Der Zuschlag kommt für den Technologiekonzern Kapsch zur rechten Zeit, denn in Tschechien hat sich bei der Lkw-Maut ein Konkurrent durchgesetzt.
Auftrag.
Vor genau einem Jahr hat die Republik Österreich gegen die Pkw-Maut-Pläne Deutschlands eine Klage beim EU-Gerichtshof in Luxemburg eingebracht. Möglicherweise blitzt sie ab, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel vor wenigen Tagen gemeint hat. Oder Österreich zieht die Klage sogar zurück. Denn just ein österreichisches Unternehmen wird das deutsche Mautsystem errichten und betreiben: Die börsenotierte Kapsch TrafficCom hat den Großauftrag im Volumen von 120 Mio. Euro erhalten. Das bestätigte die Firma, die im Besitz der Familie des Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, steht, am Mittwochabend mit dem Hinweis auf die zuständige deutsche Vergabestelle.
Endgültig in der Tasche hat der heimische Mautspezialist den Zuschlag noch nicht. Erst wenn kein unterlegener Konkurrent die nunmehr laufende Einspruchsfrist nützt, kann der Zuschlag ab 22. Oktober fixiert werden. Andernfalls muss die Behandlung der Einsprüche abgewartet werden. Wie das so läuft, weiß Kapsch TrafficCom selbst nur zu genau: In Tschechien, wo Kapsch TrafficCom das Lkw-Mautsystem errichtet hat und betreibt, hat das Unternehmen heuer die Neuausschreibung für den zehnjährigen Betrieb ab 2020 verloren. Das tschechische Verkehrsministerium kürte das Konsortium SkyToll/CzechToll zum Bestbieter. Seither versuchen die Österreicher mit Einsprüchen, das Blatt zu wenden.
Der Vertrag in Deutschland läuft ab Beginn der Einhebung der Pkw-Maut zwölf Jahre und kann um bis zu drei Jahre verlängert werden. Vertragspartner Deutschlands ist die MTS Maut & Telematik Services GmbH, eine 100-prozentige Tochter von Kapsch TrafficCom.
„Wir haben einen Riesenschritt zur technischen und organisatorischen Umsetzung gemacht“, zitiert der „Münchner Merkur“den deutschen Verkehrsminister, Andreas Scheuer (CSU), der im Endspurt für die Landtagswahlen in seinem Heimatbundesland Bayern steht. Die Maut ist ein Prestigeprojekt der CSU. Sein Ministerium hat zuvor angekündigt, bis Jahresende solle auch feststehen, wer die Maut einhebt und kontrolliert. Letzteres und die Verfolgung von Verstößen sind nicht Teil des Kapsch-Auftrags.
Die Pkw-Maut soll auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden, für Ausländer allerdings nur auf Autobahnen. Für deutsche Autofahrer wird die Pkw-Maut je- doch zum Nullsummenspiel, weil sie im Gegenzug zur Mautgebühr geringere Kfz-Steuern entrichten müssen. Österreich – und Holland – kritisierten deshalb von Anfang an die „Ausländermaut“und brachten die Klage beim EuGH ein. Diese dürfte keinen Erfolg haben, weil inzwischen eine mit dem Europarecht konforme Lösung gefunden worden sei, betonte Kanzlerin Merkel.
„Die Deutschen zahlen in den meisten europäischen Ländern. Daher sollten die Ausländer jetzt auch in Deutschland zahlen – aus Gerechtigkeitsgründen“, argumentierte CSU-Chef Horst Seehofer schon im Bundestagswahlkampf 2013, als die PkwMaut diskutiert wurde. Ausländer, so auch die grenznah lebenden Bayern, müssen seit Jahren in Österreich und der Schweiz eine Autobahnvignette kaufen. Österreicher und Schweizer dürfen dagegen bisher kostenlos auf deutschen Autobahnen fahren.
Die Pkw-Maut soll laut Bundesverkehrsministerium jährlich Einnahmen in Höhe von 3,7 Mrd. Euro bringen, davon drei Mrd. Euro von inländischen Autofahrern. Abzüglich der Kosten für den Betrieb und vor allem der Mindereinnahmen bei der Kfz-Steuer wird mit einem Saldo von rund 500 Mio. Euro gerechnet.
Die Kapsch-TrafficCom-Aktie, mit einem Wertverlust seit Jahresbeginn von fast 32 Prozent heuer einer der schwächsten Prime-Titel an der Wiener Börse, machte am Donnerstag zu Handelsbeginn einen Sprung um knapp zehn Prozent. Im Tagesverlauf schwand der Vorsprung allerdings angesichts des international schwachen Börsenumfelds. (ag./eid)