Die Presse

„Mit 38,5 Stunden kannst du nicht gründen“

Interview. Die Fitness-App Runtastic hat Florian Gschwandtn­er zum Multimilli­onär gemacht. Er erzählt über die Anfangsjah­re, warum er seinen Porsche auf Facebook präsentier­t und für einen Kaffee niemals 50 Euro Trinkgeld geben würde.

- VON STEFANIE KOMPATSCHE­R

Die Presse: Viele Wegbegleit­er sagen, Sie sind ein guter Verkäufer. Wann haben Sie diese Stärke selbst bemerkt? Florian Gschwandtn­er: Eigentlich habe ich nur bemerkt, dass ich anderen gern helfe, und mich darüber gefreut, wenn sie zufrieden mit dem Ergebnis waren. Da habe ich noch nicht daran gedacht, ein guter Verkäufer zu sein, das hat sich ergeben.

Was war Ihr erster erfolgreic­her Verkauf? Ich glaube, das war mit 14 Jahren, in der Moped-Zeit, da habe ich einen Zylinder im Katalog bestellt und mit Einbau weiterverk­auft. Ich habe aber auch sehr oft kostenlos geholfen. Es hat gedauert, bis ich irgendwann Nein sagen konnte. Denn leider bekommt man von vielen Menschen nichts zurück. Haben Sie sich ausgenutzt gefühlt? Das würde ich so nicht sagen, aber es gibt eine Grenze. (Er zeigt auf ein Bild im Büro, auf dem ein großes „No“zu lesen ist.)

Sind Sie ein Neinsager? Willst du ein guter Manager sein, ist Nein jedenfalls wichtiger als ein Ja. Nein zu Interviewf­ragen, nein zu Keynote-Anfragen, nein zu Treffen, bei denen Leute ihre Ideen verkaufen wollen, nein zu Social-Media-Anfragen. Das klingt vielleicht arrogant, aber man muss im Unternehme­n auch noch etwas weiterbrin­gen.

Sind Sie ein Workaholic? Auch wenn viele anderer Meinung sind, sage ich Nein. Runtastic war ein leidenscha­ftliches Projekt, in das ich zehn Jahre sehr viel Energie gesteckt habe. Sonst wären wir auch nicht dort, wo wir jetzt sind. Aber ein Workaholic ist jemand, der sich gar nicht herausnehm­en kann, so bin ich nie gewesen. Ich kann schnell abschalten und habe sehr wenige schlaflose Nächte gehabt. Und ich kann jetzt auch sagen: Ich gehe, das Unternehme­n ist gut aufgestell­t.

Sie verlassen Runtastic Ende des Jahres. Wie geht es weiter? Es gibt keinen Plan, zuerst einmal eine Auszeit. Ich will Reisen, Skifahren, Heliskiing lernen.

Sind Sie risikoaffi­n? Definitiv, in jeder Hinsicht, wenn es darum geht, irgendwo herunterzu­springen, herunterzu­fahren, auf der Rennstreck­e.

Auch beim Geldanlege­n? Da muss ich diversifiz­ieren, um Geld für die risikoreic­hen Dinge zu haben. Denn Start-ups sind Hochrisiko­bereich. Und ich investiere in Start-ups.

Für Sie und Ihre Kollegen war es 2009 nicht ganz so einfach, einen Investor zu finden. Egal zu wem wir gegangen sind, wir haben immer ein Nein gehört, oft wurden wir belächelt.

Zu wem sind Sie denn gegangen? Ich nenne keine Namen, aber zu Industriel­len, zu Banken, und zu den wenigen Start-up-Leuten, die es damals in Österreich gab. Jedes Nein war auch eine Motivation, denn Ablehnung kann Ehrgeiz hervorrufe­n.

Woher kam am Ende das Geld? Wir haben es verdient. Christian und Rene´ haben Apps für Telekommun­ikationsan­bieter gebaut, ich habe an der FH Steyr unterricht­et. Alfred hat Consulting­leistungen angeboten. Wir haben alles in Runtastic gesteckt und uns nie selbst etwas ausgezahlt.

Wie haben Sie anfangs gelebt? Wir haben nicht schlecht gelebt, wir hatten ja auch davor wenig Geld. Das Essen kam vom Hofer, Kornspitz mit Schinken. Auf Geschäftsr­eisen haben wir im Hostel geschlafen, mit 16 Leuten im Zimmer. Essen gehen war Luxus. Wir haben uns immer gefreut, wenn wir zum Abendessen eingeladen wurden.

Was ist heute für Sie Luxus? Der größte Luxus ist finanziell­e Unabhängig­keit – und Zeit. Auch Fünf-Sterne-Hotels sind nach wie vor Luxus.

Finanziell? Es tut mir schon weh, 400 Euro in der Nacht für ein Hotel zu zahlen, wenn ich dort nur übernachte. Ein großer Luxus ist für mich auch, die Autos zu fahren, die ich fahre.

Wie viele Autos sind das? Ich besitze drei oder vier.

Also bis jetzt hat es sehr bodenständ­ig geklungen . . . Moment. Ich habe mir gerade einen Golf GTI 1983er-Jahr um 20.000 Euro gekauft. Es muss ja nicht Millionen kosten. Der Golf und der alte Audi, das sind Liebhabers­tücke. Dann gibt es schon noch den Porsche 911. Eigentlich habe ich eh nur drei Autos, ein weiteres ist geteilt und eines geborgt, weil ich Markenbots­chafter bei Audi bin.

Verliert man nie die Bodenhaftu­ng, wenn man auf einmal sehr

(* 1983) ist in Oberösterr­eich als Sohn von Landwirten aufgewachs­en. 2009 gründete er mit drei Studienkol­legen Österreich­s erfolgreic­hstes Start-up, die Fitness-App Runtastic. Sie wurde 2015 für 220 Millionen Euro an Adidas verkauft. Gschwandtn­er bleibt bis Jahresende CEO, verlässt dann das Unternehme­n und nimmt sich eine Auszeit. Am 24. September erschien seine Biografie „So läuft Start-up“im Ecowin-Verlag. viel Geld bekommt, so wie Sie? Zumindest sagen viele über mich und meine Gründerkol­legen, dass wir sie nicht verloren haben. Als wir das Geld nicht gehabt haben, haben wir auch nicht weniger gelacht, das möchte ich nie vergessen. Ich möchte nie einer dieser Von-oben-herab-Menschen sein. Den größten Respekt habe ich vor Leuten, die viel vermögende­r als ich sind und völlig normal geblieben sind. Ich kenne aber auch andere. Wenn ein Fußballspi­eler der Kellnerin 50 Euro für zwei Kaffees hinwirft und „Passt schon“sagt, ist das peinlich und respektlos.

Vielleicht freut sie sich ja auch über das hohe Trinkgeld? Ich habe selbst als Kellner gearbeitet und gebe gern ein gutes Trinkgeld. Ich gebe auch keines, wenn jemand einen schlechten Job macht. Die Relation soll stimmen. Ansonsten zeige ich nur, dass ich viel Geld habe und es mir egal ist.

Haben Sie Neider? Ich finde Neid dumm, aber ich habe ihn auch fast nie erfahren, vielleicht, weil wir alles selbst verdient haben. Als ich meinen Porsche auf Facebook gepostet habe und erklärt habe, dass ich mir damit einen Jugendtrau­m erfüllt habe, haben das viele gut gefunden. Ich glaube, dass in meiner Generation Neid kein so großes Thema mehr ist.

Vielleicht ist materielle­r Reichtum auch nicht mehr so wichtig. Ja, happiness is the new Rich! Nehmen wir zum Beispiel das Auto: Den nächsten Generation­en ist es wohl völlig egal, in welches sie einsteigen, weil es nur noch ein Mittel zum Zweck sein wird.

Interessan­t, dass gerade Sie das sagen. Nun ja, für mich ist es eine Leidenscha­ft. Aber der nächste hat seine Leidenscha­ft vielleicht beim Fußballspi­elen oder beim Golfen.

Vielen Ihrer Generation ist Freizeit ein großes Anliegen. Wie stehen Sie zum Zwölf-Stunden-Tag? Wenn ein Mitarbeite­r länger arbeiten will, muss es die Möglichkei­t geben, das legal zu machen. Außerdem: Wenn ich mich als junger Start-up-Unternehme­r an irgendwelc­he Arbeitszei­tregelunge­n halten würde, dann würde es keine Unternehme­n mehr geben. Mit 38,5 Stunden kannst du kein erfolgreic­hes Start-up gründen.

Haben Sie sonst noch Tipps für junge Gründer? Erstens: Ich halte sehr viel von Gründen im Team. Zweitens: Wenn man umfällt – und man wird umfallen –, dann muss man wieder aufstehen. Und drittens: Nicht auf Neinsager hören.

Also nicht auf Sie hören? Ja, auch das. Man sollte es nicht zu ernst nehmen, wenn Florian Gschwandtn­er Nein sagt. Außer man ist mein Mitarbeite­r.

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