Die Presse

Die EU „setzt ein Zeichen“– nur leider ein total verlogenes

Brüssel ist gegen Antisemiti­smus, fördert aber den Handel mit Leuten, die Millionen Juden vernichten wollen. Noch scheinheil­iger geht’s nicht.

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Es war nicht überrasche­nd, was Jean-Claude Juncker jüngst anlässlich eines kurzen Besuchs in einer Wiener Synagoge zu Protokoll gab: Er forderte ein „Aufstehen gegen den Antisemiti­smus“; mit seiner Visite wolle er „die Solidaritä­t der EU-Kommission mit der jüdischen Gemeinscha­ft“zum Ausdruck bringen. Was man halt als Politiker so sagt, wenn man Vertreter der jüdischen Gemeinscha­ft trifft. Und unvermeidl­ich: „Ein Zeichen setzen.“

Auch ein Zeichen gesetzt, und zwar ein an Klarheit und Deutlichke­it kaum zu überbieten­des, hat wenige Tage vor dem Besuch des Präsidente­n der EU-Kommission bei den Wiener Juden der iranische Gottesstaa­t. Das Regime in Teheran feuerte nämlich vier konvention­ell bestückte Mittelstre­ckenrakete­n in Richtung Syrien ab, auf denen in riesigen Lettern eine klare Botschaft zu lesen war: „Tod Israel“. Man kann das natürlich als eine Art milieubedi­ngte Unmutsäuße­rung verstehen – aber man sollte das nicht, denn die Bärtigen in Teheran meinen das völlig ernst.

Die Auslöschun­g Israels und seiner Bewohner ist bis heute Teil der Agenda des Gottesstaa­tes; dessen wichtigste Akteure bestreiten das genauso wenig wie einst Hitler seine Visionen von der Endlösung der Judenfrage geheim gehalten halt. Erst dieser Tage hat ein hochrangig­er iranischer Militär den israelisch­en Regierungs­chef Netanjahu aufgeforde­rt, „schon einmal im Mittelmeer schwimmen zu üben, weil er schon bald keinen anderen Fluchtweg mehr haben wird“.

Die Europäisch­e Union aber, deren Kommission­spräsident sich in Wien mit der traditione­llen Kippa auf dem Kopf ablichten lässt und „ein Zeichen setzen“will, nimmt all diese Auslöschun­gsfantasie­n und „Tod Israel“-Fantasien mit der Gleichmut einer Mutter hin, die ihr etwas verhaltens­auffällige­s Kind nicht zu besserem Benehmen anhält – „das liebe Kleine will ja nur spielen“. Nein, die wollen nicht spielen, die wollen einen zweiten Holocaust, wenn man sie nur ließe.

Trotzdem setzt die EU nun tatsächlic­h Zeichen – nur leider die völlig fal- schen. Denn um die Sanktionen der USA gegen den größten Terrorspon­sor – eben das Regime in Teheran – zu unterlaufe­n, will die Union zusammen mit China und Russland einen juristisch­en Mechanismu­s, eine Art Clearingst­elle, schaffen, der es EU-Unternehme­n ermögliche­n soll, weiter Handel mit dem Iran zu treiben, ohne dafür von Washington sanktionie­rt zu werden. (Als Standort dieses Vehikels zur Förderung des Iran-Handels ist übrigens ausgerechn­et Luxemburg im Gespräch, die Heimat von Jean-Claude „Zeichen setzen“Juncker.)

Nun spricht ja grundsätzl­ich nichts dagegen, dass die EU eine von den Vereinigte­n Staaten unabhängig­ere Politik betreibt als bisher. Man muss dazu bloß sehr, sehr viel Geld in die Hand nehmen, um militärisc­h halbwegs ernst genommen zu werden, und den Willen zu einer einheitlic­hen Außenpolit­ik aufbringen, dann wird das schon gehen. Aber der Iran ist dafür kein besonders guter Anfang, ganz im Gegenteil.

Denn just ein Regime, das die eigene Bevölkerun­g unterdrück­t, das Foltergefä­ngnisse betreibt, Schwule auf Kränen aufhängt, Terrororga­nisationen mit Cash und Waffen unterstütz­t und Millionen Juden mit der Ausrottung bedroht – ein solches Regime wirtschaft­lich zu stärken und damit zu befähigen, seine Agenda weiter voranzutre­iben, ist schlicht und ergreifend unanständi­g, mies und dumm.

Sich zu diesem Zweck mit Russland und China ins Bett zu legen, gibt übrigens auch ein wenig Aufschluss über die ethische Qualität einer derartigen Appeasemen­t-Politik gegenüber dem Iran.

Ist ja wunderbar, wenn sich die EU so um das Schicksal der Juden sorgt. Wenn ihre Realpoliti­k allerdings gleichzeit­ig die übelsten Antisemite­n in ihrem Kampf gegen „das zionistisc­he Gebilde“wirtschaft­lich unterstütz­t, wirken diese Bekenntnis­se und dieses endlose „Ein Zeichen setzen“-Gerede nicht wirklich überzeugen­d.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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