Der Zeitpunkt ist günstig
Fahrbericht. Kia bietet einen Golf-Konkurrenten in Bestform auf: Der Ceed beeindruckt mit Temperament und durchwegs Hochwertigkeit.
Den Golf stürzt bei uns so schnell keiner vom Thron. VW pflegt seinen Bestseller. Der Konkurrenz bleibt nur die Nagelfeile, um am Sesselbein zu sägen.
Zu den Marken, die das mit Beharrlichkeit tun, gehört Kia. Der kompakte Ceed mausert sich von Generation zu Generation – und nie war er dem Golf knapper auf den Fersen als in der aktuellen. Oder ist er ihm schon voraus? Der Zeitpunkt ist günstig, die heutige siebte Golf-Generation steht kurz vor der Ablöse im nächsten Jahr.
Der Ceed bringt zunächst ein paar Zentimeter mehr ins Spiel, er ist einen Hauch länger als der Golf mit drei Zentimetern mehr Radstand, was auf Platzvorteile im Inneren schließen lässt. Bis auf die Kopffreiheit – nahezu gleich, Vorteil Golf – ist das auch zutreffend. Erstaunlich für ein Auto, das mit 3,5 cm weniger Höhe von den Proportionen her knackiger auf der Straße steht. Nominell geht beim Kia auch mehr in den Kofferraum, voll besetzt ebenso wie bei umgelegten Rücksitzen.
Was einen aber gleich auf den ersten Kilometern staunen lässt, ist die fast feierliche Anmutung des Koreaners. Das schreit nach dem P-Wort, das die deutschen sogenannten Premium-Hersteller für sich gepachtet glauben, so geho- ben geht es im Cockpit zu. Der Herausforderer muss die Kundschaft auch irgendwie beeindrucken – im Ceed geschieht das durch Hochwertigkeit für Auge und Tastsinn. Da ist nichts Grobes oder Billiges zu entdecken, allein der brillante, akkurat auf Fingerdruck ansprechende 4,2-Zoll-Touchscreen gehört zum Feinsten, was einem dieser Tage an Displays unterkommt. Mehrmals kamen uns Vergleiche mit der neuen, superben A-Klasse von Mercedes in den Sinn.
Wenn wir schon von Luxus reden: Getestet haben wir die All-inVersion des Ceed, benannt nach dem Edelmetall Platin und alles aufbietend, was man in ein Auto dieser Größe laden kann, von Fahrassistenz (Abstand und temporär Spur halten) über Sitzkühlung (Heizung sowieso, auch fürs Lenkrad) bis LED-Scheinwerfer und zeitgemäßer Konnektivität. Das erübrigt die beim Golf sehr umfangreiche Aufpreisliste, denn außer Metallic-Lackierung bleibt kein Posten übrig. Das eingerechnet, ist der Koreaner immer noch für einen Preisvorteil gut – nach dem ersten Schrecken des Listenpreises. Eines der mittleren Ausstattungspakete ist wohl auch realistischer als das Schaben an der 30.000-Euro-Marke.
Ebenso keine Wünsche offen ließ jedenfalls der Antrieb, der als 140 PS starker Vierzylinder-Turbo- benziner gereicht wird. Ein kräftiger, temperamentvoller und ansprechend klingender Motor, wenn man es haben will und gelegentlich durchsteigt am Pedal. Es bleibt unter sieben Litern. Das manuelle Sechsganggetriebe ist so kurz und präzise, dass der obligate Ruf nach Automatik (es gibt sie mit Doppelkupplung) im Ansatz verstummte. So lässt sich gern noch im Getriebe rühren und der Praxis des beseelten Autofahrens wohlig nachhängen. Die unerwarteten Fahrfreuden wurden angestiftet von einem agilen Fahrwerk mit sauber ansprechender Lenkung.
Schön, dass es den Platzhirschen ans Fell geht, das erweitert das Spektrum zur Freude aller. Der Ceed ist uneingeschränkt empfehlenswert, vorbehaltlich der kommenden, allerdings hochpreisigen Proceed-Variante als Edelkombi.
L/B/H: 4310/1800/1447 mm. Radstand: 2650 mm. Leergewicht: ca. 1350 kg. Kofferraum: 395–1291 Liter.
R4-Zylinder-Otto-Turbo, 1353 cm3. Leistung max.: 103 kW (140 PS) bei 6000/min. Max. 242 Nm bei 1500–3200/min. 0–100 km/h in ca. 9 sec. Vmax: 210 km/h. Testverbrauch: 6,8 l/100 km. Vorderradantrieb. Sechsganggetriebe manuell.
ab 29.390 Euro („Platin“).