Die Presse

„Wo also ist Herr Khashoggi?“

Mordverdac­ht. Nach dem Verschwind­en des Journalist­en Jamal Khashoggi verliert Riad im Westen an Unterstütz­ung. Türkische Medien veröffentl­ichen Fotos der mutmaßlich­en Killer.

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Glaubt man den Darstellun­gen in türkischen Medien, so müssen sich am 2. Oktober im saudischen Konsulat in Istanbul schauerlic­he Szenen abgespielt haben: Ein fünfzehnkö­pfiges Sonderkomm­ando reiste demnach eigens aus Saudiarabi­en an, um einen lästigen Kritiker des saudischen Kronprinze­n, Mohammed bin Salman, zum Schweigen zu bringen. Der saudische Journalist Jamal Khashoggi war ins Konsulat wegen seiner Dokumente für seine Scheidung gekommen. Doch er ging offenbar in eine Falle. Das Sonderkomm­ando wartete schon auf ihn.

Khashoggi sei getötet und seine Leiche vermutlich zerteilt worden. Mit der Hilfe eines Autopsieex­perten des saudischen Geheimdien­sts, wie nun die türkische Zeitung „Sabah“schrieb. Türkische Medien haben die gesamte Namenslist­e und die Fotos der fünfzehn angereiste­n Agenten veröffentl­icht. Die saudische Führung bestreitet aber weiterhin vehement, etwas mit dem Verschwind­en Khashoggis zu tun zu haben. Der Journalist habe das Konsulat wohlbehalt­en wieder verlassen, heißt es aus Riad.

Doch der internatio­nale Druck auf Saudiarabi­en steigt. Am Donnerstag drohte die britische Regierung der saudischen Führung mit schwerwieg­enden Folgen. „Sollten die Anschuldig­ungen zutreffen, werde das gravierend­e Konsequenz­en haben, da unsere Freundscha­ft und Partnersch­aft auf gemeinsame­n Werten basiert“, sagte der britische Außenminis­ter, Jeremy Hunt. Der Verbleib des Journalist­en müsse geklärt werden. „Sie sagen, dass die Anschuldig­ungen falsch sind. Wo also ist Herr Khashoggi?“

Und auch Donald Trump meldete sich zu Wort. Er versuchte zwar – für seine Verhältnis­se – sehr diplomatis­ch zu formulie- ren, denn immerhin gelten Saudiarabi­ens Machthaber als besonderer­e Freunde des US-Präsidente­n. Doch seine Worte waren deutlich genug: „Ich bin nicht glücklich darüber“, sagte der US-Präsident vor Reportern im Oval Office zum mysteriöse­n Verschwind­en des kritischen saudischen Journalist­en. Auf die Frage, ob er dazu Antworten der saudischen Führung verlange, meinte er: „Ja, das tun wir. Wir verlangen alles.“

Khashoggis türkische Verlobte, Hatice Cengiz, hatte sich zuvor an Trump gewandt und um Hilfe gebeten. Trumps Schwiegers­ohn, Jared Kushner, der gute Beziehunge­n zur saudischen Führung hat, und auch US-Sicherheit­sberater John Bolton sollen deshalb bereits mit dem saudischen Kronprinze­n, Mohammed bin Salman, gesprochen haben.

Khashoggi hat sich in seiner früheren Heimat mächtige Feinde gemacht. Erst hat er als Berater des Prinzen Turki ibn Faisal und als Direktor der Zeitung „al-Watan“gearbeitet. Danach ging er aber ins Exil und trat als scharfzüng­iger Kritiker der saudischen Führung auf. Insbesonde­re Kronprinz Salman geriet dabei ins Visier des Journalist­en, der regelmäßig Kolumnen für die „Washington Post“verfasste.

Der Kronprinz persönlich soll auch hinter dem Vorgehen gegen Khashoggi stecken. Das schreibt nun zumindest die „Washington Post“. Der US-Geheimdien­st habe Mit- teilungen saudischer Regierungs­vertreter abgefangen, in denen über eine Entführung Khashoggis beraten worden sei. Den Auftrag zur Operation habe Kronprinz Salman gegeben. Laut diesem Plan wollte man den unliebsame­n Journalist­en aus seinem Wohnsitz im US-Bundesstaa­t Virginia nach Saudiarabi­en verschlepp­en.

Zugleich habe Khashoggi laut Auskunft seiner Freunde in den vergangene­n vier Monaten mehrmals das Angebot erhalten, nach Saudiarabi­en zurückzuke­hren. Beamte, die Kronprinz Salman nahestehen, sollen ihm Straffreih­eit und einen hohen Posten versproche­n haben. Der Journalist sei aber misstrauis­ch gewesen und habe sich nicht darauf eingelasse­n.

Auch die türkische Regierung erhöhte am Donnerstag den Druck auf Saudiarabi­en. Die Türkei könne nicht länger „still bleiben“, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan.˘ Er verlangte vom saudischen Konsulat in Istanbul, die Überwachun­gsvideos aus dem Gebäude herauszuge­ben. „Ist es möglich, dass es in einem Konsulat, einer Botschaft kein Kamerasyst­em gibt?“, kritisiert­e Erdogan˘ laut der Zeitung „Hürriyet“.

Im saudischen Konsulat behauptet man, die Überwachun­gskameras seien ausgerechn­et am Tag von Khashoggis Besuch ausgefalle­n. (APA/AFP/w. s.)

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[ AFP ]

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