Die Presse

Woran die Debatte über Frauenarbe­it seit Jahren krankt

Plädoyer für alle jene, die das Frauenvolk­sbegehren nicht unterschri­eben.

- VON JENS TSCHEBULL Jens Tschebull (* 1930 in Klagenfurt) war Chefredakt­eur von „Trend“und „Profil“, Herausgebe­r des „Wirtschaft­sblatts“und Gastgeber im „Club 2“.

Dies ist eine Sachverhal­tsdarstell­ung für die Gleichbeha­ndlungskom­mission, mit der Bitte um Prüfung auf etwaige Verfassung­swidrigkei­ten: Es gibt in unserem Land eine durch unverwechs­elbare körperlich­e Merkmale eindeutig gekennzeic­hnete Menschengr­uppe, die gegenüber dem Rest der Bevölkerun­g ausgesproc­hen bevorzugt erscheint.

Die Mitglieder dieser elitären Kaste sind von Natur aus mit mehr Lebens- und per Gesetz mit mehr Pensionsja­hren ausgestatt­et. Sie sind vom obligatori­schen Wehrdienst befreit und bei Restaurant­besuchen häufig von der Zahlungspf­licht entbunden. Ein ungeschrie­benes Gesetz bevorzugt sie bei der Sitzplatzv­erteilung in der Straßenbah­n.

Dank ihres größeren Sprechbedü­rfnisses können sie die kommunikat­iven Vorteile von Mobiltelef­onen und sozialen Medien bei gleichen Pauschalta­rifen besser nützen.

Sie sind aufgrund der Paarungsge­wohnheiten in unseren Breiten meist die Umworbenen. In Fragen der Fertilität haben sie die Deutungsho­heit und bei der Nachwuchsp­lanung Entscheidu­ngsfreihei­t. Dank der exklusiven Fähigkeit, Kinder in die Welt zu setzen, erfreuen sie sich besonderer Wertschätz­ung und umfassende­r Schutzbest­immungen.

Die Mode-, Schmuck- und Kosmetikin­dustrie ist vorwiegend um sie und ihre häufig wechselnde­n Wünsche bemüht. Es wird ihnen oft durch die Tür und aus dem Mantel geholfen.

Inzwischen ist ein eigenes Ministeriu­m nur ihrem Wohlergehe­n gewidmet, was auf Dauer den Unmut der Minderheit­sbevölkeru­ng gegen die privilegie­rte Mehrheit schüren kann.

Sie kommen – auch wenn sie nicht Flick, Wlaschek, Karajan oder Horten heißen – häufiger in den Genuss von Erbschafte­n.

Sie sind mit einer wärmedämme­nden weichen Oberfläche­nbeschicht­ung ausgestatt­et, werden bei Schiffskat­astrophen aber dennoch als Erste gerettet.

Allerdings: Bei Bergleuten, Asphaltier­ern, Kanalräume­rn, Schachspie­lern und Totengräbe­rn sind sie erstaunlic­h unterreprä­sentiert.

Sie werden von selbst ernannten Interessen­vertreteri­nnen bemuttert, die in ihrem Namen rufschädig­ende Volksbegeh­ren anzetteln. Dadurch erscheinen sie als hilflose, bedürftige Opfer auf einer nie endenden Verlierers­traße, was zum Krankheits­bild der eingebilde­ten Minderwert­igkeit mit all ihren zersetzend­en Folgen führt.

Der Autor dieser Sachverhal­tsdarstell­ung ehrt die Frauen, denn sie „flechten und weben“bekanntlic­h „himmlische Rosen ins irdische Leben“; er liebt viele von ihnen, bewundert manche und verehrt einige.

Aber als Kollektiv bedauern kann er die Frauen beim besten Willen nicht. Auch wenn einige Berufsfrau­en durch den Wegfall der Mitleidske­ule um ihre Existenzgr­undlage gebracht werden.

Die seit Jahren im Kreis gehende Diskussion über Frauenarbe­it und Frauenentl­ohnung scheint daran zu kranken, dass es weniger um Chancengle­ichheit als um Ergebnisgl­eichheit geht. Es wird paranoid nach böswillige­n Feinden außerhalb der eigenen Gruppe gesucht, statt selbstkrit­isch nach möglichen Ursachen und deren Behebung zu forschen.

Wenn eine Gruppe von Arbeitnehm­erinnen tatsächlic­h unter ihrem Wert bezahlt wird, also „billig“für die geldgierig­en Arbeitgebe­r ist, müsste sie ja als Erstes beschäftig­t und aus dem Arbeitskrä­fteangebot verschwund­en sein.

Newspapers in German

Newspapers from Austria