„Mit 38,5 Stunden kannst du nicht gründen“
Interview. Die Fitness-App Runtastic hat Florian Gschwandtner zum Multimillionär gemacht. Er erzählt über die Anfangsjahre, warum er seinen Porsche auf Facebook präsentiert und für einen Kaffee niemals 50 Euro Trinkgeld geben würde.
Die Presse: Viele Wegbegleiter sagen, Sie sind ein guter Verkäufer. Wann haben Sie diese Stärke selbst bemerkt? Florian Gschwandtner: Eigentlich habe ich nur bemerkt, dass ich anderen gern helfe, und mich darüber gefreut, wenn sie zufrieden mit dem Ergebnis waren. Da habe ich noch nicht daran gedacht, ein guter Verkäufer zu sein, das hat sich ergeben.
Was war Ihr erster erfolgreicher Verkauf? Ich glaube, das war mit 14 Jahren, in der Moped-Zeit, da habe ich einen Zylinder im Katalog bestellt und mit Einbau weiterverkauft. Ich habe aber auch sehr oft kostenlos geholfen. Es hat gedauert, bis ich irgendwann Nein sagen konnte. Denn leider bekommt man von vielen Menschen nichts zurück. Haben Sie sich ausgenutzt gefühlt? Das würde ich so nicht sagen, aber es gibt eine Grenze. (Er zeigt auf ein Bild im Büro, auf dem ein großes „No“zu lesen ist.)
Sind Sie ein Neinsager? Willst du ein guter Manager sein, ist Nein jedenfalls wichtiger als ein Ja. Nein zu Interviewfragen, nein zu Keynote-Anfragen, nein zu Treffen, bei denen Leute ihre Ideen verkaufen wollen, nein zu Social-Media-Anfragen. Das klingt vielleicht arrogant, aber man muss im Unternehmen auch noch etwas weiterbringen.
Sind Sie ein Workaholic? Auch wenn viele anderer Meinung sind, sage ich Nein. Runtastic war ein leidenschaftliches Projekt, in das ich zehn Jahre sehr viel Energie gesteckt habe. Sonst wären wir auch nicht dort, wo wir jetzt sind. Aber ein Workaholic ist jemand, der sich gar nicht herausnehmen kann, so bin ich nie gewesen. Ich kann schnell abschalten und habe sehr wenige schlaflose Nächte gehabt. Und ich kann jetzt auch sagen: Ich gehe, das Unternehmen ist gut aufgestellt.
Sie verlassen Runtastic Ende des Jahres. Wie geht es weiter? Es gibt keinen Plan, zuerst einmal eine Auszeit. Ich will Reisen, Skifahren, Heliskiing lernen.
Sind Sie risikoaffin? Definitiv, in jeder Hinsicht, wenn es darum geht, irgendwo herunterzuspringen, herunterzufahren, auf der Rennstrecke.
Auch beim Geldanlegen? Da muss ich diversifizieren, um Geld für die risikoreichen Dinge zu haben. Denn Start-ups sind Hochrisikobereich. Und ich investiere in Start-ups.
Für Sie und Ihre Kollegen war es 2009 nicht ganz so einfach, einen Investor zu finden. Egal zu wem wir gegangen sind, wir haben immer ein Nein gehört, oft wurden wir belächelt.
Zu wem sind Sie denn gegangen? Ich nenne keine Namen, aber zu Industriellen, zu Banken, und zu den wenigen Start-up-Leuten, die es damals in Österreich gab. Jedes Nein war auch eine Motivation, denn Ablehnung kann Ehrgeiz hervorrufen.
Woher kam am Ende das Geld? Wir haben es verdient. Christian und Rene´ haben Apps für Telekommunikationsanbieter gebaut, ich habe an der FH Steyr unterrichtet. Alfred hat Consultingleistungen angeboten. Wir haben alles in Runtastic gesteckt und uns nie selbst etwas ausgezahlt.
Wie haben Sie anfangs gelebt? Wir haben nicht schlecht gelebt, wir hatten ja auch davor wenig Geld. Das Essen kam vom Hofer, Kornspitz mit Schinken. Auf Geschäftsreisen haben wir im Hostel geschlafen, mit 16 Leuten im Zimmer. Essen gehen war Luxus. Wir haben uns immer gefreut, wenn wir zum Abendessen eingeladen wurden.
Was ist heute für Sie Luxus? Der größte Luxus ist finanzielle Unabhängigkeit – und Zeit. Auch Fünf-Sterne-Hotels sind nach wie vor Luxus.
Finanziell? Es tut mir schon weh, 400 Euro in der Nacht für ein Hotel zu zahlen, wenn ich dort nur übernachte. Ein großer Luxus ist für mich auch, die Autos zu fahren, die ich fahre.
Wie viele Autos sind das? Ich besitze drei oder vier.
Also bis jetzt hat es sehr bodenständig geklungen . . . Moment. Ich habe mir gerade einen Golf GTI 1983er-Jahr um 20.000 Euro gekauft. Es muss ja nicht Millionen kosten. Der Golf und der alte Audi, das sind Liebhaberstücke. Dann gibt es schon noch den Porsche 911. Eigentlich habe ich eh nur drei Autos, ein weiteres ist geteilt und eines geborgt, weil ich Markenbotschafter bei Audi bin.
Verliert man nie die Bodenhaftung, wenn man auf einmal sehr
(* 1983) ist in Oberösterreich als Sohn von Landwirten aufgewachsen. 2009 gründete er mit drei Studienkollegen Österreichs erfolgreichstes Start-up, die Fitness-App Runtastic. Sie wurde 2015 für 220 Millionen Euro an Adidas verkauft. Gschwandtner bleibt bis Jahresende CEO, verlässt dann das Unternehmen und nimmt sich eine Auszeit. Am 24. September erschien seine Biografie „So läuft Start-up“im Ecowin-Verlag. viel Geld bekommt, so wie Sie? Zumindest sagen viele über mich und meine Gründerkollegen, dass wir sie nicht verloren haben. Als wir das Geld nicht gehabt haben, haben wir auch nicht weniger gelacht, das möchte ich nie vergessen. Ich möchte nie einer dieser Von-oben-herab-Menschen sein. Den größten Respekt habe ich vor Leuten, die viel vermögender als ich sind und völlig normal geblieben sind. Ich kenne aber auch andere. Wenn ein Fußballspieler der Kellnerin 50 Euro für zwei Kaffees hinwirft und „Passt schon“sagt, ist das peinlich und respektlos.
Vielleicht freut sie sich ja auch über das hohe Trinkgeld? Ich habe selbst als Kellner gearbeitet und gebe gern ein gutes Trinkgeld. Ich gebe auch keines, wenn jemand einen schlechten Job macht. Die Relation soll stimmen. Ansonsten zeige ich nur, dass ich viel Geld habe und es mir egal ist.
Haben Sie Neider? Ich finde Neid dumm, aber ich habe ihn auch fast nie erfahren, vielleicht, weil wir alles selbst verdient haben. Als ich meinen Porsche auf Facebook gepostet habe und erklärt habe, dass ich mir damit einen Jugendtraum erfüllt habe, haben das viele gut gefunden. Ich glaube, dass in meiner Generation Neid kein so großes Thema mehr ist.
Vielleicht ist materieller Reichtum auch nicht mehr so wichtig. Ja, happiness is the new Rich! Nehmen wir zum Beispiel das Auto: Den nächsten Generationen ist es wohl völlig egal, in welches sie einsteigen, weil es nur noch ein Mittel zum Zweck sein wird.
Interessant, dass gerade Sie das sagen. Nun ja, für mich ist es eine Leidenschaft. Aber der nächste hat seine Leidenschaft vielleicht beim Fußballspielen oder beim Golfen.
Vielen Ihrer Generation ist Freizeit ein großes Anliegen. Wie stehen Sie zum Zwölf-Stunden-Tag? Wenn ein Mitarbeiter länger arbeiten will, muss es die Möglichkeit geben, das legal zu machen. Außerdem: Wenn ich mich als junger Start-up-Unternehmer an irgendwelche Arbeitszeitregelungen halten würde, dann würde es keine Unternehmen mehr geben. Mit 38,5 Stunden kannst du kein erfolgreiches Start-up gründen.
Haben Sie sonst noch Tipps für junge Gründer? Erstens: Ich halte sehr viel von Gründen im Team. Zweitens: Wenn man umfällt – und man wird umfallen –, dann muss man wieder aufstehen. Und drittens: Nicht auf Neinsager hören.
Also nicht auf Sie hören? Ja, auch das. Man sollte es nicht zu ernst nehmen, wenn Florian Gschwandtner Nein sagt. Außer man ist mein Mitarbeiter.