Der alte Hund will Sturm und Brettljause
Der Sommer im Herbst und seine vielen Seiten.
Es
weht der Südföhn, und mit ihm lebt der Geist des Bundespräsidentschaftswahlkampfs wieder auf, es gibt nur entweder oder, also entweder Verzücken über das schöne Wetter oder Verzweiflung, weil das ist doch bitte alles nicht mehr normal. „Man muss das Positive sehen“, sagt die Kollegin, aber ich kann gar nichts sehen, weil die Augen so geschwollen sind. Die Gräser blühen wieder, diese Monster, und der Ragweed-Horror geht weiter, das ganze Jahr ist ein einziger Pollenalbtraum, nur leider will das Gejammer keiner hören.
Denn man könnte ja auch die Grippe haben, die Sommer- oder Herbst- oder Wintergrippe, und im nassen Grau frösteln, stattdessen überkommen einen doch Frühlingsgefühle, weil Sonnenlicht glücklich macht. Nur blöd, dass man jahreszyklusmäßig schon bereit ist für Schweinsbraten mit Knödel, die Temperatur aber immer noch auf Kurs Mozzarella ist. Die Kinder wollen Maroni und Eis, das geht beides nur zusammen, wenn man jung ist und flexibel. Der alte Hund will keine neuen Tricks, der will Sturm und Brettljause.
Positiv denken, sagt die Kollegin, sogar bei der Insekteninvasion. Wenn man nach stundenlanger Entsorgung von Lebensmitteln, die sich außer Motten nichts zuschulden kommen ließen, erschöpft niedersinkt und sich schwört, selbst Salz nur noch in Glas zu verschrauben, wenn in diesem Moment eine fette Motte vorübersegelt und man laut schreien will, dann darf man eines nicht vergessen: Motten lieben Bio, was für eine Auszeichnung für den Inhalt des Vorratskastens.
Wie man sogar Kopfläusen etwas Positives abgewinnt, das hat eine deutsche Expertin demonstriert. Läuse zu haben sei ein Zeichen für hohe Sozialkompetenz, sagt sie: Denn nur wer viele Freunde hat und beim Spielen die Köpfe zusammensteckt, bekommt sie.
Es gibt also viele Komplimente über Umwege, man muss sie nur finden.