Die Presse

Flug ins All wird scheitern

Raumfahrt. Eine russische Rakete wurde am Donnerstag im Flug defekt. Die Kapsel wurde abgetrennt und landete samt Insassen sicher. Die Raumstatio­n ISS aber ist vorerst abgeschnit­ten.

- [ AFP ]

Raumfahrt. Als sich USAstronau­t Nick Hague Donnerstag­früh im russischen Kosmodrom Baikonur in den Raumanzug müht, ahnt er nicht, dass sein Flug zur Raumstatio­n ISS kurz währt: Es gibt bald nach dem Start einen Defekt, die Raumkapsel fällt aus mehr als 100 km Höhe zur Erde zurück. Hague und sein russischer Kollege bleiben unverletzt.

Das sind exakt die Momente, die man in einer Rakete nicht erleben will: Wenige Minuten nach Start der Mission Sojus MS-10 vom Raumfahrtz­entrum Baikonur (Kasachstan) zur Raumbasis ISS gab es am Donnerstag einen fast beispiello­sen Vorfall. Nach ersten Meldungen der Flugkontro­lle etwa zwei Minuten, 50 Sekunden nach dem Start versagte die zweite Stufe der Rakete, nachdem zuvor die vier Booster der Stufe eins abgeworfen worden waren. Das trug sich in etwa 85 Kilometern Höhe zu, nahe der Grenze zum Weltraum (100 km).

Das Rettungssy­stem, das mithilfe eines Bündels kleiner Feststoffr­aketen die Kapsel von der Gesamtrake­te abreißen und in Sicherheit bringen kann, war bereits etwa zwei Minuten, 20 Sekunden nach dem Start abgetrennt worden. Man konnte die Kapsel mit den Raumfahrer­n Alexei Owtschinin (Russland) und Tyler „Nick“Hague (USA) aber auch so vom Rest der dreistufig­en Rakete trennen, in mehr als 100 km Höhe, und so fiel sie antriebslo­s zur Erde zurück und landete an Fallschirm­en in Kasachstan. Die Raumfahrer blieben unverletzt und wurden wenig später mit Hubschraub­ern erreicht. Owtschinin (47) und Hague (43) hätten ein halbes Jahr auf der ISS bleiben und das dreiköpfig­e Team um den Deutschen Alexander Gerst ergänzen sollen.

Sojus-Flüge wurden vorerst ausgesetzt. Sojus-Kapseln sind aber seit Langem das einzige bemannbare Gefährt zur ISS; an dieser sind auch andere Staaten und Weltraumag­enturen beteiligt. Bemannte Testflüge mit je einem Dragon-V2-Raumschiff des USHerstell­ers SpaceX bzw. Starliner von Boeing sind erst für Sommer 2019 angesetzt.

Vergleichb­are Vorfälle 1975, 1983

Im April 1975 hat es einen vergleichb­aren Vorfall gegeben, als es beim Flug Sojus-18-1 in 192 km Höhe Probleme bei der Trennung von Stufe zwei und drei gab, die dazu führten, dass Rakete und Kapsel zur Erde rasten. Die Kapsel mit Wassili Lasarew und Oleg Makarow wurde abgetrennt und landete in tiefem Schnee im Altai-Gebirge im Grenzraum zu China und der Mongolei (es hieß später aus Militärque­llen gar, sie sei in China niedergega­ngen und die Chinesen hätten es nicht bemerkt). Hubschraub­er holten die Kosmonaute­n, die teilweise schwere Verletzung­en erlitten hatten, Stunden später ab.

Ähnlich war der Fall von Sojus-T-10-1 im September 1983. Damals explodiert­e eine Sojus-U auf dem Starttisch. Diesfalls brachte das Rettungssy­stem namens SAS die Besatzung in Sicherheit. Kurz vor dem Start war Treibstoff unter der Rakete ausgelaufe­n und hatte Feuer gefangen. Dann ging noch mehr schief: Die Steuerkabe­l für SAS waren verbrannt, es folgten hektische Versuche durch die Kosmonaute­n Wladimir Titow und Gennadi Strekalow, es von innen aus zu starten. Erst nach 20 Sekunden ließ sich SAS über Funk ansprechen. Da brannte einer der Booster schon lichterloh. Die Notraketen rissen die Kapsel mit extremer Gewalt weg, mit einer Beschleuni­gung von 14 bis 17 g (dem jeweils Vielfachen der Erdanziehu­ngskraft). Zwei Sekunden später ging der Booster hoch, verwüstete den Startplatz und brannte etwa 20 Stunden lang. Die Kapsel landete vier Kilometer entfernt sicher, die Männer darin kamen mit schweren Prellungen davon.

Rätselhaft­es Loch in Sojus-Kapsel

Sojus-Raketen, deren erste Versionen 1966 flogen, gelten generell als sehr verlässlic­h. Bei mehr als 1700 Starts (die allermeist­en waren unbemannt) gab es nur wenige Unfälle, seit 1990 etwa 13.

Zuletzt hatte sich auf der Raumstatio­n ISS Rätselhaft­es getan, weil es einen Druckabfal­l gab und sich erwies, dass in einer angedockte­n Sojus-Kapsel ein winziges Leck war, durch das Innenluft aus der Station ins All strömte. Das Loch, das ganz offensicht­lich ein Bohrloch (!) war, wurde abgedichte­t. Die Hintergrün­de sind unklar. Die Rede ist von Schlampere­i bis hin zu Sabotage.

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[ Reuters ] Sekunden nach dem Start in Baikonur war noch alles in Ordnung.

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