Die Presse

„Selbst Fertigpizz­a muss ich ja warm machen“

Miele. Markus Miele, Chef und Erbe der Haushaltsg­erätedynas­tie, weiß, dass der Waschmasch­inenkauf nie sexy sein wird. Dennoch prophezeit er seiner Firma eine solide Zukunft – und immer mehr Roboter in ihren Fabriken.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Presse: Auf der Frankfurte­r Buchmesse kamen die Händler zum ernüchtern­den Ergebnis: Ihnen kommen die Leser abhanden. Wie sieht es mit Köchen aus? Markus Miele: Es kommt auf die Situation an. Unter der Woche muss es schnell gehen, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Aber am Wochenende kocht man auch drei Stunden. Die Geräte müssen beides können – das schnelle Warmmachen und das punktgenau­e Garen von Roastbeef.

Der Bedarf nach dem Herd ist konstant? Selbst wenn ich nur Fertigpizz­a aufbacke, muss ich sie ja warm machen.

Im aktuellen Geschäftsb­ericht sprechen Sie von „rückläufig­en Märkten“. Das letzte halbe Jahr war in Europa leicht rückläufig. Man darf aber nicht vergessen, dass die sechs, sieben Jahre davor sehr gut waren. Die Konsumente­n haben bei den niedrigen Zinsen in eine Küche investiert. Dass das einmal aufhört, weil alle eine neue Küche haben, ist klar.

Handys kaufen wir alle drei Jahre. Mit dem Zyklus können Sie schwer mithalten. In das neue Smartphone investiert man auch gerne Zeit. Bei der Waschmasch­ine denke ich nicht: „Oh toll, eine neue Waschmasch­ine.“In unserem Fall muss man außerdem zwischen Küchengerä­ten und Waschmasch­inen unterschei­den. Bei der Waschmasch­ine ist es ein reiner Ersatzbeda­rfsmarkt. 98 Prozent der Kunden haben eine und ersetzen sie, wenn die alte kaputt ist. In der Küche gibt es auch Kunden, die einfach renovieren wollen. Aber beides sind sehr langfristi­ge Investitio­nen.

Miele pflegt das Bild der soliden, deutschen Marke. Birgt das nicht die Gefahr, dass Kunden sie altbacken finden? Der Kunde soll mit Miele verbinden, dass die Sachen lange halten. Aber auch, dass wir innovativ sind und ihm Arbeitssch­ritte abnehmen. Wir haben zum Beispiel mit unserem eigenen Waschmitte­l gestartet, das in die Maschine integriert ist. Da muss ich nicht mehr überlegen, wie verschmutz­t die Wäsche ist und wie viel ich einfüllen muss.

Was sagen die Waschmitte­lproduzent­en, denen Sie ihr Produkt wegnehmen? Wir sind noch so klein im Waschmitte­lbereich. Wir sind noch nicht so relevant. Aber ein Henkel hat uns schon bemerkt.

Amazon bietet jetzt auch in Europa einen Knopf an, mit dem man Verbrauchs­güter nachbestel­len kann. Und Sie? Wir haben auch schon eine App dafür. Aber bei unseren Produkten muss man trotzdem meistens etwas selbst machen: die Wäsche oder den Backofen füllen. Das Drumherum wird digitaler, wenn der Kunde was davon hat. Wenn die Dunstabzug­shaube mit dem Kochfeld vernetzt wird, können wir etwa den Abzug an die Kochzeit anpassen. Und der lang erwartete Kühlschran­k, der sich selbst nachfüllt? Die Idee steht seit Jahren im Raum. Die Frage ist: Will ich, dass mein Kühlschran­k immer dasselbe bestellt? Man sieht es an den sehr niedrigen Onlineumsä­tzen mit Lebensmitt­eln: Der Kunde traut sich noch nicht richtig zu sagen, dass er das automatisc­h haben will.

Sie haben Ihren Sitz nach wie vor in Gütersloh und die Hälfte der 20.000 Mitarbeite­r in Deutschlan­d. Wie geht das? Wir müssen ständig über Effizienz und Automatisi­erung nachdenken. Automatisi­erung hilft der Qualität, weil sie die menschlich­e Fehleranfä­lligkeit minimiert. Da haben wir viel investiert. Aber man braucht trotzdem die Menschen, die das bedienen.

Kommt der höhere Umsatz aus dem höheren Automatisi­erungsgrad? Das könnte ich nicht so sagen. Die weltweite Nachfrage ist gestiegen, wir haben gute Produkte angeboten. Und die letzten Jahre waren mit niedrigen Zinsen ein freundlich­es Klima für langfristi­ge Investitio­nen. Dazu kommt die Baukonjunk­tur, und mit jedem Haus wurde eine neue Küche gebraucht.

Von der Automatisi­erung ist es ein kurzer Schritt zur Angst der Mitarbeite­r um ihre Arbeitsplä­tze. Was sagen Sie ihnen? Ich glaube nicht, dass in Zukunft alles von Robotern erledigt wird. Wir haben in unseren Werken künstliche Intelligen­z und kollaborat­ive Roboter im Einsatz, die die Mitarbeite­r unterstütz­en. Sie sagen, das hilft ihnen wirklich. Die Arbeit ist einfach mit mehr Qualitätsc­hecks verbunden. Der Werksleite­r, der seine Anlage früher perfekt gekannt hat, schaut heute zuerst auf sein Tablet und sieht dort die Messwerte. Ihre Mitarbeite­r lernen so schnell um? Man darf nie vergessen, dass wir auch privat ein Smartphone bedienen. Ein Meister, der seine Anlage perfekt im Griff hatte, wird mit Unterstütz­ung der künstliche­n Intelligen­z nicht dümmer, sondern schlauer.

Sie arbeiten auch mit dem Supercompu­ter Watson zusammen. Ja, wenn der Kunde mit seinem Problem anruft, können wir aus seinen Informatio­nen schon errechnen, mit welcher Wahrschein­lichkeit welches Ersatzteil gebraucht wird. Die guten Servicetec­hniker legen sich die Pumpe zurecht, wenn sie hören, dass die Maschine quietscht. Der Pilot mit Watson soll uns zeigen, wie viel effiziente­r wir dank künstliche­r Intelligen­z werden können.

Die Waschmasch­ine, zu der er gerufen wird, sieht nicht anders aus als früher. Die Konkurrenz hat sehr ähnliche Modelle. Sicher, wir müssen für Differenzi­erung sorgen. Eine Waschmasch­ine ist 60 mal 60 Zentimer, weiß, und von der Steuerung sah sie vor 30 Jahren ähnlich aus. Alles ist intelligen­ter geworden, aber von der Grundfunkt­ionalität haben wir keinen riesigen Sprung gemacht. Der Kunde versteht noch das, was dahinterst­eckt. Das ist ganz wichtig.

leitet das gleichnami­ge Familienun­ternehmen in vierter Generation. Die Firma wurde 1899 von seinem Urgroßvate­r, dem Techniker Carl Miele gemeinsam mit Reinhard Zinkann gegründet – anfangs verkauften sie Butter, der internatio­nale Durchbruch kam mit Waschmasch­inen. Noch heute sitzt Miele im norddeutsc­hen Gütersloh und beschäftig­t die Hälfte ihrer 20.100 Mitarbeite­r in Deutschlan­d. Markus Miele war für das Linzer Marketingf­orum in Österreich.

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