hochwertige Güter her: Instrumente, Maschinen, Elektrotechnik. Solchen exportfähigen Fertigwaren gehörte im Strukturwandel der Nachkriegszeit die Zukunft, während die Kohlegruben im Ruhrpott dichtmachten. Dazu kamen über zwei Millionen Vertriebene, vor allem aus dem Sudetenland, die meist besser ausgebildet waren als die Urbayern. Und Unternehmen wie Siemens, Osram oder Audi, die aus der sowjetischen Besatzungszone oder dem geteilten Berlin flohen.
Freilich mischte auch die Politik mit, durchaus dirigistisch: Airbus etwa ist ein Kind von Franz Josef Strauß, aufgepäppelt dank Subventionsmilliarden vom Bund. Durch den Bau von Atomkraftwerken ließ sich die boomende Industrie versorgen. Aber seit der Energiewende sind sie Auslaufmodelle. Und gegen Windräder oder „Stromautobahnen“, die den Ökostrom aus dem Norden herbeischaffen sollen, wehren sich Bürgerinitiativen.
Söder setzt auf Digitalisierung
Auch mit Großprojekten hat die CSU keine Fortune mehr. Der letzte Volltreffer war der neue Münchner Flughafen, der sich zum zweiten Drehkreuz nach Frankfurt gemausert hat. Aber Edmund Stoibers Lieblingsprojekt Transrapid verschwand ebenso in den Schubladen wie Horst Seehofers Pläne für die ganzjährige Schifffahrt auf der Donau durch große Staustufen. Markus Söder, ihr Nachfolger als Landesvater, wirbt nun im Astronautenlook unter dem Motto „Bavaria One – Mission Zukunft“mit Raumfahrt und Digitalisierung. Er erntet damit im Netz Spott und Hohn. So leicht lässt sich Wirtschaftskompetenz nicht mehr verkaufen.