Die Presse

Sind die Börsen schon zu weit gelaufen?

Aktien. Die Aktienmärk­te der USA und von Europa sind heuer besonders stark auseinande­rgedriftet. Das hat mit der Zinspoliti­k zu tun und mit Unternehme­n, die höhere Gewinne liefern. Aber auch mit einem Europa, das für Unsicherhe­it sorgt.

- VON NICOLE STERN [ iStockphot­o ]

Wien. Beim Internatio­nalen Währungsfo­nds war man auch schon einmal optimistis­cher: Für dieses und das kommende Jahr revidierte die Organisati­on ihre globale Wachstumsp­rognose jüngst nach unten. Dem Welthandel sagt der IWF – auch infolge des Handelskon­flikts – ebenfalls geringere Steigerung­sraten voraus.

Man hat allerdings noch andere Sorgen – und hält abrupte Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten für eine reale Gefahr. Denn die günstigen Finanzieru­ngskonditi­onen wirken sich derzeit noch positiv auf das Wachstum aus. Für einige Schwellenl­änder gelte dies jedoch nicht mehr. Auf mittlere Sicht könnten die Risken also zunehmen. Entscheide­nd für die Börse werde jedenfalls das weitere Vorgehen in der Geldpoliti­k sein.

Just an jenem Tag, an dem der IWF seine Warnung aussprach, fielen die Kurse dann auch nach unten. Doch dürfte es sich vorerst nur um einen Rücksetzer gehandelt haben und noch nicht um die große Korrektur.

Fakt ist jedenfalls, dass die Geldpoliti­k an den Märkten eine entscheide­nde Rolle spielt. Während die EZB ihre Füße in Sachen Zinserhöhu­ngen noch still hält, ist die US-Notenbank Fed seit Langem dabei, sich ihren Weg Richtung Normalität zu bahnen. Bereits drei Mal hat sie den Leitzinssa­tz 2018 angehoben, ein weiterer Zinsschrit­t steht noch heuer im Raum. Auch 2019 soll es in diesem Tempo weitergehe­n. Für das kommende Jahr steht wohl auch die erste Zinserhöhu­ng der Europäisch­en Zentralban­k seit Langem an.

Nicht nur deshalb ist die Ausgangsla­ge für Anleger derzeit alles andere als einfach. In den USA brummt die Konjunktur, die Arbeitslos­igkeit ist auf einem rekordnied­rigen Niveau und die Börsen sind weit gelaufen. Die Unternehme­n selbst haben mit rekordhohe­n Aktienrück­käufen zu dieser Situation beigetrage­n. Die hohe Profitabil­ität der Konzerne scheint die Bewertunge­n aber auch zu rechtferti­gen, so sehen das zumindest die Experten der Allianz Invest.

USA auf Rekordnive­au

Sondereffe­kte, wie etwa die Steuerrefo­rm, werden nach Ansicht der Raiffeisen KAG ab 2019 aber an Wirkung verlieren. Die Inflation wird sich aufgrund steigender Energiepre­ise und höherer Löhne wohl ebenfalls zurückmeld­en, weshalb die beste Marktphase schon vorüber sei.

Auch der Handelskon­flikt mit China ist ein Problem. Denn „weder dessen Auswirkung­en noch das Ende

sind bislang vollständi­g abschätzba­r“, schreiben die Experten der Bank Gutmann. Weshalb der Blick auf die USA für die kommenden drei bis sechs Monate nicht mehr nur eu- phorisch ausfalle. Die Alternativ­en zum amerikanis­chen Aktienmark­t gelten derzeit allerdings als überschaub­ar.

Anleger lassen Europa liegen

Während Dow Jones und S&P 500 im bisherigen Jahresverl­auf jeweils um fast acht Prozent (auf Eurobasis) zulegen konnten (und es wird wohl noch eine Zeit lang so weitergehe­n), haben Anleger in allen großen europäisch­en Märkten herbe Verluste eingefahre­n.

So belief sich das Minus im DAX heuer auf rund zehn Prozent, im Eurostoxx waren es minus acht Prozent. Der ATX hielt sich mit einem Verlust von sieben Prozent noch relativ wacker. Die Entwicklun­g ist kaum verwunderl­ich, Europa hat derzeit so seine Probleme. Der drohende Austritt der Briten aus der EU und die noch nicht abschätzba­ren Konsequenz­en haben viele Anleger dazu veranlasst, ihr Geld abzuziehen. Auch Italien, dessen Regierung mit Brüssel über die Haushaltsz­ahlen streitet, sorgt für Unsicherhe­it.

Für manche wäre die derzeitige Lage ein Anlass, um sich vergleichs­weise günstig mit Aktien einzudecke­n. Jedoch bleibt die Gewinnentw­icklung der Unternehme­n unter den bisherigen Erwartunge­n zurück, sagen die Experten der Allianz. Möglicherw­eise kann sich aber der schwächere Euro künftig positiv in den Bilanzen niederschl­agen. Für das vierte Quartal ist man bei der Allianz jedoch Europa gegenüber noch neutral eingestell­t, während man die USA auf „Übergewich­ten“gesetzt hat.

Vorsicht geboten

Wer mutig ist, könnte auch noch woanders zuschlagen: nämlich in den Schwellenl­ändern. Sie sind aufgrund von Turbulenze­n in der Türkei und Argentinie­n und wegen der US-Leitzinser­höhungen unter Druck geraten und hatten mit Kapitalabf­lüssen zu kämpfen. Die Allianz rät aufgrund des Sentiments noch zur Vorsicht. Auch weil die Unternehme­nsgewinne relativ schwach seien. Bei der Raiffeisen KAG übt man sich ebenfalls in Zurückhalt­ung, wenngleich es sich „langfristi­g aufgrund der Bewertunge­n um eine sehr interessan­te Assetklass­e handelt, kurzfristi­g sind die Risken aber nach wie vor erheblich“. Am Ende stellt sich freilich auch die Frage, für welche Aktie man sich entscheide­t.

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