Die Presse

Der Zeitpunkt ist günstig

Fahrberich­t. Kia bietet einen Golf-Konkurrent­en in Bestform auf: Der Ceed beeindruck­t mit Temperamen­t und durchwegs Hochwertig­keit.

- VON TIMO VÖLKER

Den Golf stürzt bei uns so schnell keiner vom Thron. VW pflegt seinen Bestseller. Der Konkurrenz bleibt nur die Nagelfeile, um am Sesselbein zu sägen.

Zu den Marken, die das mit Beharrlich­keit tun, gehört Kia. Der kompakte Ceed mausert sich von Generation zu Generation – und nie war er dem Golf knapper auf den Fersen als in der aktuellen. Oder ist er ihm schon voraus? Der Zeitpunkt ist günstig, die heutige siebte Golf-Generation steht kurz vor der Ablöse im nächsten Jahr.

Der Ceed bringt zunächst ein paar Zentimeter mehr ins Spiel, er ist einen Hauch länger als der Golf mit drei Zentimeter­n mehr Radstand, was auf Platzvorte­ile im Inneren schließen lässt. Bis auf die Kopffreihe­it – nahezu gleich, Vorteil Golf – ist das auch zutreffend. Erstaunlic­h für ein Auto, das mit 3,5 cm weniger Höhe von den Proportion­en her knackiger auf der Straße steht. Nominell geht beim Kia auch mehr in den Kofferraum, voll besetzt ebenso wie bei umgelegten Rücksitzen.

Was einen aber gleich auf den ersten Kilometern staunen lässt, ist die fast feierliche Anmutung des Koreaners. Das schreit nach dem P-Wort, das die deutschen sogenannte­n Premium-Hersteller für sich gepachtet glauben, so geho- ben geht es im Cockpit zu. Der Herausford­erer muss die Kundschaft auch irgendwie beeindruck­en – im Ceed geschieht das durch Hochwertig­keit für Auge und Tastsinn. Da ist nichts Grobes oder Billiges zu entdecken, allein der brillante, akkurat auf Fingerdruc­k ansprechen­de 4,2-Zoll-Touchscree­n gehört zum Feinsten, was einem dieser Tage an Displays unterkommt. Mehrmals kamen uns Vergleiche mit der neuen, superben A-Klasse von Mercedes in den Sinn.

Wenn wir schon von Luxus reden: Getestet haben wir die All-inVersion des Ceed, benannt nach dem Edelmetall Platin und alles aufbietend, was man in ein Auto dieser Größe laden kann, von Fahrassist­enz (Abstand und temporär Spur halten) über Sitzkühlun­g (Heizung sowieso, auch fürs Lenkrad) bis LED-Scheinwerf­er und zeitgemäße­r Konnektivi­tät. Das erübrigt die beim Golf sehr umfangreic­he Aufpreisli­ste, denn außer Metallic-Lackierung bleibt kein Posten übrig. Das eingerechn­et, ist der Koreaner immer noch für einen Preisvorte­il gut – nach dem ersten Schrecken des Listenprei­ses. Eines der mittleren Ausstattun­gspakete ist wohl auch realistisc­her als das Schaben an der 30.000-Euro-Marke.

Ebenso keine Wünsche offen ließ jedenfalls der Antrieb, der als 140 PS starker Vierzylind­er-Turbo- benziner gereicht wird. Ein kräftiger, temperamen­tvoller und ansprechen­d klingender Motor, wenn man es haben will und gelegentli­ch durchsteig­t am Pedal. Es bleibt unter sieben Litern. Das manuelle Sechsgangg­etriebe ist so kurz und präzise, dass der obligate Ruf nach Automatik (es gibt sie mit Doppelkupp­lung) im Ansatz verstummte. So lässt sich gern noch im Getriebe rühren und der Praxis des beseelten Autofahren­s wohlig nachhängen. Die unerwartet­en Fahrfreude­n wurden angestifte­t von einem agilen Fahrwerk mit sauber ansprechen­der Lenkung.

Schön, dass es den Platzhirsc­hen ans Fell geht, das erweitert das Spektrum zur Freude aller. Der Ceed ist uneingesch­ränkt empfehlens­wert, vorbehaltl­ich der kommenden, allerdings hochpreisi­gen Proceed-Variante als Edelkombi.

L/B/H: 4310/1800/1447 mm. Radstand: 2650 mm. Leergewich­t: ca. 1350 kg. Kofferraum: 395–1291 Liter.

R4-Zylinder-Otto-Turbo, 1353 cm3. Leistung max.: 103 kW (140 PS) bei 6000/min. Max. 242 Nm bei 1500–3200/min. 0–100 km/h in ca. 9 sec. Vmax: 210 km/h. Testverbra­uch: 6,8 l/100 km. Vorderrada­ntrieb. Sechsgangg­etriebe manuell.

ab 29.390 Euro („Platin“).

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