Die Presse

Unmut über Österreich­s Ratsvorsit­z

Arbeit und Soziales. Die Absage des EU-Sozialmini­stertreffe­ns verärgert mehrere Regierunge­n. Sie werfen Ministerin Hartinger-Klein vor, die Schaffung der EU-Arbeitsage­ntur zu verschlepp­en.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Wie ernst nimmt Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ihre Verantwort­ung im Rahmen des österreich­ischen Ratsvorsit­zes? Die überrasche­nde Absage des für gestern, Donnerstag, geplanten Ratstreffe­ns der europäisch­en Sozialmini­ster in Luxemburg verleiht dieser Frage europapoli­tische Brisanz. Denn Hartinger-Kleins Amtskolleg­en aus neun Mitgliedst­aaten werfen ihr in einem gemeinsame­n Schreiben indirekt vor, die Arbeiten an der geplanten Europäisch­en Arbeitsage­ntur zu verschlepp­en. Sie bedauerten es, nach der Absage des Ratstreffe­ns keine Gelegenhei­t zu haben, dieses Dossier zu besprechen, heißt es in dem vom „Luxemburge­r Tageblatt“zitierten Brief der Minister von Deutschlan­d, Frankreich, Spanien, den Niederland­en, Luxemburg, Belgien, Portugal, der Slowakei und Zypern. Sie würden diesem Dossier „große Bedeutung“zumessen.

HartingerK­lein hat in einem Brief vom 5. September an die EUKommissa­rin für Arbeit und Soziales, Marianne Thyssen, erklärt, dass es zu wenig Fortschrit­t in den Gesetzgebu­ngsverfahr­en gebe, um ein Ratstreffe­n zu rechtferti­gen, bei dem „die Minister einen signifikan­ten Beitrag leisten können“. Diese Behauptung ist im Lichte des Schreibens ihrer Amtskolleg­en zumindest stark infrage gestellt.

Dass die Ministerin wenig Gefallen an der Idee hat, eine eigene EU-Agentur zu schaffen, die sich mit der Einhaltung der Bestimmung­en über die grenzübers­chreitende Freizügigk­eit von Arbeitnehm­ern in der Union befasst, ist kein Geheimnis. „Österreich braucht das nicht unbedingt“, sagte sie beispielsw­eise im März vor ihrer ersten Teilnahme an einem Ministerra­t in Brüssel. Und vorige Woche kam im Zuge der Beant- wortung einer parlamenta­rischen Anfrage des SPÖ-Nationalra­tsabgeordn­eten Jörg Leichtfrie­d durch das Sozialmini­sterium zutage, dass sie den Gesetzesvo­rschlag der Europäisch­en Kommission zur Gründung dieser European Labour Authority (ELA) weitreiche­nd ablehnt. Der Text sei „sehr allgemein gehalten“, zudem sei der „Mehrwert der ELA gegenüber den bereits bestehende­n Gremien und Strukturen fraglich“. Auch andere Mitgliedst­aaten hätten Bedenken. Österreich bemühe sich auf Ratsarbeit­sgruppeneb­ene um „eine Verbesseru­ng des Texts“und „eine Angleichun­g der Positionen der Mitgliedst­aaten“.

Auch diese Aussagen sind hinterfrag­bar. Denn als sich die Arbeitsgru­ppe der zuständige­n Diplomaten am 16. Mai über den Vorschlag austauscht­e, gab es kei- ne wesentlich­en Einwände. Die rechtliche Basis und der politische Zusammenha­ng seien „klar erklärt“und böten keinen Anlass zu „Subsidiari­tätsbedenk­en“.

Als Kommission­svorsitzen­der Jean-Claude Juncker vorige Woche an einer Tagung des Gewerkscha­ftsbunds in Wien teilnahm, erklärte er, angesproch­en auf die Bedenken der Bundesregi­erung gegen die Schaffung der Arbeitsbeh­örde: „Ich treffe den Kanzler heute um sieben. Um Viertel nach sieben ist das geregelt.“

Die Absage des Ministertr­effens ist jedenfalls der Findung einer einvernehm­lichen Lösung nicht zuträglich. „Das ist total demotivier­end für die Ratsarbeit­sgruppen“, sagte eine langjährig­e EU-Diplomatin zur „Presse“. Im Sekretaria­t des Rats wiederum konnte man auf Nachfrage kein Beispiel für derartige Absagen von fix geplanten Räten nennen.

Kommissari­n Thyssen sandte eine dezente Mahnung nach Wien: „Für uns zählt, am Ende der österreich­ischen Präsidents­chaft viele Ergebnisse zu haben. Wenn man diese Arbeiten abschließe­n will, muss man das jetzt tun.“Immerhin einen Erfolg konnte sie am Donnerstag verkünden: Die Grenzwerte für krebserreg­ende Stoffe, denen Menschen am Arbeitspla­tz ausgesetzt sind, wurden im Einvernehm­en mit dem Rat verschärft; auch Dieselabga­se sind erstmals von dieser Vorschrift erfasst.

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