Umbruch in Bayern: CSU stürzt ab
Wahlen. Die einst politisch allmächtige CSU verliert nicht nur ihre absolute Mehrheit, sondern stürzt auch weit unter 40 Prozent ab. Jetzt wird in München die Schuldfrage geklärt – und ein Koalitionspartner gesucht.
München. Wenn schon keine Freude herrscht, dann zumindest Schadenfreude: Als die ersten Hochrechnungen im CSU-Fraktionssitzungssaal im Münchner Landtag eingeblendet werden, herrscht zunächst absolute Stille im Raum: 35,5 Prozent also. Für die CSU. In Bayern. Das ist keine Niederlage, die man schönreden oder auf schlechte Kommunikation zurückführen kann. Das ist eine veritable Krise, der Anfang vom Ende der Volksparteien, auch in Bayern. Geklatscht wird bei den Christsozialen nur, als bekannt wird: Die Linke wird den Einzug in den Landtag nicht schaffen. Zumindest eine gute Nachricht für die CSU an diesem Abend. Applaudiert wird auch, als Ministerpräsident Markus Söder erscheint: „Ein schmerzhaftes Ergebnis“, wird er das Abschneiden nennen.
Nicht einmal die hohe Wahlbeteiligung, auf die Ministerpräsident Markus Söder verzweifelt gehofft hatte, konnte die CSU aus ihrem Tief retten. Die Christsozialen versuchten die letzten Zweifler von sich zu überzeugen: Nur eine starke CSU könne eine stabile Regierung bilden. All die Mahnungen und Warnungen, sie wurden nicht gehört.
Wie wenig Hoffnung Söder und Parteichef Horst Seehofer selbst in ihren Erfolg hatten, zeigte eine Absprache, die die beiden laut „Bild“getroffen haben: Erreicht die CSU mehr als 33 Prozent, wollen sie den jeweils anderen nicht öffentlich dafür verantwort- lich machen. Zumindest noch nicht. Nur wenn das Ergebnis noch schlechter ausfalle, sei intern alles erlaubt. Gemeinsame Auftritte von Ministerpräsident und Parteichef waren am Wahlabend nicht geplant: Zu groß die Gefahr, dass vor laufender Kamera die Schuldfrage gestellt wird.
Doch eine Antwort darauf wird verlangt werden. Auch innerhalb der Partei. Spätestens heute, Montag, wird in der Münchner CSU-Zentrale darüber gesprochen werden. Am Vormittag kommt der Parteivorstand zusammen, fünf Stunden lang will man über das Wahlergebnis uns seine Folgen debattieren. Gut möglich, dass die Sitzung länger sogar noch länger dauern wird. Es gibt einiges zu besprechen.
Schlechter schnitt CSU nur 1950 ab
Zum Beispiel muss die jüngste Vergangenheit aufgearbeitet werden. Wie kann es sein, dass die einst politisch allmächtige CSU derart abstürzen konnte? 47,7 Prozent erreichte die Partei unter dem damaligen Ministerpräsidenten Seehofer vor fünf Jahren. Damit holte er die absolute Mehrheit zurück, die 2008 verloren ging. Selbst an jenem Wahlabend vor zehn Jahren, der einigen Christsozialen noch schmerzhaft in Erinnerung ist, blieb die Partei mit 43,4 Prozent weit über dem jetzigen Ergebnis.
Man muss schon weit in die Historie der CSU zurückblicken, um ein ähnlich schlechtes Ergebnis zu entdecken: 1954 erhielten die Christsozialen 38 Prozent, vier Jahre zuvor 27,4 Prozent. Das zweitschlechteste Er- gebnis der CSU? So wollte Söder nicht in die Geschichte eingehen.
Nun muss er auch noch akzeptieren, dass das Motto des CSU-Granden Franz Josef Strauß endgültig passe´ ist: Der Wahlsonntag zeigt, dass rechts von der CSU recht viel Platz ist. Die AfD schnitt sogar besser als erwartet ab. Damit ist die Partei in 15 Landtagen Deutschlands vertreten. In zwei Wochen, bei der Wahl in Hessen, werden es alle 16 Landesparlamente sein.
Für Söder das vielleicht Schlimmste an dem Wahlergebnis: Er kann nicht mehr alleine mit seiner CSU regieren – und braucht einen Koalitionspartner. So, wie das unbeliebte und instabile Berlin. Nur, dass die Regierung in München weitaus schneller stehen muss. Laut Gesetz muss sie innerhalb von vier Wochen im Amt sein.
Will Söder eine Zweierkoalition eingehen, sind die Möglichkeiten begrenzt: Eine Kooperation mit der AfD (laut Söder gehört sie in Bayern „zum Rechtesten, das es gibt“) hat er selbst schon ausgeschlossen. Eine Zusammenarbeit mit den Freien Wählern, eine Art bürgernähere CSU, wäre politisch am kompatibelsten. Sie hängt aber von der letztendlichen Mandatsstärke der kleinen Partei im Landtag ab. Die SPD, einst noch die zweitstärkste Kraft im Land, stürzte am Wahlsonntag noch tiefer als die CSU ab: Die Sozialdemokraten verloren einen Großteil ihrer Wähler. Vor fünf Jahren hatten sie noch 20,6 Prozent. Das jetzige Ergebnis ist eine Katastrophe für die Partei, die bis in die Berliner Zentrale Auswirkungen haben könnte.
Höhenflug der Grünen
Wohin einige der einst roten Wähler gewechselt sind, zeigt der Aufstieg einer anderen Partei: der Grünen. Sie konnten ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Im Jahr 2013 erreichten sie noch 8,6 Prozent der Stimmen. Dass die Grünen „bereit sind, Verantwortung zu übernehmen“, haben sie im Wahlkampf gleich mehrmals betont. Dochen den Vorzug gäbe die CSU eine Koalition mit den Freien Wählern, die 11,5 Prozent erzielten. Die Frage ist jetzt, wie viel Kompromisse Söder eingeht. Und wie viel Macht er an den künftigen Partner abgeben will. Er hat ja nicht mehr so viel.