„Selbst Fertigpizza muss ich ja warm machen“
Miele. Markus Miele, Chef und Erbe der Haushaltsgerätedynastie, weiß, dass der Waschmaschinenkauf nie sexy sein wird. Dennoch prophezeit er seiner Firma eine solide Zukunft – und immer mehr Roboter in ihren Fabriken.
Die Presse: Auf der Frankfurter Buchmesse kamen die Händler zum ernüchternden Ergebnis: Ihnen kommen die Leser abhanden. Wie sieht es mit Köchen aus? Markus Miele: Es kommt auf die Situation an. Unter der Woche muss es schnell gehen, wenn die Kinder aus der Schule kommen. Aber am Wochenende kocht man auch drei Stunden. Die Geräte müssen beides können – das schnelle Warmmachen und das punktgenaue Garen von Roastbeef.
Der Bedarf nach dem Herd ist konstant? Selbst wenn ich nur Fertigpizza aufbacke, muss ich sie ja warm machen.
Im aktuellen Geschäftsbericht sprechen Sie von „rückläufigen Märkten“. Das letzte halbe Jahr war in Europa leicht rückläufig. Man darf aber nicht vergessen, dass die sechs, sieben Jahre davor sehr gut waren. Die Konsumenten haben bei den niedrigen Zinsen in eine Küche investiert. Dass das einmal aufhört, weil alle eine neue Küche haben, ist klar.
Handys kaufen wir alle drei Jahre. Mit dem Zyklus können Sie schwer mithalten. In das neue Smartphone investiert man auch gerne Zeit. Bei der Waschmaschine denke ich nicht: „Oh toll, eine neue Waschmaschine.“In unserem Fall muss man außerdem zwischen Küchengeräten und Waschmaschinen unterscheiden. Bei der Waschmaschine ist es ein reiner Ersatzbedarfsmarkt. 98 Prozent der Kunden haben eine und ersetzen sie, wenn die alte kaputt ist. In der Küche gibt es auch Kunden, die einfach renovieren wollen. Aber beides sind sehr langfristige Investitionen.
Miele pflegt das Bild der soliden, deutschen Marke. Birgt das nicht die Gefahr, dass Kunden sie altbacken finden? Der Kunde soll mit Miele verbinden, dass die Sachen lange halten. Aber auch, dass wir innovativ sind und ihm Arbeitsschritte abnehmen. Wir haben zum Beispiel mit unserem eigenen Waschmittel gestartet, das in die Maschine integriert ist. Da muss ich nicht mehr überlegen, wie verschmutzt die Wäsche ist und wie viel ich einfüllen muss.
Was sagen die Waschmittelproduzenten, denen Sie ihr Produkt wegnehmen? Wir sind noch so klein im Waschmittelbereich. Wir sind noch nicht so relevant. Aber ein Henkel hat uns schon bemerkt.
Amazon bietet jetzt auch in Europa einen Knopf an, mit dem man Verbrauchsgüter nachbestellen kann. Und Sie? Wir haben auch schon eine App dafür. Aber bei unseren Produkten muss man trotzdem meistens etwas selbst machen: die Wäsche oder den Backofen füllen. Das Drumherum wird digitaler, wenn der Kunde was davon hat. Wenn die Dunstabzugshaube mit dem Kochfeld vernetzt wird, können wir etwa den Abzug an die Kochzeit anpassen. Und der lang erwartete Kühlschrank, der sich selbst nachfüllt? Die Idee steht seit Jahren im Raum. Die Frage ist: Will ich, dass mein Kühlschrank immer dasselbe bestellt? Man sieht es an den sehr niedrigen Onlineumsätzen mit Lebensmitteln: Der Kunde traut sich noch nicht richtig zu sagen, dass er das automatisch haben will.
Sie haben Ihren Sitz nach wie vor in Gütersloh und die Hälfte der 20.000 Mitarbeiter in Deutschland. Wie geht das? Wir müssen ständig über Effizienz und Automatisierung nachdenken. Automatisierung hilft der Qualität, weil sie die menschliche Fehleranfälligkeit minimiert. Da haben wir viel investiert. Aber man braucht trotzdem die Menschen, die das bedienen.
Kommt der höhere Umsatz aus dem höheren Automatisierungsgrad? Das könnte ich nicht so sagen. Die weltweite Nachfrage ist gestiegen, wir haben gute Produkte angeboten. Und die letzten Jahre waren mit niedrigen Zinsen ein freundliches Klima für langfristige Investitionen. Dazu kommt die Baukonjunktur, und mit jedem Haus wurde eine neue Küche gebraucht.
Von der Automatisierung ist es ein kurzer Schritt zur Angst der Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze. Was sagen Sie ihnen? Ich glaube nicht, dass in Zukunft alles von Robotern erledigt wird. Wir haben in unseren Werken künstliche Intelligenz und kollaborative Roboter im Einsatz, die die Mitarbeiter unterstützen. Sie sagen, das hilft ihnen wirklich. Die Arbeit ist einfach mit mehr Qualitätschecks verbunden. Der Werksleiter, der seine Anlage früher perfekt gekannt hat, schaut heute zuerst auf sein Tablet und sieht dort die Messwerte. Ihre Mitarbeiter lernen so schnell um? Man darf nie vergessen, dass wir auch privat ein Smartphone bedienen. Ein Meister, der seine Anlage perfekt im Griff hatte, wird mit Unterstützung der künstlichen Intelligenz nicht dümmer, sondern schlauer.
Sie arbeiten auch mit dem Supercomputer Watson zusammen. Ja, wenn der Kunde mit seinem Problem anruft, können wir aus seinen Informationen schon errechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit welches Ersatzteil gebraucht wird. Die guten Servicetechniker legen sich die Pumpe zurecht, wenn sie hören, dass die Maschine quietscht. Der Pilot mit Watson soll uns zeigen, wie viel effizienter wir dank künstlicher Intelligenz werden können.
Die Waschmaschine, zu der er gerufen wird, sieht nicht anders aus als früher. Die Konkurrenz hat sehr ähnliche Modelle. Sicher, wir müssen für Differenzierung sorgen. Eine Waschmaschine ist 60 mal 60 Zentimer, weiß, und von der Steuerung sah sie vor 30 Jahren ähnlich aus. Alles ist intelligenter geworden, aber von der Grundfunktionalität haben wir keinen riesigen Sprung gemacht. Der Kunde versteht noch das, was dahintersteckt. Das ist ganz wichtig.
leitet das gleichnamige Familienunternehmen in vierter Generation. Die Firma wurde 1899 von seinem Urgroßvater, dem Techniker Carl Miele gemeinsam mit Reinhard Zinkann gegründet – anfangs verkauften sie Butter, der internationale Durchbruch kam mit Waschmaschinen. Noch heute sitzt Miele im norddeutschen Gütersloh und beschäftigt die Hälfte ihrer 20.100 Mitarbeiter in Deutschland. Markus Miele war für das Linzer Marketingforum in Österreich.