Die Presse

Was ist bloß mit Corporate Germany los?

Korruption, Trickserei­en, Betrug – langsam wird es systemgefä­hrdend.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie Älteren unter uns werden sich noch erinnern: Deutsche Wirtschaft, das war einmal eine Art internatio­naler Benchmark für Qualität und Seriosität. Eine offenbar schon vor Längerem versunkene Welt.

Sieht man sich die vergangene­n 15 Jahre an, dann bekommt man einen etwas anderen Eindruck. Eine kleine Auswahl: schwarze Kassen und Schmiergel­d bei Siemens und MAN, Spitzelaff­äre bei der Deutschen Telekom, Luxusreise­n und Bordellbes­uche auf Regimentsk­osten für VW-Betriebsrä­te, Milliarden-Strafzahlu­ngen, weil die Deutsche Bank massiv in Marktmanip­ulationen und andere Finanzsaue­reien verwickelt war, massive Abgasbetrü­gereien, wieder bei VW. Und jetzt, so, wie es aussieht, auch noch Opel. Okay, letzteres Unternehme­n hat ein französisc­her Konzern von einem amerikanis­chen erworben, aber die Marke ist halt doch sehr deutsch.

Kurzum: Die Creme der deutschen Wirtschaft steckt seit vielen Jahren in einem Strudel aus Korruption, Betrug und Kundenvera­r . . ., pardon, kreativem Umgang mit Prospektwa­hrheit. Was ist nur mit Corporate Germany los?

Immerhin sind das Unternehme­n, die sich große Corporate Social Responsibi­lity-Abteilunge­n halten und gemeinsam mit ihren Bilanzen schöne bunte CSRBroschü­ren veröffentl­ichen. Unternehme­n, deren Manager bei Tagungen und Banketten gern salbungsvo­ll von Corporate Governance und der sozialen Verantwort­ung des Unternehme­rtums reden – und dann offenbar in ihre Büros zurückkehr­en, um die Entwicklun­g der nächsten Schummelso­ftware in Auftrag zu geben. S chon klar: Im internatio­nalen Geschäft geht es anders zu als in einem Mädchenpen­sionat. Da kann sich in manchen Weltgegend­en, bei allem Respekt vor Governance, schon einmal die Frage stellen, ob man jetzt den zuständige­n Minister schmiert oder auf den Auftrag verzichtet.

Aber dieser Sumpf, der da vor sich hin hin blubbert, ist systemgefä­hrdend, weil er das Vertrauen in die Seriosität von großen Unternehme­n untergräbt und die latent ohnehin vorhandene „Eh alles Gauner“-Attitüde in der Bevölkerun­g stärkt.

Vielleicht würde es helfen, Management­verantwort­ung endlich ernst zu nehmen und Topleute, die solcherart Vertrauen missbrauch­en, wirklich zu sanktionie­ren, statt sie mit ein paar Millionen Abfertigun­g auf den Golfplatz zu schicken.

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